Interview mit Mike Schubert: "Ich mache mir Sorgen um die Tage vor dem Teil-Lockdown"
Der Rathauschef über die Gefahr von Halloween-Partys, die neuen Einschränkungen und Zeichen der Solidarität in der Stadt
Herr Schubert, für wie ernst halten Sie die Corona-Lage in Potsdam?
Wir haben ja in den letzten Wochen gesehen, wie dynamisch sich ein bis dahin vergleichsweise überschaubares Infektionsgeschehen entwickeln kann. Wir erleben hier jetzt einen starken Anstieg der Zahlen, den wir sehr, sehr ernst nehmen müssen.
Worauf müssen sich die Potsdamer in den nächsten Wochen einstellen?
Sorgen mache ich mir weniger um die Zeit ab Montag, ab der Zeit des Teil-Lockdowns, sondern eher um die zwei, drei Tage davor. Wenn ich sehe, dass wir Anmeldungen von rund 130 privaten Halloween-Feiern vorliegen haben, frage ich mich schon, ob wirklich alle den Ernst der Lage begriffen haben. Ich kann nur noch einmal an alle Potsdamer appellieren, sich zu fragen, ob solche Feiern angesichts dramatisch steigender Infektionszahlen wirklich sein müssen.
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Wie aber passt es zu Ihrem Appell, dass die kommunalen Stadtwerke im Internet noch offensiv für eine Halloween-Party im blu-Bad werben?
Noch gelten die Regeln der aktuellen Eindämmungsverordnung des Landes. Die erlauben eine solche Veranstaltung. Aber auch hier haben wir der Geschäftsführung das Signal gegeben, wie anderen Veranstaltern auch, ernsthaft zu prüfen, ob man alles, was noch nicht verboten ist, in dieser Situation auch wirklich nutzen muss.
Potsdam hat durch den Corona-Ausbruch im Klinikum im Frühjahr bereits eine dramatische Erfahrung mit vielen Toten machen müssen. Kann etwas Ähnliches wieder geschehen?
Niemand ist davor gefeit, dass sich Infektionscluster bilden. Daher müssen wir alle wachsam bleiben und dafür sorgen, dass es nicht dazu kommt. Ich wiederhole noch einmal: Jetzt ist nicht die Zeit für Treffen von großen Personengruppen.
Die Covid-Station des Bergmann-Klinikums füllt sich beunruhigend schnell, auch Pflegepersonal kann erkranken – haben Sie Sorge vor dem Kollaps des Systems?
Das Klinikum ist – gerade nach der Erfahrung aus dem Frühjahr – gut aufgestellt. Die neue Geschäftsführung hat Konsequenzen gezogen. Dank dieser Anstrengungen und dem großen Einsatz der Mitarbeiter wird im Klinikum mit großem Verantwortungsbewusstsein gehandelt und alles dafür getan, dass es möglichst zu keinen Infektionen innerhalb des Hauses kommt.
Die Krankenhausfinanzierung des Bundes in der Coronakrise ist Ende September ausgelaufen. Was heißt das für das Bergmann-Klinikum?
Gemeinsam mit anderen Kommunen, die selbst Krankenhäuser betreiben, kämpfen wir innerhalb des Deutschen Städtetags für eine Fortsetzung dieser Finanzierung. Wir haben gegenüber Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sehr deutlich gemacht, dass diese Mittel weiter gezahlt werden müssen. Schließlich befinden wir uns noch mitten in der Pandemie.
Wie ist die Lage im Gesundheitsamt, dessen Arbeit ja essentiell ist, um die Infektionsketten zu unterbrechen?
Noch funktioniert alles, aber natürlich sind die Mitarbeiter, die übrigens großartige Arbeit leisten, sehr angespannt. Wir stellen daher Verwaltungsangestellte aus anderen Bereichen ab, die helfen sollen, die Kontaktverfolgung zu gewährleisten. Zudem haben wir 25 Bundeswehrsoldaten zur Unterstützung. Sollten die nicht ausreichen, werden wir um weitere Hilfe bitten.
Bei den Betroffenen des Teil-Lockdowns herrschen teils Unverständnis und Enttäuschung. Wie schätzen Sie die Akzeptanz der neuen Maßnahmen bei der Bevölkerung und den Betroffenen ein?
In den letzten Wochen habe ich die Akzeptanz für weitere Einschränkungen als sehr hoch erlebt. Natürlich muss man nun Gespräche auch mit den Branchen führen, die in den nächsten Wochen ihr Handwerk nicht ausüben dürfen. Wichtig ist, dass die Hilfsangebote des Bundes nun auch zügig und unbürokratisch ausgezahlt werden. Es gibt leider noch zu wenig gesicherte Erkenntnisse darüber, wie und wo Infektionsketten entstehen. Deswegen haben sich der Bund und die Länder zu diesen weitgehenden Maßnahmen entschieden, die wir als Kommune mittragen und umsetzen.
Halten Sie die beschlossenen Einschränkungen für weitreichend genug?
Man muss sich immer fragen, welche Einschnitte konkret nötig sind und ob es sich um das mildeste wirksame Mittel handelt. Bund und Länder haben einen sehr starken Eingriff in das gesellschaftliche Leben beschlossen. Jetzt gilt es, die Wirkung dieser Maßnahmen abzuwarten.
Das heißt, eigene, weiterreichende Regelungen wird das Rathaus nicht erlassen?
Wir werden die Lage in Potsdam natürlich genau beobachten, aber wie gesagt: Wir müssen den jetzt beschlossenen Maßnahmen erst einmal Gelegenheit geben, Wirkung zu entfalten. Eine Verschärfung dieser Regelungen ist daher im Moment nicht geplant.
Was erwarten Sie von den Potsdamerinnen und Potsdamern in diesem bevorstehenden Monat des Teil-Lockdowns?
Vor allem erwarte und hoffe ich, dass der Zusammenhalt, den die Menschen dieser Stadt bereits beim ersten Lockdown im Frühjahr gezeigt haben, wieder auflebt. Ich hoffe, dass die Potsdamer denjenigen helfen, die in dieser Zeit einer besonderen Unterstützung bedürfen. Zum Beispiel in der Gastrobranche. Wenn Restaurants sich entschließen, wieder einen Außer-Haus-Verkauf ihrer Speisen anzubieten, hoffe ich, dass die Potsdamer dieses Angebot erneut annehmen. Warum sich die Gerichte nicht nach Hause liefern lassen?