Das Mercure-Hotel in Potsdam: Eine Nacht im Mercure
Die Pläne für den Abriss des Mercure-Hotels bewegen Potsdamer. Unser Autor hat dort eine Nacht verbracht. Ein Report.
Potsdam sieht ganz gut aus. Das Sonnenlicht bricht sich in den kräuselnden Wellen der Havel. Dahinter erhebt sich links der Brauhausberg, rechts breitet sich der Lustgarten aus, dahinter die Halbinsel Hermannswerder. „Wir genießen die schöne Aussicht – solange es noch geht“, sagt die Frau, die mit ihrem Mann auf dem Feuerbalkon an der Südseite des Hotel Mercure steht. Das Potsdamer Paar im Rentenalter ist mit dem Aufzug ins 16. Stockwerk gefahren. „Und das soll abgerissen werden für eine Wiese. Können Sie sich das vorstellen?“ Die Dame wirkt entrüstet und interessiert zugleich. Wie es denn so sei als Gast im Mercure, will sie wissen.
Wer als Tourist über eines der Buchungsportale im Internet nach einem Hotel in zentraler, verkehrsgünstiger Lage in Potsdam sucht, bekommt auch das Vier-Sterne-Haus angeboten. Kommt man dann als Reisender am Bahnhof an, wird auch klar, warum. Es steht mittendrin, man sieht es sofort. Am Empfang ist am späten Donnerstagnachmittag nicht viel los. Drei Geschäftsreisende diskutieren, ob die Lobby für ihre Besprechung angemessen ist oder doch besser das Zimmer. Die Begrüßung an der Rezeption ist freundlich, es wird nach weiteren Wünschen gefragt, das Café im Filmmuseum für einen Kaffee empfohlen oder die Unscheinbar für kalte Getränke am Abend.
Wenig Platz - gut genutzt
Das Standard-Doppelzimmer selbst entspricht dann dem, was ein Städtereisender für die 99 Euro erwarten kann: Im Zimmer kann man sich nicht gerade verlaufen. Es gehört wohl nicht zu denen, die bei der Sanierung in den 1990er-Jahren vergrößert wurden. Dafür ist das Doppelbett sehr bequem und der Innenarchitekt hat sich einiges einfallen lassen, um Waschbecken, Toilette, Dusche und Schrank auf möglichst wenig Platz zu kombinieren. Das Bad ist gewissermaßen offen und eine Schiebetür verschließt entweder Duschkabine oder Toilette. Alles ist sauber und auf dem Schreibtisch am Fenster stehen ein Fernseher, ein Wasserkocher und eine Auswahl verschiedener Tees bereit. Das W-Lan funktioniert ohne Probleme.
Der Ausblick aus dem Zimmer im vierten Stockwerk ist natürlich weniger spektakulär als von weiter oben in dem 17-Geschosser. Aber immerhin kann der Gast den Landtag, die Alte Fahrt und die Freundschaftsinsel sehen, auch die Lange Brücke. Zu hören ist der Verkehr aber nicht. Die Fenster sind dicht.
Wer sich zum Abendessen nicht auf die Suche in der Innenstadt begeben will, kann im Hotelrestaurant „Oscar“ einkehren. Filmstars sind aber nicht zu sehen. Gegen 20 Uhr sind nur ein halbes Dutzend der Tische mit den blütenweißen Decken besetzt. Das hat den Vorteil, dass man sich einen Fensterplatz mit Blick auf die Havel aussuchen kann. Das Personal ist flott und aufmerksam. Die Speisekarte bietet neben international üblichen Standardgerichten wie argentinischem Steak und Burger vom Angus-Rind auch regionale Spezialitäten. Das teuerste Hauptgericht kostet 20 Euro. Für Vegetarier ist die Auswahl auf der Karte etwas schmal, zwei Suppen, nur ein fleischfreier Salat und das einzige Hauptgericht ohne Tier ist eine vegetarische Currywurst.
