Bedrohter Kitabauernhof in Potsdam: „Hier werden Tatsachen geschaffen“
Der Streit zwischen der Potsdamer Stadtverwaltung und dem von Abriss bedrohten Kitabauernhof in Groß Glienicke geht weiter. Die Stadt schaffe Tatsachen, so ein Vorwurf.
Groß Glienicke - Während die Stadtpolitik noch um den Umgang mit dem von Abrissverfügungen der Stadt bedrohten Landgut Fruth samt Kitabauernhof am Eichengrund ringt, ist die Bauverwaltung offensichtlich schon einen Schritt weiter: Zum Unverständnis der Gutshof-Seite hat die Verwaltung in ihrem Amtsblatt die Änderung des Bebauungs- und Flächennutzungsplans neben dem umstrittenen Areal angekündigt. Damit soll der separat von dem Verein Spatzennest betriebene Kinderbauernhof aus dem Landgut Fruth herausgelöst und auf der anderen Straßenseite der nahen Potsdamer Chaussee angesiedelt werden. Ferner sollen dort ein nicht näher definierter Integrationskindergarten und Sportanlagen geschaffen werden, für die noch ein Investor gefunden werden muss. Für diese Planungsziele hat nun die Beteiligung der Öffentlichkeit begonnen – bis 17. März kann man Einwendungen an das Rathaus senden.
Ein Hauptkritiker kennt das Baugesetzbuch genau
Kritik gibt es aber schon – von Gerd Gröger, langjähriger Chef der Bauaufsicht des Landes Brandenburg und jetzt ein Berater des Gutshofs Fruth in dem Dauerstreit mit der Stadt um die fehlende Genehmigung für das vor Jahren errichtete Areal. „Es ist ganz offensichtlich, dass hier vollendete Tatsachen geschaffen werden sollen – damit die Stadtverordneten nicht zum Beispiel auf die Idee kommen, das benachbarte Gelände des Gutshofs in den Geltungsbereich dieses Bebauungsplans einzubeziehen“, sagte Gröger den PNN. Laut Gröger liege das geplante Ersatzgebiet auf einer Altlastenverdachtsfläche.
Die Stadt argumentiert dagegen nun, man führe als Rechtsnachfolgerin der Gemeinde Groß Glienicke das dort 1995 begonnene B-Planverfahren für den ehemaligen Schießplatz lediglich fort. Bei solchen Verfahrensschritten gebe es regelmäßig keine vorherige Befassung der Gremien der Stadtverordneten, sagte ein Stadtsprecher. An diesem Punkt des Verfahrens sei man schlicht noch nicht angekommen. Parallel laufen wie berichtet Gespräche der Stadt mit dem Spatzennest-Verein.
Bemerkenswert ist: In den Fachausschüssen der Stadtverordnetenversammlung liegt gerade ein Antrag der Linken, zur Rettung des Hofs einen vorhabenbezogener Bebauungsplan zu erlassen – auf Kosten des Eigentümers. Damit könne man die fehlenden Genehmigungen nachträglich einholen, hofft die Linke. Schon vor der heutigen Nutzung hätten sich vor Ort landwirtschaftliche Gebäude und Stallungen befunden, so eine Argumentation der Linken. Die Stadtverwaltung hat den Antrag bislang vehement abgelehnt.
Und auch die Frage, ob man den besagten B-Plan, der nun verändert werden soll, nicht einfach um den angrenzenden Gutshof erweitern kann, verneint die Bauverwaltung, zumal man eben gerade eine gleichwertige anderweitige Alternative für zumindest den Kitabauernhof suche. Der maßgebliche Unterschied sei, dass die eine Fläche nicht in einem Landschaftsschutzgebiet liege, der Gutshof dagegen schon. Dazu kontert Gröger, die Stadt könne den Gutshof schon jetzt aus dem Landschaftsschutzgebiet ausgliedern, wenn sie dies wolle und mit der Naturschutzbehörde des Landes besprechen: Denn der Hof liege am Rande der Schutzzone und sei schon seit Jahrzehnten bebaut – bevor das Landschaftsschutzgebiet überhaupt ausgewiesen war.
Die Stadt überzog den Eigentümer mit Abrissverfügungen
Die Stadt war in dem vergangenen Monaten massiv gegen den Bau vorgegangen. Laut einer aktuellen Antwort aus dem Rathaus auf Anfrage der Fraktion Die Andere wurden zwölf Abrissverfügungen versendet. Auf dem Hof befinden sich neben dem Kitabauernhof unter anderem eine Kfz-Werkstatt, Lager sowie ein Reitplatz und Pferdeställe. Dieses „differenzierte Vorgehen“ sei wegen unterschiedlicher Baulichkeiten, Nutzungen und Nutzern erforderlich gewesen. Aus Sicht von Gröger diente das Vorgehen aber eher dazu, die Verfahrensgebühren für den Grundstückseigner Michael Fruth in die Höhe zu treiben, weil jeder Bescheid und der Kampf dagegen, auch vor Gericht, extra Geld kostet. Die Stadt weist das auf Anfrage zurück: „Das Vorgehen diente ausschließlich dazu, die notwendigen Verfahren effektiv, zweckmäßig und zügig durchzuführen.“ Eine Zusammenfassung der verschiedensten Anordnungen und Vollstreckungsentscheidungen sei „nicht sachgerecht“ und auch nicht in Betracht gezogen worden, so die Pressestelle der Stadt. Rückendeckung für ihre harte Haltung hatte die Baubehörde in einer ersten Entscheidung vom Verwaltungsgericht Potsdam erhalten – allerdings ist der Rechtsstreit inzwischen bei der nächsten Instanz, dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg anhängig. Wann hier eine Entscheidung zu erwarten ist, konnte man dort noch nicht sagen.
Vergangenes Jahr hatte wie berichtet die Staatsanwaltschaft Neuruppin ihre Korruptionsermittlungen gegen den Hofinhaber und gegen einen zwischenzeitlich suspendierten leitenden Mitarbeiter der Bauaufsicht eingestellt. Es hatte der Verdacht bestanden, dass die aus Sicht der Stadtverwaltung illegal errichtete Anlage gegen Vergünstigungen geduldet wurde – was die Beschuldigten stets bestritten. Erst durch eine anonyme Strafanzeige war der Fall ins Rollen gekommen. Der Stadtmitarbeiter ist nun wieder – in einem anderen Bereich – im Rathaus beschäftigt.