Neuer Kurs für Potsdamer Bergmann-Klinikum: Erst die Gesundheit, dann das Geld
Reaktionen auf Untersuchungsbericht zu Corona-Ausbruch: Die Stadtspitze will mit Stadtverordneten, Aufsichtsrat, Chefs und Mitarbeitenden das kommunale Klinikum neu ausrichten.
Potsdam - Mit einer Strategieklausur der Stadtverordneten und einer neuen Projektgruppe in der Verwaltung will Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) die Neuausrichtung des kommunalen Klinikums "Ernst von Bergmann" voranbringen. Das sagte Schubert am Mittwochabend im Hauptausschuss, wo sich die Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung erstmals zum Abschlussbericht der Expertenkommission äußern konnten, die im Auftrag des Klinikum-Aufsichtsrats die Ursachen für den schweren Corona-Ausbruch in dem Krankenhaus im Frühjahr 2020 untersucht hat.
Einhellig begrüßten die Stadtverordneten den Bericht und die Arbeit der Kommission. Die inhaltliche Auseinandersetzung allerdings soll in der nächsten Sitzung beginnen - der 74-seitige Bericht war erst am Vortag veröffentlicht worden.
Bericht in Gänze betrachten
Linke-Fraktionschef Stefan Wollenberg appellierte an die Stadtverordneten, sich "nicht nur einzelne Aspekte herauszugreifen". Der Bericht sei sehr komplex und müsse in Gänze betrachtet werden. In der nächsten Ausschusssitzung könne nur ein "inhaltlicher Aufschlag" sowie die Verständigung über das Verfahren mit der Projektgruppe erzielt werden, so Wollenberg weiter. Klar sei, dass nur "eine neue Zielbestimmung für das Klinikum zu einer gesunden Entwicklung" führen werde.
SPD-Stadtverordnete Sarah Zalfen sagte, der Bericht sei "empathisch" und dringe "tief in die Atmosphäre des Klinikums" vor und sei "dort fündig geworden". Er komme "weitreichend zu den gleichen Schlussfolgerungen wie die Stadt damals". Auch die personellen Konsequenzen, die Schubert mit der Beurlaubung der damaligen Geschäftsführung gezogen hatte, würden bestätigt.
Bürgerbündnis-Stadtverordnete Carmen Klockow, selbst Ärztin, appellierte an die Parteienvertreter, auf ihre Bundestagsabgeordneten Einfluss zu nehmen um die Krankenhausfinanzierung anders aufzustellen und den Wirtschaftlichkeitszwang, den die Bergmann-Expertenkommission als höchst problematisch beurteilt, aufzulösen. "Wirtschaftlichkeit passt nicht zur Gesundheitserhaltung", so Klockow.
"Keinen Punkt nach innen und außen vergessen"
Wibke Bartel, Stadtverordnete der Grünen und Aufsichtsratsmitglied, sagte, bei der Betrachtung des Abschlussberichts sollte man "keinen Punkt nach innen und außen vergessen". Grünen-Co-Fraktionschefin Saskia Hüneke hatte zuvor auf PNN-Anfrage mitgeteilt, der Bericht enthalte "viele wichtige Hinweise für die Stadtpolitik, auch wenn einzelne Aspekte in der dargestellten Form verkürzt oder verallgemeinert wahrgenommen, falsche Schlussfolgerungen zulassen", so etwa "bei der Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht zugunsten einer Ausschüttung an die Stadt".
Der FDP-Stadtverordnete Björn Teuteberg warnte davor, in einer Abkehr von der Wirtschaftlichkeit nun "unwirtschaftlich zu arbeiten und verschwenderisch umzugehen". Carsten Linke (Die Andere) dagegen sagte, die "Lage im Bergmann-Klinikum ist ja nicht neu, aber jetzt erst aufgefallen". Es sei schade, dass "wir dafür erst die Corona-Pandemie brauchten".
