Gastkommentar | Wissenschaftsministerin Manja Schüle: Für eine Synagoge in unserer Mitte
Manja Schüle fordert einen schnellen Kompromiss im Streit um die Potsdamer Synagoge. Auch weil viele ältere Gemeindemitglieder es verdient haben, die Einweihung des Gotteshauses noch zu erleben. Es müsse gelingen, ein Zeichen in schwierigen Zeiten zu setzen.
Potsdam - Langsam steigen die Kinder in die Baugrube. Vorsichtig nähern sie sich einem hölzernen Davidstern. Sie entzünden kleine Kerzen und platzieren sie sicher. Die Namen deportierter Jüdinnen und Juden werden verlesen. Auf dem Bürgersteig der Schlossstraße versammelt sich die Potsdamer Stadtgesellschaft. Sie alle gedenken der Opfer der Novemberpogrome und seit zwei Jahren treffen sie sich auch am neuen Standort der Jüdischen Synagoge.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 drangen Gestapo-Beamte in die alte Potsdamer Synagoge ein. Sie verwüsteten das Gebäude am damaligen Wilhelmplatz. Später ermordeten sie die Jüdinnen und Juden von Potsdam in Konzentrationslagern. Im April 1945 zerstörte dann ein Luftangriff das Gebäude. Neun Jahre später erfolgte der Ruinenabbruch. Heute finden sich dort Wohnhäuser, und der Wilhelmplatz heißt mittlerweile Platz der Einheit. Allein eine Gedenktafel an einem der Wohnhäuser neben der Hauptpost erinnert an das Verbrechen.
Noch immer fehlt eine Synagoge
Lange Zeit war es unvorstellbar, dass Juden wieder Vertrauen zur deutschen Gesellschaft fassen könnten. Zum Glück ist es geschehen. Es gibt Hoffnung auf ein neues Erstarken des jüdischen Lebens in Potsdam. Brandenburg ist zu einem wichtigen Ort jüdischer Theologie geworden und in der Landeshauptstadt werden Kantoren sowie Rabbinerinnen und Rabbiner ausgebildet. Doch noch immer fehlt eine Synagoge. Unweit des brandenburgischen Landtages und nur dreihundert Meter vom alten Standort entfernt, kündet ein noch unscheinbares Grundstück vom Bau eines neuen Bethauses. In der Schlossstraße soll nach Zeichnungen des Architekten Jost Haberlands ein Jüdisches Gemeindezentrum entstehen. Das Geld steht bereit. Die Pläne sind gemacht. Aber der erste Spatenstich lässt noch auf sich warten. Noch fehlt der abschließende Kompromiss zwischen den Jüdinnen und Juden in Potsdam über die genaue Nutzung des Gebäudes. Währenddessen klafft das unbebaute Grundstücke wie eine offene Wunde in unserer Mitte.
Ein fast schon intimer Ort
Die Landesregierung darf und will sich nicht in die Gestaltung eines Bethauses einmischen. Wir sind für den Bau der neuen Synagoge. Wir unterstützen das Anliegen. Doch wir wollen keine Hinweise zum Gebrauch, zur zeitlichen Nutzung oder der Ausgestaltung des Gebäudes geben. Wir bauen nicht für uns, sondern für das Jüdische Leben in Potsdam. Das angedachte Jüdische Synagogenzentrum ist ein privater und fast schon intim zu nennender Ort. Wir helfen diesen Ort zu bauen, doch können wir nicht bestimmen, wer das Gebäude wann betreten darf. Das müssen die Jüdinnen und Juden in Potsdam klären. Deshalb halte ich es weiterhin für eine gute Idee, den Ausgleich der Interessen über den bereits eingerichteten Trägerverein zu suchen. Er kann vermitteln, helfen und zusammenführen.
Wir brauchen jetzt eine Einigung, denn viele ältere Gemeindemitglieder möchten die Einweihung ihres neuen Gotteshauses noch erleben. Sie haben es verdient, wieder ein Bethaus zu haben. Wir stehen bereit, den Bau zeitnah beginnen zu lassen. Schließlich feiern wir im kommenden Jahr 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Es muss uns deshalb gemeinsam gelingen, ein Zeichen in diesen schwierigen Zeiten zu setzen. Denn noch immer ist es nicht überall in unserem Land selbstverständlich, ohne Furcht eine Kippa zu tragen oder in der Synagoge miteinander zu beten. Deshalb darf das Grundstück in der Potsdamer Schlossstraße nicht länger unbebaut bleiben. Wir brauchen schnell einen Kompromiss der jüdischen Gemeindemitglieder in Potsdam. Nur so kann eine neue Synagoge in unserer aller Mitte entstehen.
Manja Schüle