Emotionale Rede im Stadtparlament: „Heute könnt ihr alle ein bisschen Ukrainer werden“
Mariia Salko berichtete von den dramatischen Zuständen in ihrer Heimat. Bisher sind 50 Geflüchtete in Potsdam angekommen.
Potsdam - In einer ungewöhnlich emotionalen Sitzung haben sich Potsdams Stadtverordnete am Mittwoch mit dem Krieg in der Ukraine und den Potsdamer Vorbereitungen auf die Aufnahme der Geflüchteten befasst. In einer eindringlichen, auf Ukrainisch vorgetragenen Rede berichtete Mariia Salko, eine Potsdamer Ukrainerin, von der Lage in ihrer Heimat, wo sich ihre Familie weiterhin aufhält. „An der Grenze zur Ukraine gibt es derzeit Warteschlangen“, sagte sie. Dort warteten Frauen und Kinder, die ihr Zuhause verloren haben und Richtung Westen fliehen. Doch es gebe eine zweite Schlange. In der stünden Menschen aus der ganzen Welt, die kämpfen wollten – kämpfen an der Seite der Ukraine.
„Die Ukraine hat ihre Stärke und ihren Willen bewiesen, in Freiheit und Demokratie zu leben“, sagte Mariia Salko. Sie forderte einen beschleunigten Prozess des Beitritts zur EU und einen Beitritt zur Nato. „Dies ist ein Krieg in der Ukraine, aber es ist nicht nur ein ukrainischer Krieg.“ Die Ukraine müsse mit Hilfe der westlichen Welt gewinnen. „Heute könnt ihr alle ein bisschen Ukrainer werden“, sagte Salko, deren Worte ein Übersetzer übertrug.
Stadtverordnete verurteilten Angriffskrieg
Mit einer Schweigeminute gedachten die Stadtverordneten der Opfer des Krieges. Dem Vorsitzenden des Gremiums, Pete Heuer (SPD), fiel es sichtlich und hörbar schwer, zur regulären Tagesordnung zurückzukehren. Kurz darauf verabschiedeten die Stadtverordneten mit breiter Mehrheit einen Dringlichkeitsantrag, in dem der russische Einmarsch verurteilt wurde. Mit Blick auf die Flüchtlinge hieß es: „Es ist uns ein tiefes Bedürfnis, diesen Menschen Hilfe und Unterstützung zu geben.“
Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) erläuterte die konkreten Vorbereitungen auf die Ankunft von Geflüchteten aus der Ukraine in Potsdam. Am Mittwoch sei ein Bus mit 50 Personen in der Landeshauptstadt eingetroffen. Sie gehörten zu den rund 1600 Menschen aus der Ukraine, die am Dienstag und Mittwoch in Berlin eingetroffen waren. Sozialarbeiter und Dolmetscher empfingen die Menschen, die Notaufnahme des Bergmann-Klinikums übernehme die medizinische Versorgung. Die Flüchtlingsberatungsstelle der Diakonie bearbeite jetzt schon jeden Tag bis zu 30 Fälle.
Schubert stimmte Potsdam auf die Aufnahme einer größeren Zahl Geflüchteter ein. „Wir sind das Bundesland, welches mit am nächsten an der Ukraine liegt. Darauf müssen wir uns vorbereiten“, sagte Schubert. Potsdam habe begonnen, die geordnete Unterbringung, sowie Hilfs- und Spendenaktionen vorzubereiten. Ordnungsbeigeordnete Brigitte Meier (SPD) werde den neuen Verwaltungsstab zur Ukraine leiten. „Die zu erwartenden Zahlen von Geflüchteten werden sich jedoch nicht allein durch die bisherigen Unterkünfte realisieren lassen“, sagte Schubert. Neben Angeboten der Pro Potsdam, des Bergmann-Klinikums und von Privatpersonen habe man Hotels, Pensionen und Hallen angefragt.
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„Die Hilfsbereitschaft der Potsdamerinnen und Potsdamer ist überwältigend“, sagte Schubert. Er kündigte an, dass die Wohnungstauschzentrale in der Yorckstraße zu einem Willkommenszentrum umfunktioniert werde. Der Verein Neues Potsdamer Toleranzedikt koordiniere die privaten Hilfsangebote.
Konsequenzen für die Stadtwerke angekündigt
Die Stadtverwaltung veröffentlichte auf ihrer Internetseite unter www.potsdam.de eine Liste mit Fragen und Antworten, was bei der Aufnahme von Flüchtlingen im eigenen Haushalt zu beachten ist. So könne man nach derzeitigem Recht nach der visumfreien Einreise keiner Arbeit nachgehen. Betroffene können aber einen Asylantrag stellen – dafür sei ein Umweg über die Erstaufnahme in Eisenhüttenstadt notwendig. Das Land prüfe eine Änderung der Praxis, so das Rathaus.
Schubert kündigte auch Konsequenzen für die Stadtwerke an. Deren Energieversorger EWP beziehe Gas von Großhändlern und an der Börse. „Die Einschränkung des Einkaufens von russischem Gas sind da schwierig“, weil man nicht zwingend den Erzeuger erfahre. Bei künftigen Käufen solle aber die Herkunft des Erdgases hinterfragt werden und Kauf von russischem Erdgas möglichst eingeschränkt werden. Dazu solle die EWP auch ihre Beschaffungsstrategie weiterentwickeln, um mittelfristig „die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus der russischen Föderation nachhaltig zu verringern“.
Schubert verabschiedete sich von seiner früheren Idee für eine Partnerschaft mit einer russischen Stadt – dafür war 2020 wie berichtet die Großstadt Jaroslawl im Westen im Gespräch. Es sei aktuell nicht „der richtige Zeitpunkt ist, diese Gespräche zu intensivieren“. Er wolle sich aber um eine Städtepartnerschaft mit der Ukraine bemühen, sagte Schubert, „wohlwissend, dass wir eine Umsetzung erst nach dem Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine realisieren können“.
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