Potsdams Oberbürgermeister geht in den Ruhestand: Feierlicher Abschied von Jann Jakobs
Nach 16 Jahren im Amt als Potsdams Oberbürgermeister wurde Jann Jakobs am Freitag verabschiedet. Parteifreunde und auch politische Konkurrenten würdigten ihn.
Potsdam - Die beste Anekdote hat er sich dann doch bis ganz zum Schluss aufgehoben. Sie handelt nicht von seinen Erlebnissen mit Prinz Philipp beim Besuch der Queen, auch nicht von Tom Hanks, Steven Spielberg oder Gerhard Schröder und dessen Abenteuer mit zwei Currywürsten. Sie handelt von einem Kamm.
Die Rathauschefs wechselten, der Kamm blieb
„Diesen Kamm, lieber Horst“, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs am Freitag bei seinem Abschiedsempfang im Alten Rathaus, „hätte ich dir gerne noch zurückgegeben“. Der gut aufgelegte Jakobs strahlte vor Vergnügen, als er die Hintergründe der Geschichte zum Besten gab. Seit den ersten Nachwendejahren beschäftigte jeden Rathauschef ein Problem: Wie lässt sich sicherstellen, dass beim nächsten Termin das Haar auch ordentlich liegt? Potsdams erster Nachwende-OB Horst Gramlich deponierte daher einen Kamm unter der Sonnenblende auf der Beifahrerseite seines Dienstwagens. Die Rathauschefs wechselten, die Wagen weniger schnell und noch langsamer die Fahrer. Der Kamm blieb. Ihn nutzte Matthias Platzeck und bis vor Kurzem auch Jakobs: „Es ist seit über 25 Jahren immer derselbe Kamm“, sagte Jakobs. „Horst, danke!“ Jetzt allerdings sei der Kamm nicht mehr im Wagen: „Leider hat ihn mein Fahrer bei einem Besuch des Audi-Automobilmuseums liegenlassen“, erklärte Jakobs. „Dort ist er jetzt ein ganz besonderes Exponat“, sagte er unter dem Gelächter der Anwesenden.
Die Anwesenden, das waren in diesem Fall mehrere Hundert und gekommen war so ziemlich jeder, der in Potsdam etwas darstellt oder dies einmal tat: Der neue Rathauschef und Noch-Sozialdezernent Mike Schubert hatte seinen Urlaub unterbrochen, die Beigeordneten waren komplett vertreten, Hohenzollernchef Georg Friedrich von Preußen verabschiedete Jakobs ebenso aus dem Amt wie die Chefs der kommunalen Unternehmen, Sportfunktionäre, Vereinschefs, Minister, Landräte, Stadtverordnete, Wirtschaftsleute. Promis wie Günther Jauch, Hasso Plattner oder Wolfgang Joop fehlten allerdings, Ex-„Bild“-Herausgeber Kai Diekmann dagegen kam etwas später und direkt vom Flughafen zum Empfang. Und auch Jakobs’ Familie bis hin zu den fünf Enkeln wollte sich ansehen, wie ihr Mann, Vater oder Opa für 16 Jahre als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt gefeiert wurde.
Die Laudatio hielt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der Jakobs’ Verdienste um die Stadt in den höchsten Tönen pries. Der gebürtige Ostfriese habe es geschafft, dass Potsdam weder zur „preußischen Puppenstube noch zu einer anonymen Großstadt“ verkommen sei. Dass sich nach wie vor alle Menschen in der schnell wachsenden Landeshauptstadt wohlfühlen könnten, „sei eine riesengroße Leistung“ des scheidenden Oberbürgermeisters, sagte Woidke, der zugleich auch dessen Engagement als Präsident des Brandenburger Städte- und Gemeindebunds hervorhob.