Appetit auf mehr
Was dann aber auf den Tisch kommt, zeigt, dass der Koch sein Handwerk bestens versteht. Schon die Bautzener Senfsuppe mit Lauch und Sauerteigcroutons tut, was eine Vorspeise machen soll: Appetit auf mehr machen. Die Wartezeit wird mit Baguette und Tomatenquarkschaum verkürzt. Die Rinderroulade als Hauptgang ist so mürbe, dass man kaum das Messer benutzen muss. Die Füllung aus Zwiebel, Gurke, Speck und Schweinemett ergänzt sich harmonisch. Und der Apfelrotkohl ist auf den Punkt gegart und gewürzt.
Die meisten Gäste sind offenbar im Rentenalter. Am Nachbartisch wird über Katzen und Wandertouren auf dem Jakobsweg gesprochen. Einen Tisch weiter geht es um die Nachkriegszeit und Frisuren von Jugendlichen in den 1960er-Jahren: „Die Haare wurden immer länger.“ Das Paar vom Nachbartisch verabschiedet sich um 21.15 Uhr mit einem freundlichen „Gute Nacht“.
An der Hotelbar „Cinebar“, zwischen Restaurant und Rezeption gelegen, haben sich etwas später noch ein Dutzend Gäste niedergelassen. Auf einem Bildschirm ist das Programm eines Nachrichtensenders zu sehen. Der Musiker Prince sei gestorben, kann man dort lesen. Der Ton ist aus. Statt Prince ist leiser Barjazz zu hören, der sich in die Weite der Lobby versendet. „The Girl from Ipanema“ ist auf Portugiesisch zu hören. Zwischen Fotos von Schauspielern wie Heinz Rühmann und Angelika Domröse ist es gemütlich. Die Wasabi-Erdnüsse gehen aufs Haus und sorgen für zusätzlichen Durst. An der Bar erzählen sich vier Geschäftsreisende mit Rollkoffern Anekdoten über frühere Geschäftsreisen: „Dann blieb der Zug hinter Kassel einfach stehen.“ Sie ziehen Streichhölzer, wer die Runde Rex-Pils zahlt – oder auf wessen Spesenkonto sie gebucht wird. Dann gehen sie. Kurz nach 23 Uhr bleibt nur noch ein Pullunderträger mit Notebook und einem 0,3-Liter-Glas Rex-Pils übrig.
Lockeres Rührei, knuspriger Speck
Am nächsten Vormittag ist es am Frühstücksbüfett auch nicht voller als am Vorabend im Restaurant. Anders als beim kürzlichen Mercure-Besuch von „Bild“-Herausgeber Kai Diekmann an einem Wochenende, der im PNN-Interview berichtete, es sei beim Frühstück voll gewesen, ist es ist ein gewöhnlicher Wochentag. Keine Großveranstaltung hat zusätzliche Gäste in die Stadt gelockt. Das merkt man. Allerdings ist die Klientel um 9.30 Uhr etwas jünger. Würde draußen nicht ein eisiger Wind wehen, würde sich auch die Terrasse als Platz zum Frühstück anbieten. Sie liegt auf der Ostseite in der Morgensonne. Das Frühstück, das mit 16 Euro zu Buche schlägt, ist opulent und variantenreich. Es ist kaum möglich, alles zu probieren, was da kalt und warm bereitsteht. Das Rührei ist locker, der Speck kross, die Auswahl an Käse und Wurst groß. Kaffee steht in einer Thermoskanne auf dem Tisch bereit. Er ist schwarz und stark. Auch Espresso gibt es auf Wunsch.
Spätestens um 12 Uhr soll bei der Abreise ausgecheckt werden. Wie schon bei der Anreise geht es an der Rezeption schnell. Dort liegen auch Unterschriftenlisten des Bürgerbegehrens gegen den von der Stadt geplanten Abriss des Hotels und anderer Gebäude in der Stadtmitte aus. Zwei neue Namen sind an diesem Tag schon dazugekommen. „Kommen Sie bald wieder“, sagt die Mercure-Mitarbeiterin an der Rezeption. Warum nicht?
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Unsere Autorin Steffi Pyanoe hat sich auch im Hotel Mercure umgeschaut und mit den Mitarbeitern gesprochen. Ein Blick hinter die Kulissen >>
Vom Prestigebau zum "Missstand". Eine Chronologie zum Hotel Mercure >>
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