Schubert kündigt transparente Diskussion an
Oberbürgermeister Schubert kündigte an, die Diskussion über die Aufarbeitung des Corona-Ausbruchs und die Neuausrichtung des Klinikums "offen und transparent in der Stadtgesellschaft" zu führen. Der Expertenbericht sei nicht wie von manchen befürchtet "ein Feigenblatt", sondern kritisch und unabhängig. In schwierigen Abwägungsprozessen werde es jetzt darum gehen, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit besser auszutarieren.
Dies solle mit den Stadtverordneten, dem Aufsichtsrat und den Mitarbeitenden des Klinikums geschehen. Es müsse auch eine "bessere Verzahnung zur Belegschaft" des Krankenhauses geben. Dort werde "sehr genau darauf geguckt", wie "wir mit dem umgehen, was dort seit dem Sommer geschehen ist in Vorbereitung auf die zweite Welle der Pandemie". Schubert sagte zudem, "ich mache mich nicht frei von der Mitverantwortung für den ökonomischen Kurs". Als dieser für das Klinikum 2005 beschlossen wurde, war Schubert Stadtverordneter, später war er als Sozialbeigeordneter Aufsichtsratschef des Klinikums.
CDU-Fraktionschef nimmt Oberbürgermeister ins Visier
In einer Presseerklärung hatte CDU-Fraktionschef Götz Friederich am Mittwochvormittag Schubert als politisch Verantwortlichen für die Missstände im Klinikum ausgemacht. "Diese Verantwortlichkeit ist jetzt zumindest in Ansätzen aufgedeckt und kann nicht mehr einfach so weggewischt werden", schrieb Friederich. Die Verwaltungsspitze müsse "auch ihren Teil der Verantwortung übernehmen", so Friederich weiter. Dies könne "im Ergebnis auch eine personelle Konsequenz bedeuten, so wie es für die Geschäftsführung eben auch personelle Konsequenzen hatte". Damit deutete Friederich offenbar an, dass er einen Rückzug des Oberbürgermeisters für angemessen hielte, wenigstens aber eine "offizielle Entschuldigung".
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Die damalige Klinikum-Geschäftsführung, Vorstand Steffen Grebner und die medizinische Geschäftführerin Dorothea Fischer, war zunächst von Schubert als Gesellschaftervertreter beurlaubt worden. Im Sommer nahm die Potsdamer Staatsanwaltschaft wegen des Ausbruchs mit zahlreichen Toten Ermittlungen gegen beide sowie drei leitende Mediziner unter anderem wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung auf. Im November räumten Grebner und Fischer ihre Geschäftsführungsposten endgültig.
Keine Unterstützung für Friederich
Im Hauptausschuss stand Friederich mit seiner harschen Forderung jedoch ziemlich allein da - es gab keinerlei unterstützende Stimmen, sondern vor allem den Appell, mit dem Untersuchungsbericht sachlich umzugehen.
Die Vorsitzende der Expertenkommission, die ehemalige Linke-Gesundheitsministerin Anita Tack, begrüßt das Vorgehen der Stadtverordneten. "Die Kommission wird begeistert sein", sagte Tack, denn sie habe schon befürchtet, "unsere Ideen könnten im Schubkasten bleiben".
Klinikum-Geschäftsführer Hans-Ulrich Schmidt betonte erneut, dass das Klinikum den Bericht der Expertenkommission begrüße. Er enthalte viele wichtige Hinweise. "Wir haben den Anspruch, dieses Haus gemeinsam mit den Mitarbeitern nachhaltig weiterzuentwicklen."
Schmidt und Tim Steckel hatten das 1000-Betten-Krankenhaus kurz nach dem Ausbruch Ende April mitten in der Krise zunächst interimistisch übernommen. Zahlreiche Missstände seien bereits angegangen worden, so Schmidt, man habe "mehr als 250 Projekte aufgesetzt, um wieder ein funktionierendes Krankenhaus" zu bekommen - darunter Schutzkonzepte, Betriebsmedizin und Hygiene. Nur in einem Punkt wolle er der Expertenkommission widersprechen: "Man konnte in bestimmten Passagen lesen, dass wir nicht bereit seien zu lernen - aber das stimmt nicht." Gerade bei der Wiederinbetriebnahme nach dem Ausbruch hätten die Mitarbeiter "Unglaubliches geleistet".
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