Auch Finanzdezernent Burkhard Exner (SPD), seit Jahren zugleich Jakobs’ Stellvertreter und sonst nicht zu besonders viel Gefühlsduselei neigend, hielt eine teils emotionale Abschiedsrede für seinen Chef. Er bedankte sich für das „Vertrauen und die Rückendeckung“, die ihm Jakobs als Stadtkämmerer entgegengebracht habe, auch wenn es mitunter „Reibungswärme“, sprich Streit gegeben habe. Der sei aber stets produktiv gewesen, sagte Exner.
"Dickkopf" Jakobs brachte viel Kompromissbereitschaft mit
Überhaupt wurde dem auch als „ganz schöner Dickkopf“ – Amtsvorgänger Matthias Platzeck in einem launigen Filmchen über Jakobs’ Amtszeit – geltenden Ostfriesen selbst von politischen Gegnern viel Kompromissbereitschaft und demokratisches attestiert. Linke-Fraktions- und Oppositionschef Hans-Jürgen Scharfenberg erinnerte in dem Film daran, dass er es gewesen sei, der Jakobs als damaligen Jugendamtschef Ende der 90er-Jahre dazu „ermutigt“ habe, sich als Sozialdezernent zu bewerben. Auseinandersetzungen, auch solche, die „unter die Gürtellinie“ gegangen seien, habe man später gemeinsam gelöst, lobte Scharfenberg.
Schon zu Beginn hatten Darsteller des Kindermusiktheaters „Buntspecht“ für Jakobs Auszüge eines neuen Piratenstücks gespielt, das im Dezember im Treffpunkt Freizeit Premiere feiern soll. Zum Abschied überreichten sie ihm eine Schatztruhe mit einem Tropenhut, Anti-Mückenspray und einem Holzbuntspecht als Türklopfer fürs Haus im Campus am Jungfernsee. Erstere Gaben waren für den bevorstehenden Familienurlaub in Afrika gedacht.
Woidke und Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) schenkten Jakobs einen Korbstuhl mit Namensschild für Klönabende mit weiteren Senioren aus Politik und Wirtschaft, um gemeinsam über das Weltgeschehen zu philosophieren. Jakobs, sichtlich gerührt, dankte all seinen Wegbegleitern – und hatte diebische Freude an einem Seitenhieb gegen seinen Nachfolger und seinen Stellvertreter. Er wünsche Schubert und Exner, dass beide ein „ähnliches Verhältnis zueinander bekommen wie wir es hatten“. Beide waren bekanntlich Kontrahenten im Kampf um die Nominierung zum SPD-Oberbürgermeisterkandidaten. Ihr Verhältnis gilt trotz gegenteiliger Behauptungen als angespannt. Jakobs Anspielung quittierten beide mit leicht gequältem Lächeln.
Jakobs will sich nicht in die Politik einmischen
Dass er künftig keine Rosen züchten und auch nicht seiner Frau auf den Wecker fallen wolle, hatte Jakobs bereits im PNN-Interview angekündigt. Auch bei seinem Abschied blieb aber offen, welchen Aufgaben er sich nun widmen will. In die Politik einmischen werde er sich jedenfalls nicht, bekräftigte der 64-Jährige – auch und nachdrücklich in Richtung Woidke. 2019 wird bekanntlich ein neuer Landtag und somit auch eine neue Landesregierung gewählt. „Auch Leserbriefe werde ich keine schreiben“, sagte Jakobs. Falls ihm eine Entwicklung künftig gegen den Strich gehe, „werde ich einfach Holz hacken“.
Zum Schluss trat Jakobs unter stehenden Ovationen noch einmal auf die Bühne. Er verbeugte sich, es fehlte nur ein Vorhang, so sehr erinnerte die Szene an den glücklichen Protagonisten eines gelungenen Theaterstücks. So viel parteiübergreifender Beifall ist selten. Vielleicht brachte Platzeck im Abschieds-Film am besten auf den Punkt, warum das so ist: „Auf immer wird diese Etappe der Stadtgeschichte, in der Potsdam sich so gut entwickelt hat und so lebenswert geworden ist, mit einem ostfriesischen Namen verbunden sein – Jann Jakobs.“