Erinnerung an Widerstandskämpfer: Hitler-Attentat war ein Tabuthema
In Albrecht Merz von Quirnheims Familie wurde wenig über den 20. Juli gesprochen. Seiner und Henning von Tresckow wird an diesem Wochenende in Potsdam gedacht.
Potsdam - Mit einer Gedenkveranstaltung hat die Potsdamer CDU am gestrigen Freitag vor dem Haus in der Persiusstraße 12 an Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim, einem der Verschwörer des 20. Juli 1944, erinnert. Quirnheim lebte als Schüler mit seiner Familie ab 1919 einige Jahre in dieser Stadtvilla. Zur Gedenkveranstaltung am Freitag waren auch einige Nachfahren des Hitler-Gegners gekommen.
Es sei das erste Mal, dass er dieses Haus sehe, bekannte Quirnheims Enkel, Götz Bachert Ritter Mertz von Quirnheim, am Freitag. Er habe nur gewusst, dass sein Großvater einst in Potsdam gelebt hatte. Aber wo genau, das sehe er nun zum ersten Mal.
Im engsten Kreis um Graf von Stauffenberg
Der 1905 in München geborene Albrecht Mertz von Quirnheim war unter Hitler Oberst im Generalstab und ab 1944 Chef des Stabes des Allgemeinen Heeresamtes. Er gehörte zum engsten Kreis um Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Verschwörer aus dem Reigen des Militärs hatten damals versucht, Hitler zu töten. Heute vor 75 Jahren, am 20. Juli 1944, detonierte im Führerhauptquartier Wolfsschanze nahe Rastenburg, dem heutigen Ketrzyn, die von Stauffenberg deponierte Bombe. Hitler überlebte das Attentat.
Albrecht Mertz von Quirnheim wurde am 21. Juli 1944 im Hof des Bendler-Blocks in Berlin erschossen. Heute ist der Widerständler im öffentlichen Bewusstsein eher wenig präsent. In Potsdam ist immerhin eine Straße nach ihm benannt, auch das Helmholtz-Gymnasium gedenkt seiner mit einer Tafel. Hier, im damaligen Victoria-Gymnasium, hatte Quirnheim einst sein Abitur abgelegt. Nach Schilderung des in Bayern lebenden Enkels wurde über die Beteiligung seines Großvaters am misslungenen Staatsstreich vom 20. Juli 1944 innerhalb der Familie jahrzehntelang so gut wie nicht gesprochen. „Das war für ihn ein Tabuthema“, sagte Quirnheim etwa über seinen Vater Peter. Auch seine Großmutter Alice habe über die Beteiligung ihres Ehemanns an dem Attentat kaum gesprochen, „noch weniger als mein Vater“, erinnerte sich der Enkel . Über die Gründe könne er nur spekulieren.
Widerstandskämpfer heiratete in Garnisonkirche
Albrecht Mertz von Quirnheim hatte am 23. August 1934 in der Potsdamer Garnisonkirche seine Frau Alice-Charlotte, geborene Kraudzun, geheiratet. Diese Trauung in der heute so umstrittenen Kirche, so befand Wieland Niekisch, Vorsitzender der CDU Potsdam-West, auf der gestrigen Veranstaltung, spreche „sehr viel mehr für den Geist dieser Kirche als ein flüchtiger propagandistischer Händedruck“. Niekisch spielte dabei auf das bekannte Foto an, das Hindenburg und Hitler am „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 bei der Verabschiedung vor der Garnisonkirche zeigt.
Ebenfalls eng verbunden mit der einstigen Militärkirche ist auch Henning von Tresckow, einer der führenden Köpfe des militärischen Widerstandes gegen Hitler. Einige Bekanntheit hat seine Rede erlangt, die er zur Konfirmation seiner Söhne Mark und Rüdiger am 11. April 1943 gehalten hat. Die Einsegnung hatte in der Garnisonkirche stattgefunden.
„Wahres Preußentum heißt Synthese zwischen Bindung und Freiheit“, sagte Tresckow damals laut dem überlieferten Redetext. An jene Konfirmationsansprache Henning von Tresckows erinnerte Wolfgang Huber, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie bis vor zehn Jahren Bischof der hiesigen Landeskirche, in seiner Rede am gestrigen Freitag in der Bornstedter Kirche.
Tresckow war schon 1939 gegen Hitler
Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr mit Sitz in der nach Tresckow benannten Kaserne in Geltow hatte in dem Bornstedter Gotteshaus in einer nichtöffentlichen Veranstaltung Henning von Tresckows gedacht. Unter den Gästen war auch Tresckows Tochter Uta von Aretin. Vor dem Hintergrund heutiger Diskussionen über die Beweggründe der Attentäter des 20. Juli warnte Huber davor, „den moralischen und in vielen Fällen auch religiösen Kern des Widerstands zu leugnen“. Gegenteilige Auffassungen heutiger Zeitgenossen spiegelten das Problem, das der „Zeitgeist mit Moral und Religion“ habe. „Der Versuch, die christliche Verwurzelung Henning von Tresckows, aber auch Claus Graf Stauffenbergs, zu bagatellisieren, überträgt die gegenwärtig verbreitete Meinung, das Christentum werde im Prozess einer allgemeinen Säkularisierung irrelevant, in die Zeit des deutschen Widerstands“, sagte Huber. Tresckow, Jahrgang 1901, war verhältnismäßig früh gegen Hitler eingestellt. Bereits im Sommer 1939 sprach er davon, Hitler müsse durch Tod zu Fall gebracht werden. Der Widerständler war in mehrere Attentatsversuche auf Hitler verwickelt. Eines davon sollte ihn im März 1943 in einem Flugzeug töten. Damals versagte der Zündmechanismus der Bombe. Nur wenige Tage später misslang ein weiterer Attentatsversuch im Berliner Zeughaus, an dem Tresckow beteiligt war. Einen Tag nach dem Attentat des 20. Juli 1944 tötete sich Tresckow selbst.
Am Samstag, 20. Juli 2019, um 16 Uhr führt Stadthistoriker Hartmut Knitter im Infrastrukturministerium in der Henning-von-Tresckow-Straße 2-8 durch eine Ausstellung zum 20. Juli 1944. Der Eintritt ist frei. Die Stadt Potsdam lädt für den heutigen Samstag um 18 Uhr zu einer Gedenkveranstaltung in das Schloss Lindstedt in der Lindstedter Chaussee 1. Der Schauspieler René Schwittay wird Texte von und über Henning von Tresckow lesen