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Undurchsichtig. Die Vorgänge bei den Potsdamer Stadtwerken werfen viele Fragen auf. Wenigstens die Fassade ist transparent. Immerhin.
©  Johanna Bergmann

Potsdamer Stadtwerke-Skandal: Ein Versehen mit Folgen

Der Original-Prüfbericht zum Potsdamer Stadtwerke-Skandal um außerordentliche Gehaltserhöhungen für eine Mitarbeiterin soll dem Aufsichtsrat „aus Versehen“ nicht vorgelegen haben. Und das hat Folgen.

Potsdam - Jeder gegen jeden: Wenn sich am Samstag Hunderte Mitarbeiter des Potsdamer Stadtwerke-Konzern (SWP) zu ihrem alljährlichen Sportfest am Luftschiffhafen treffen, gibt es neben Fußball oder Bogenschießen auch viel Gesprächsstoff am Rande. Denn der aktuelle Stadtwerke-Skandal um außerordentliche Gehaltserhöhungen für eine Mitarbeiterin und fragwürdige Vergaben für Bauaufträge hat diese Woche bei den Stadtwerken offene Fragen zurückgelassen – zumal hinter den Kulissen offenbar erbitterte Machtkämpfe ausgetragen werden.

Keine bewusste Täuschung seitens der Stadtwerke

Eine Frage ist aber zumindest aus Sicht der Potsdamer Stadtspitze um Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) geklärt: Wie es dazu kommen konnte, dass im Rathaus bis Mitte der Woche nur eine um wichtige Passagen entschärfte Version des Zwischenberichts zu zivil- und arbeitsrechtlichen Konsequenzen der Kanzlei Raue aus Berlin vorlag. „Wir gehen von einem Versehen aus“, sagte Stadtsprecher Stefan Schulz am Freitag auf Anfrage – eine bewusste Täuschung durch die Stadtwerke habe nicht stattgefunden. Dieses Versehen habe vermutlich die Konzern-Innenrevision der Stadtwerke zu verantworten, die die Berichte an die Aufsichtsratschefin der Stadtwerke-Töchter Stadtentsorgung (Step) und Energie und Wasser Potsdam (EWP) weitergab – also an Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger (parteilos). Erst nach den PNN-Berichten vom Wochenanfang über eine deutlich weitgehendere Berichtsversion der Kanzlei Raue hatte das Rathaus sich auch diese Fassung beschafft – die ausdrücklich auch für den EWP-Aufsichtsrat gedacht war, wie Schulz bestätigte.

Das Versehen hatte Folgen. Weil der Original-Bericht angeblich nicht vorlag, erhielten der EWP-Aufsichtsrat und auch Oberbürgermeister Jakobs keine Kenntnis von den Empfehlungen, wie mit dem laut den Juristen unter Untreueverdacht stehenden freigestellten EWP-Geschäftsführer und früheren Step-Chef Holger Neumann umzugehen sei. So hatte der vollständige Bericht gefordert, Neumanns fristlose Kündigung im EWP-Aufsichtsrat zur Abstimmung zu stellen und ihm noch nicht die Entlastung als EWP-Chef für das Geschäftsjahr 2015 zu erteilen. Beide Passagen fehlten in der entschärften Fassung – woraufhin der Vertrag mit Neumann nur nicht verlängert wurde und er bei rund 200 000 Euro Jahresgehalt bis Ende September 2017 freigestellt ist. Auch die Entlastung erteilte ihm der Aufsichtsrat. Dass überhaupt zwei Berichte im Umlauf waren, begründete Schulz so: „ Die Ausführungen der rechtlichen Verhältnisse der EWP zu ihrem Geschäftsführer dürfen nicht einer anderen Gesellschaft, nämlich der Step, zugänglich gemacht werden.“ Ob die Beschlüsse im EWP-Aufsichtsrat angesichts des versehentlich falsch vorgelegten Berichts nun überhaupt gültig sind, konnte Schulz noch nicht beantworten.

Staatsanwaltschaft prüft unterdessen Vorermittlungen wegen Untreue

Zugleich bestätigte Schulz, dass die Konzern-Innenrevision der Stadtwerke auch beauftragt worden sei, nicht nur mögliche Pflichtverletzungen bei der Step zu untersuchen, sondern auch bei der EWP und bei weiteren Stadtwerke-Töchtern. Dazu wurden auch das Gutachten der besagten Kanzlei Raue und der Kanzlei Ignor & Partner zur strafrechtlichen Würdigung der Vorgänge beauftragt. Die Staatsanwaltschaft prüft unterdessen Vorermittlungen wegen Untreue.

Die Aufklärung ins Rollen gebracht hatten der inzwischen ebenso suspendierte Step-Technikchef Enrico Munder und der Step-Geschäftsführer Burkhardt Greiff, der vom privaten Minderheitseigner Remondis für Neumann gekommen war und auf Unregelmäßigkeiten stieß. Unter anderem hatte die frühere Step-Prokuristin Petra V. laut einem Gutachten zwischen 2004 bis 2014 insgesamt 476 091 Euro Mehrvergütungen erhalten – ohne dass die zuständigen Gremien darüber informiert waren und dies gebilligt hätten. Im Geschäftsjahr 2014 erhielt sie Gesamtzuwendungen von 159 974,48 Euro, zudem erhielt sie 169 000 Euro Abfindung, bis Ende des Jahres ist sie bei vollen Bezügen freigestellt. Wirtschaftsprüfer beanstandeten zudem nicht nachvollziehbare Kostensteigerungen und fehlende Vertragsgrundlagen bei zurückliegenden Bauprojekte der Step unter Führung von Ex-Chef Neumann und Prokuristin V. – die unüblicher Weise ab 2007 nur in Gemeinschaft mit den beiden Step-Geschäftsführern vertretungsberechtigt war.

Die Stadtwerke konnten auch am Freitag einen Fragenkomplex der PNN zu den Vorgängen nicht beantworten – alles werde intern geprüft, hieß es.

In der jetzigen schwierigen Situation hatte zuletzt der EWP-Aufsichtsrat eine zweijährige Vertragsverlängerung von EWP- und Stadtwerke-Chef Wilfried Böhme empfohlen. Dazu teilte die Stadt mit: „Beschlüsse des Gesellschafters gibt es dazu bisher nicht.“ Ebenso soll der Step-Aufsichtsrat noch der fristgemäßen Kündigung von Step-Chef Munder zustimmen – obwohl dessen Aufklärungswillen in den Zwischenberichten gewürdigt wird. Es gibt jedenfalls viel zu besprechen.

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