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Im Wandel. Die Staudenhof-Grünfläche ist bereits weg. Im November beginnt die Schadstoffbeseitigung am alten FH-Gebäude.
© Klaer

Großbaustelle in Potsdams Mitte: Fachhochschule: Abschied auf Raten

Stadt und Sanierungsträger stellten Details zum Abriss des alten FH-Gebäudes vor – und mussten sich auch Kritik anhören.

Potsdam - Die Liste der in der Fachhochschule am Alten Markt verbauten Schadstoffe ist lang: Unter anderem 162 Tonnen asbesthaltige Bau- und Dämmstoffe, 800 Tonnen Bodenestrich, der durch gefährliche Stoffe verunreinigt ist, rund 200 Tonnen mit giftigem Holzschutzmitteln belasteter Parkettboden und 500 Liter Hydrauliköl führt der mit dem Abriss des Gebäudes befasste Sanierungsträger des städtischen Wohnungsunternehmens Pro Potsdam an.

Der sogenannte Schadstoffrückbau wird entsprechend lange dauern: Fünf Monate, von November bis März, veranschlagt der Sanierungsträger für die Arbeiten. Ehe das Fachhochschulgebäude komplett aus dem Stadtbild verschwunden sein wird, dauert es dann noch bis September 2018. Das geht aus dem detaillierten Zeitplan hervor, den Vertreter des Sanierungsträgers gemeinsam mit Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos) am Dienstagabend bei einer Bürgerversammlung im Potsdam Museum vorgestellt haben.

Kritik an den 2,8 Millionen Euro Abrisskosten als "staatlich subventionierte Privatisierungspolitik"

Das Interesse an der Veranstaltung war indes zurückhaltend. Rund 60 Zuhörer waren ins Potsdam Museum gekommen, darunter viele Vertreter der Bürgerinitiativen rund um die Mitte-Entwicklung. Der Saal war gerade einmal halbvoll. Bei der anschließenden Diskussion überwogen die abriss-kritischen Stimmen. André Tomczak von der Initiative „Stadtmitte für alle“ etwa kritisierte die bisherige Kommunikation der Stadt rund um die Mitte-Entwicklung. Noch sei es für eine Abkehr von den Planungen nicht zu spät, das alte FH-Gebäude sei auch im entkernten Zustand noch „von Wert“.

Steffen Pfrogner, ebenfalls von den Abrissgegnern, sprach angesichts der 2,8 Millionen Euro Abrisskosten, die mit Mitteln aus dem Städtebauförderprogramm getragen werden, von „staatlich subventionierter Privatisierungspolitik“. Eine ältere Anwohnerin beklagte den Verlust des Staudenhof-Grüns. Baudezernent Bernd Rubelt sagte, er könne verstehen, dass das Verschwinden des Komplexes, der jahrelang die Mitte prägte, „Emotionen hervorruft“. Er verwies auf die jahrelange Debatte und entsprechende Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung: „Wir sind als Stadtverwaltung an diese Beschlüsse gebunden.“ Ziel der Stadt sei es, eine „lebendige Mitte für alle Menschen“ zu schaffen, betonte er.

Maximal vier Lkw pro Stunde sollen auf das Gelände der Fachhochschule fahren

Sanierungsträger-Chefin Sigrun Rabbe erläuterte die technischen Details und den Fahrplan für das Abrissvorhaben. Die Vorbereitung ist beinahe abgeschlossen – in den kommenden Tagen wird um das Areal ein zweieinhalb Meter hoher und 400 Meter langer roter Holzbauzaun aufgestellt, kündigte sie an. Für die Potsdamer wird damit auch der öffentliche Durchgang über das Staudenhofareal gesperrt – Alter Markt, Friedrich-Ebert-Straße und die Straße Am Alten Markt blieben wie gehabt zugänglich.

Im November soll der Schadstoffrückbau sowohl im Innern des Gebäudes als auch außen beginnen. Der eigentliche Abriss erfolgt dann den Plänen zufolge von April bis August 2018. Abrissbirnen oder Sprengmaterial werden dabei nicht zum Einsatz kommen, betonte Rabbe. Trotzdem werde es „nicht ganz ohne Lärm und Schmutz abgehen“. Die Abrissarbeiten sollen dabei werktags – ob die Samstage auch genutzt würden, sei dabei noch unklar – von 7 bis 20 Uhr stattfinden. Rabbe geht von maximal vier Lkw pro Stunde aus, die in Hochzeiten abtransportiert werden. Vor besonders „lärm- und erschütterungsintensiven Arbeiten“ würden die Anwohner gesondert informiert. Erschütterungen würden zudem regelmäßig kontrolliert. Staubemissionen wiederum sollen durch Besprühung mit Wasser minimiert werden.

Gebaut wird in den Jahren von 2019 bis 2022

Das Haus werde geschossweise abgetragen, angefangen im Norden, also am Bildungsforum. Das abgetragene Material soll zunächst auf der Fläche entlang der Friedrich-Ebert-Straße gelagert werden. Im September 2018 geht es dann um den Rückbau des Kellergeschosses und die Verfüllung mit Boden.

Für die Bebauung des sogenannten Blockes III waren nach der ersten Runde des Investorenverfahrens im Frühjahr 43 Bewerber für die zweite Runde ausgewählt worden. Ihre Konzepte soll die Auswahlkommission im Dezember diskutieren. Bereits ab 15. November sollen alle Entwürfe in anonymisierter Form im Internet und in der Infobox am Alten Markt veröffentlicht werden, kündigte Sanierungsträger-Chef Bernd Nicke an. Die Entscheidung soll im Frühjahr fallen, gebaut werden soll nach der Erschließung des Areals dann von 2019 bis 2022.

Hintergrund: Kehraus in der Fachhochschule

Die Fachhochschule Potsdam (FH) nimmt am Samstag Abschied vom langjährigen Standort am Alten Markt. Von 17 bis 22 Uhr sind unter anderem Ausstellungen, Installationen und Performances geplant. Das Haus selbst bleibt dabei für Besucher verschlossen – wie seit der Besetzung im Sommer. Ab 17 Uhr soll es an dem Standort in der Innenstadt sowie im Potsdam Museum und in der 17. Etage des Hotels Mercure einen „Markt der Erinnerungen und Perspektiven“ geben, kündigte die Hochschule an. Mehr als 30 Teilnehmer werden zudem Positionen, Ideen und Bezüge zum alten FH-Gebäude, das 1977 als Institut für Lehrerbildung eröffnet wurde, zeigen. Der Ort soll mit Performances, Fotografien, Videos, Installationen und Projektionen belebt werden. Musik und Gastronomie aus Potsdam sollen zum Verweilen und Austausch einladen. Ab 20 Uhr wird es interaktive Fassadenprojektionen geben. Um 22 Uhr bricht eine Kehraus-Tram zum wiedereröffneten Casino am Campus Kiepenheuerallee auf, um dort mit Bands und DJs zu feiern.

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