Energiewende in Potsdam: Hunderte Millionen Euro für mehr Klimaschutz nötig
Eine Diskussion zur Energiewende in Potsdam zeigte jetzt, wie schwierig das Umsteuern ist - gerade auch für die Stadtwerke als lokaler Strom- und Wärmeerzeuger. Geothermie kann ab 2024 genutzt werden
Potsdam - Potsdamer Klimaschützer drängen auf eine schnellere Energiewende in der Stadt. Doch der dafür vor allem zuständige Versorger Energie und Wasser Potsdam (EWP) sieht grundsätzliche Schwierigkeiten. Zudem drohen die hohen Kosten auch die Endpreise für die Kunden zu erhöhen. Die unterschiedlichen Haltungen ließen sich am Donnerstagabend bei einer auch im Internet übertragenen Diskussion des Stadtforums beobachten.
Es muss schneller gehen, so der Klimarat
So sagte Simon Jüngling, Medizinstudent und einer der Köpfe von Fridays for Future in Potsdam, die Laufzeit der Dekarbonisierungsstrategie der EWP bis 2050 sei viel zu lang. Die Klimaschützer haben bekanntlich das Ziel Klimaneutralität bis 2035 ausgegeben. Auch Sophie Haebel vom Klimarat Potsdam forderte, schon in den nächsten Jahren müssten gewaltige Anstrengungen erfolgen. Potsdam müsse 35 000 Tonnen Kohlendioxid weniger verbrauchen – pro Jahr. Diese Menge entspreche etwa der Einsparung durch die geplante große Photovoltaik-Anlage bei Satzkorn – es müssten also noch viele solche Anlagen folgen. Auf der anderen Seite würde laut Haebels Berechnung – beruhend auf aktuellen Zahlen der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen – allein die geplante „Media City“ des Stararchitekten Daniel Libeskind am Filmpark Babelsberg in konventioneller Bauweise eine Jahresration Kohlendioxid der ganzen Stadt verbrauchen. Um solche Entwicklungen besser abbilden zu können, sei ein häufiger aktualisierter Klimaschutzbericht nötig – die letzte Version ist vier Jahre alt. „Wo stehen wir denn jetzt?“, fragte Haebel, die sich beruflich vor allem mit Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie befasst.
Eine halbe Milliarde Euro, mindestens
EWP-Chef Eckard Veil hingegen sagte, man könne nicht von heute auf morgen die bestehende Technik und die Netze rundherum ändern. Es bedürfe allein für die bisherigen Ambitionen, bis 2050 kaum noch Kohlendioxid bei der Energie- und Wärmeerzeugung auszustoßen, mindestens eine halbe Milliarde Euro an Investitionen – in Potsdam. Die größte Aufgabe: Das mit Erdgas betriebene Heizkraftwerk-Süd, das bis etwa 2030 ersetzt werden müsse. Wie das gehen soll, tüftele man gerade aus. Möglich sei, diese Anlage durch zwei oder drei kleinere zu ersetzen, die etwa mit grünem Biogas betrieben werden könnten – was im alten Werk nicht geht.
"Da darf nichts schiefgehen"
Zugleich kündigte Veil mehrere Projekte zur klimaschonenden Energiegewinnung an. So will die EWP bekanntlich auch Geothermie nutzen – also die Hitze aus dem Erdinnern. Dazu wird Wasser aus bis zu 2000 Meter Tiefe nach oben gepumpt. Für die nötigen Bohrungen waren wie berichtet mit dem Geoforschungszentrum sieben mögliche Standorte im Kernstadtgebiet identifiziert worden. Doch bis die erste Anlage dafür steht, wird es noch bis Anfang 2024 dauern, machte Veil deutlich – sei es wegen der Genehmigungszeiträume, sei es wegen noch nötiger Tests und Analysen. Denn das Ganze sei für die EWP auch ein Millionenrisiko: „Da darf nichts schiefgehen, weil das Geld sonst anderswo fehlt.“ Perspektivisch könnte so bis 2050 fast 20 Prozent der benötigten Wärme für die Stadt erzeugt werden, hieß es in der Präsentation zu Veils Vortrag.
Eine besondere Spundwand
Schon im Bau sei eine kleine Versuchsanlage für die Gewinnung von Wärme aus der Havel. Dazu baut man eine „thermisch aktivierte Spundwand“. Durch diese Wand am Fluss soll Wärme aus dem Wasser in ein Wohnquartier am Hauptbahnhof geleitet werden. Das könne rund 100 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr einsparen. „Wir fangen erst an, mit solchen Anlagen Erfahrungen zu sammeln“, so Veil.
Veil nahm auch Stellung zu Forderungen, möglichst auf jedem Dach Solarpanele zu installieren. Das sei in Potsdam wegen der Sichtachsen, aus Denkmalschutzgründen oder wegen statischer Probleme nicht überall möglich. Auch das Stromnetz sei an manchen Stellen noch nicht gut genug, um den entstehenden Strom abzutransportieren.
Auch Krampnitz ist Diskussionsthema
Knapp vier Stunden dauerte die Diskussion – was auch die Komplexität des Themas zeigte. Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos) kündigte an, dass für Potsdam nun ein Energieleitplan erstellt werde. Als Werkzeug für stadtteilbezogenen Klimaschutz soll dieser unter anderem zeigen, wo sich regenerative Energien und die dafür nötigen Anlagen am besten einsetzen und errichten lassen.
Auch das geplante klimaneutrale Stadtviertel Krampnitz kam zur Sprache. Hier sieht das Energiekonzept der EWP aktuell ein mit Biomethan betriebenes Blockheizkraftwerk für die Wärmeversorgung vor, das im Spitzenlastfall mit Erdgas betrieben werden soll. Der Klimarat hatte das als unzureichend kritisiert und eine Umstellung auf eine Holzschnitzel-Anlage mit Bäumen aus der nahe gelegenen Döberitzer Heide vorgeschlagen – die eben wieder wachsen, wenn sie abgeholzt werden. Dazu teilten die Stadtwerke mit, so eine Anlage würde keine Vorteile bringen: "Die Wärme würde im Wesentlichen die Wärmeerzeugung aus der Solar- und Geothermie verdrängen, die bessere CO2-Emissionswerte als die Biomasse aufweisen.“ Ferner machte Veil auf eine weitere Schwierigkeit von kostspieligen Investitionen aufmerksam: Man dürfe in Krampnitz die Energie nicht zu teuer anbieten, sonst würden die künftigen Bewohner zu anderen Anbietern wechseln, warnte der EWP-Chef. Das sei aber dort insofern schwieriger, als das nicht in Neubauten, sondern eben alten Kasernenbauten geheizt werden müsse - die offensichtlich nur mit erheblichem Aufwand zeitgemäß gedämmt werden können. Und nun? Zumindest in einem Punkt herrschte Einigkeit bei den Diskussionsteilnehmern: Bei vielen Fragen des Klimaschutzes sei eben auch mehr staatliche Förderung für die Kommunen nötig.
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