Synagogen-Streit in Potsdam: Austritt aus Protest
Der Streit um die Gestaltung von Potsdams neuer Synagoge blockiert das Bauvorhaben schon seit Jahren. Nun gibt es auch innerhalb der Synagogengemeinde heftige Auseinandersetzungen.
Potsdam - Der Streit um den Bau einer Synagoge geht in eine neue Runde. Aus Protest gegen die Haltung ihres Vorsitzenden Ud Joffe haben etwa zwanzig Potsdamer Juden ihren Austritt aus der Synagogengemeinde erklärt. Zunächst hatte die "Märkische Allgemeine Zeitung" berichtet. Sie werfen Joffe vor, den Bau in der Schlossstraße zu blockieren. Mit den PNN sprachen einige von ihnen nun über die Beweggründe.
„Zehn Jahre sind vergangen und nichts ist passiert“, sagt etwa Vitaly Ferchtman. Der 88-jährige stützt sich beim Gehen auf einen Stock. „Inzwischen wird gar nicht mehr über den Bau gesprochen, sondern nur noch über Dekorationen.“ Damit meint Ferchtman den Vorsitzenden Joffe, der in vielen Punkten Kritik am Entwurf des Architektenbüros Haberland geäußert hatte, unter anderem an der Fassadengestaltung. Joffe ist zurzeit verreist und war für einen Kommentar nicht zu erreichen.
Ferchtman wurde in St. Petersburg geboren, er ist Holocaust-Überlebender. Seit 23 Jahren lebt er in Potsdam. Wie die meisten Potsdamer Juden ist er damals als Kontingentflüchtling aus der ehemaligen Sowjetunion gekommen. Ferchtman wünscht sich, dass der Bau der Synagoge noch zu seinen Lebzeiten erfolgen kann.
„Man muss Kompromisse machen können“
Auch Ernest Gorodetsky ist aus Protest ausgetreten: „Joffe stoppt das Projekt“, sagt er. Jeder habe zwar das Recht, seine Meinung zu äußern. Aber der Vorsitzende müsse einsehen, dass seine Vorstellungen nicht verwirklicht werden könnten. „Man muss Kompromisse machen können“, sagt Gorodetsky. Der 81-Jährige wurde im ukrainischen Charkiw geboren und kam vor 20 Jahren nach Potsdam. „Wir sind sehr zufrieden hier“, sagt er. Das einzige Problem sei, dass der Synagogenbau nicht vorankomme.
Auch Roman Kostynsky (82) und Viictor Gelfer (63) sind ausgetreten. Sie teilen die Kritik am Vorgesetzten. Mit dem Reporter der PNN trafen sich die Männer in der Praxis des Orthopäden Alexander Kogan, der die Synagogengemeinde ebenfalls verlassen hat. Kogan war zuletzt Joffes Stellvertreter. Bereits 1990 hatte er die Jüdische Gemeinde Land Brandenburg begründet, aus der später die heutige Jüdische Gemeinde Potsdam hervorging. Von dieser wiederum spaltete sich 2010 die Synagogengemeinde ab.
Zehn Mal umgezogen
Schon damals stritt man sich um das Bauprojekt. Der letzten amtlichen Prüfung der Mitgliederlisten im Jahr 2012 zufolge hatte die Jüdische Gemeinde 374 Mitglieder und die kleinere Synagogengemeinde 149. Ob die 20 ausgetretenen Mitglieder nun eine neue Gemeinde gründen oder sich wieder der größeren anschließen wollen, sei intern noch nicht geklärt, sagt Kogan.
Seit nunmehr 30 Jahren wären die Potsdamer Juden gezwungen, Provisorien zu nutzen, klagt Gorodetsky. Zehn Mal seien sie bereits umgezogen. „Eine Zeitlang waren wir sogar in einer Garage“, sagt er und lacht über die Absurdität. „Wir sind wie ewige Wanderer“, sagt Ferchtman.
Die Bauarbeiten sollen nun beginnen
„Der Architekt ist uns in vielen Fragen entgegengekommen”, sagt Kogan. Auch Ferchtman, Gorodetsky, Kostynsky und Gelfer sind mit dem aktuellen Entwurf zufrieden. Nun sollten die Bauarbeiten beginnen, sagen sie. Die zentralen Fragen seien geklärt, etwa die Raumverteilung und die Größe der Räume.
Für kein anderes Bauprojekt seiner Karriere habe er so viele Bauzeichnungen angefertigt, sagt der Architekt Jost Haberland den PNN auf Anfrage. „Wir haben insgesamt über 50 Varianten des Entwurfs erstellt. Das hat alles wahnsinnig lange gedauert.“ Dabei befinde sich das Projekt eigentlich noch in einem sehr frühen Planungsstadium. „Den letzten Vorentwurf haben wir Ende Juni 2018 fertiggestellt“, sagt Haberland. „Wir haben uns weitestgehend den Wünschen der Gemeinden angepasst.“ Die Mitglieder hätten in Workshops Gelegenheit gehabt, ihre Wünsche und Ideen einzubringen. Doch aus fachlicher Sicht sei nun einmal nicht jeder Wunsch in einem Bauwerk umsetzbar, so der Architekt. Joffe hatte wie berichtet bemängelt, dass Haberland nicht alles aus dem Workshop-Entwurf übernommen hatte, etwa die Fensternischen am oberen Rand der Fassaden oder die Gestaltung des Eingangsbereichs.
Das Ministerium soll nun Mut beweisen
Die Finanzierung des Projektes kommt vom Land Brandenburg, mit der Umsetzung ist der Brandenburgische Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen betraut. Doch dort verweist man auf das Kulturministerium. Solange dieses keinen Bauantrag einreiche, könne man nicht tätig werden, teilte eine Sprecherin mit.
„Der Ball liegt beim MWFK“, sagt auch Haberland. Das Ministerium solle nun „Mut beweisen“ und eine Entscheidung fällen. Kogan vermutet, dass das Land zögere, weil es nicht den Eindruck erwecken möchte, den jüdischen Gemeinden einen bestimmten Entwurf aufzuzwingen. „Wir wollen nicht über die Köpfe der Gemeinden hinweg entscheiden“, heißt es aus dem MWFK. Das Land verhandle mit den gewählten Köpfen der beteiligten Gemeinde. Solange die sich nicht einig seien, sei eine Entscheidung nicht möglich. Wenn es nun eine weitere Gemeinde geben sollte, dürfte das jedoch nicht einfacher werden.
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