Klimaschutz in Potsdam: Wie Potsdams „Wärmewende“ aussieht
In 30 Jahren will Potsdam den CO2-Ausstoß um 95 Prozent gesenkt haben. Energieversorger EWP diskutierte nun mit Wissenschaftlern über Dekarbonisierungsstrategie.
Potsdam - Grüne Gase, Solardachpflicht und Tiefengeothermie: Potsdams Wissenschaftler haben viele Ideen, wie die Landeshauptstadt ihre Energie künftig klimaneutral erzeugen könnte. Die Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP) bat daher Vertreter von sechs lokalen Wissenschaftseinrichtungen um Handlungsempfehlungen, wie die ambitionierte „Energie- und Dekarbonisierungsstrategie 2050“ erreicht werden kann, laut der die EWP in den kommenden 30 Jahren ihre Treibhausgasemissionen um 95 Prozent gegenüber 1990 verringern möchte. Anfang Dezember hatten sich die Wissenschaftler zusammen mit Vertretern der EWP und des Potsdamer Klimarates in einem Werkstattverfahren über Bausteine zur Erreichung der Klimaziele ausgetauscht.
Natürliche Erdwärme zum Heizen
Die vor einem Jahr vorgestellte Strategie der EWP umfasst vier Säulen: Fernwärmeversorgung, Stromerzeugung, Elektromobilität und Effizienzverbesserung. Da die Potentiale zur Einsparung von Kohlendioxid bei der Fernwärme am höchsten sind, lag der Schwerpunkt der Diskussion auf der „Wärmewende“ und hier insbesondere auf der Tiefengeothermie: Dabei wird in tiefe Schichten der Erdkruste (zwischen 400 bis 2000 Metern) gebohrt, um die natürliche Erdwärme zum Heizen oder zur Stromerzeugung zu nutzen.
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Daniel Acksel, Geschäftsführer des Bereichs „Geosysteme“ am Potsdamer Geoforschungszentrum (GFZ), hob die großen Chancen der Tiefengeothermie hervor: Sie verursache nur niedrige Treibhausgasemissionen, sei eine lokale, verlässliche Energiequelle und biete der EWP die Möglichkeit der heimischen Wertschöpfung. Er forderte „Mut zum Bohren“ und skizzierte seine Zukunftsvorstellung: „In Brandenburg betreibt im Jahr 2050 jeder kommunale Energieversorger mit Fernwärmenetzen auch eine Anlage für Tiefengeothermie.“ Erschwert würde das Ganze jedoch dadurch, dass es derzeit in Ostdeutschland keine Möglichkeit gebe, Bohrrisiken wirtschaftlich abzusichern, so Acksel. Dennoch sollte Potsdam in einem nächsten Schritt mögliche Geothermie-Standorte mittels Bohrungen und Geophysik erkunden.
Derzeit stagniere der Anteil der erneuerbaren Energien im Wärmesektor seit Jahren bei rund 14 Prozent, sagte Acksel. Die Energiestrategie sieht vor, dass die EWP im Jahr 2050 circa 44 Prozent Umweltwärme liefert (also etwa durch Biogas), davon sollen fast 20 Prozent aus Tiefengeothermie kommen. Tobias Schröder, Vizepräsident für Forschung und Transfer der Fachhochschule Potsdam erinnerte jedoch daran, dass es nicht ausreiche, die kommunalen Wohnungen klimaneutral zu machen: 60 Prozent des Wärmebedarfs würde durch private Akteure verursacht.
Umland könnte Biomethan liefern
Derzeit produziert die EWP Energie hauptsächlich mit Erdgas. Dies soll laut Strategie jedoch durch synthetisches Erdgas aus Wasserstoff und „grünen Gasen“ wie Biomethan ersetzt werden. Bis 2050 will die EWP 55 Prozent ihrer Wärme damit erzeugen. Andreas Meyer-Aurich vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB) betonte, dass durch diesen „Fuel Switch“ die Stadt-Land-Beziehung gestärkt werden könne, da das Umland als verlässlicher Lieferant von grünem Gas gebraucht werde.
Eine stärkere Kooperation zwischen Stadt und Land empfahl auch Johan Lilliestam, Forschungsgruppenleiter am Institute for Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS) und Professor für Energiepolitik der Uni Potsdam: Potsdam sollte ein „Power-Purchase-Agreement“ mit regionalen Anbietern erneuerbarer Energien eingehen, um unter anderem mehr Windstrom nutzen zu können. Derzeit kommt ein Großteil des Potsdamer Öko-Stroms aus Wasserkraftwerken in Österreich. Lilliestam plädierte außerdem für eine größere Nutzung von Wärmepumpen als Energiespeicher und empfahl der Stadt eine Solardachpflicht.
Insgesamt bewerteten die Wissenschaftler die Dekarbonisierungsstrategie der EWP positiv: Ingo Bräuer, Leiter Wissenschaftskoordination & Transfer am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), bezeichnete die Strategie als „gut und sehr ambitioniert“.
"Fridays for Future" fordert schnellere Einsparung
Angesichts der Dringlichkeit des Themas mahnte Simon Jüngling vom Potsdamer Klimarat zur Eile: Als Vertreter von „Fridays for Future“ betonte er, dass es nötig sei, bereits früher mehr Emissionen einzusparen als in der EWP-Strategie vorgesehen. EWP-Geschäftsführer Eckard Veil gab aber zu bedenken, dass bis 2050 die Versorgungssicherheit in Potsdam gewährleistet sein müsse. Der geplante Umwandlungsprozess sei eine große technische und finanzielle Herausforderung.
Sophie Haebel vom Potsdamer Klimarat hingegen zeigte sich zuversichtlich, dass die Ziele der Strategie umgesetzt werden können: Vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Klimawandels werde „die Lernkurve bei allen Akteuren geht steil nach oben gehen und Entwicklungen, die gestern noch als utopisch galten, Realität werden“, so Haebel.
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