zum Hauptinhalt
Die frühere Oberbürgermeisterin Brunhilde Hanke mit dem millionsten Ziegelstein für die Garnisonkirche.
© Andreas Klaer

Interview | Brunhilde Hanke zur Garnisonkirche: Ex-Oberbürgermeisterin für modernen Bau statt Kirchenschiff

Brunhilde Hanke war Potsdams Oberbürgermeisterin, als 1968 die Garnisonkirche gesprengt wurde. Nun sprach sie über ihre Erinnerungen, den Wiederaufbau der Kirche und die Zukunft des Geländes.

Frau Hanke, wie fühlt es sich für Sie an, auf der Baustelle am wachsenden Turm der Garnisonkirche zu stehen?
Als der Turm weg war, war ich nicht bei denen, die ihn wieder aufbauen wollten. Aber jetzt, wo er diese Höhe erreicht hat, ist er für meine Begriffe einfach da. Man muss ihn jetzt bejahen und annehmen, auch die Bevölkerung der Stadt. Ich habe gehört, es soll eine Aussichtsplattform geben. Das wird sicher ein großer Anziehungspunkt auch für viele Menschen, die nach Potsdam kommen.

Es wird viel über die künftige Gestaltung des Standort des ehemaligen Kirchenschiffes diskutiert. Welche Variante würden Sie bevorzugen?
Am besten gefallen hat mir bisher der Vorschlag von Helmut Przybilski, dem ehemaligen Stadtpräsidenten von Potsdam. Er hat angeregt, das Rechenzentrum mit dem Mosaik stehen zu lassen und neben dem Turm einen Neubau zu errichten, in dem ein Tagungs- und Begegnungszentrum sowie ein Ausstellungsraum entstehen könnte. Der Turm würde das Alte symbolisieren, das Rechenzentrum für die Zeit der DDR stehen und der Neubau für die Moderne. Dieser Dreiklang von Gebäuden wäre auch ein Zeichen für das aufeinander Zugehen in der gespaltenen Situation in Potsdam.

Das ähnelt dem Kompromissvorschlag des Oberbürgermeisters Mike Schubert, oder?
Ja, es geht in diese Richtung. Ich könnte mir einen modernen Bau gut vorstellen. Er sollte sich aber eingliedern in das gesamte Ensemble. Einen Wiederaufbau des Kirchenschiffes möchte ich nicht.

Der Wiederaufbau der Kirche bleibt höchst umstritten in Potsdam. Was würden Sie den Gegnern des Wiederaufbaus sagen?
Wir haben in Deutschland eine zunehmende Gefahr des Rechtsradikalismus. Es gibt berechtigte Ängste, dass der Ort von Rechtsradikalen als Gedenkort missbraucht werden könnte. Die Stiftung hat hier eine riesige Verantwortung, um das zu verhindern. Potsdam vermarktet sich als Stadt der Solidarität und der Toleranz. Die Kräfte, die aus der Garnisonkirche einen Ort der Versöhnung und des Friedens machen wollen, müssen sich zusammenschließen. Die verschiedenen Diskutanten sollten einen Weg finden, um das Zerrissene zu einen.

Die Garnisonkirche wurde gesprengt, als Sie Oberbürgermeisterin in Potsdam waren. Wie erinnern Sie sich an die Zeit der Entscheidung?
Los ging es bereits 1966. Damals fuhren Mitglieder des Politbüros an der Kirche vorbei und fragten mich nach den Gerüsten, die dort standen. Ich habe ihnen gesagt, dass wir uns darauf verständigt haben, dass wir die Kirche eines Tages wieder aufbauen wollen, wenn wir dazu in der Lage sind. Sie sind dann nach Berlin gefahren und haben sich besprochen. Später kam das Signal: Das militaristische Wahrzeichen sollte weg. Ich habe noch einen Vorstoß gewagt und vorgeschlagen, nur den Turm stehen zu lassen, mit dem Glockenspiel, das das Lied „Im Frühling“ von Johannes R. Becher, vertont von Hanns Eisler, spielen sollte. Dort heißt es „Friede, Friede sei auf Erden! Menschen wollen Menschen werden.“ Das fand ich sehr passend. Aber ich bin mit meiner Auffassung nicht durchgedrungen. 

Die ehemalige Potsdamer Oberbürgermeisterin Brunhilde Hanke ist für einen modernen Neubau anstelle des früheren Kirchenschiffs.
Die ehemalige Potsdamer Oberbürgermeisterin Brunhilde Hanke ist für einen modernen Neubau anstelle des früheren Kirchenschiffs.
© Andreas Klaer

Wie wurde die Entscheidung getroffen?
Die Stadtverordnetenversammlung hat an diesem Tag morgens ab 8 Uhr getagt. Dort ging es um einen Antrag auf die Sprengung der Garnisonkirche. Begründet wurde dieser mit der Baufälligkeit und der Gefahr für Leib und Leben. Dieser Grund wurde gerade in kirchlichen Kreisen von vielen bezweifelt, sie sagten, der Grund war ein politischer. Und das stimmte. Es ging darum, dass die Kirche weg sollte, die viele als Synonym des preußischen Militarismus sahen. Ich selbst habe an der Sitzung der Stadtverordneten nicht teilgenommen. Ich war in der Zeit nebenan bei einer Schulung, da ich auch Chef der Zivilverteidigung war.

Wie haben Sie die Sprengung selbst erlebt?
Die Sprengung hat am selben Tag stattgefunden, am Vormittag kurz nach der Sitzung. Der Zeitraum sollte so kurz wie möglich sein, denn es gab ja auch Gegner des Abrisses. In einer Pause meiner Schulung bin ich mit einigen anderen dort hingegangen, um zu schauen. Manche haben gejubelt, als die Hälfte stehen blieb. Ich stand nah am Sperrkreis und war in dem Moment einfach nur erschrocken. 

Bereuen Sie es, sich nicht stärker gegen die Sprengung eingesetzt zu haben?
Ich hätte damals nur als Oberbürgermeister aufhören können. Aber ich habe die bittere Pille geschluckt.

Zur Startseite