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Untreueverdacht bei Stadtwerke-Töchtern in Potsdam: Haben die Stadtwerke Oberbürgermeister Jakobs getäuscht?

Der Potsdamer Rathausspitze lag nur ein entschärfter Prüfbericht zum Untreue-Skandal bei einem Geschäftsführer eines Tochterunternehmens vor. Oberbürgermeister Jakobs will dennoch und trotz klarer Hinweise der Anwälte keine Strafanzeige stellen. Experten sind irritiert.

Potsdam - Der neue Potsdamer Stadtwerke-Skandal um Untreuevorwürfe wird zum Krimi: Verantwortliche in der Konzernspitze der Stadtwerke haben jetzt offenbar versucht, die Aufsichtsräte der Stadtwerke-Töchter Energie und Wasser Potsdam (EWP) und Stadtentsorgung (Step) sowie Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) mit einem entschärften Prüfbericht zu täuschen – mit gravierenden Folgen.

Das Rathaus bekam einen entschärften Prüfbericht

So hat der EWP-Aufsichtsrat am 3. Juni nicht über eine mögliche fristlose Kündigung des EWP-Chefs Holger Neumann abgestimmt, obwohl die Juristen der Kanzlei Raue dies in ihrem von den Stadtwerken beauftragten Zwischenprüfbericht zu den Vorfällen bei Step und EWP ausdrücklich empfohlen haben. Doch der komplette Passus zu den möglichen Pflichtverletzungen von Neumann bei der EWP fehlte nach PNN-Recherchen in der entschärften Fassung des Prüfberichts, der als einziger im Rathaus vorgelegen haben soll. In Unkenntnis der Hinweise der Juristen beschloss der EWP-Aufsichtsrat somit nur, den regulär unkündbaren Geschäftsführervertrag des seit 4. Mai freigestellten Neumann nicht zu verlängern. Er erhält demnach bis Ende September 2017 volle Bezüge – sein Jahresgehalt liegt bei rund 200 000 Euro.

33 Seite umfasst der Originalbericht. Die entschärfte Fassung nur 27 Seiten

Auch die dringende Empfehlung, Neumann keine Entlastung für das Geschäftsjahr 2015 zu erteilen, soll in dem entschärften Exemplar des Prüfberichts nicht zu finden sein – der Aufsichtsrat erteilte die Entlastung. Die Mitglieder wurden von der Aufsichtsratsvorsitzenden Elona Müller-Preinesberger (parteilos) zudem gar nicht über den Prüfbericht informiert; dies hatte Oberbürgermeister Jakobs noch am Dienstag vehement verteidigt: Es gäbe keine Versäumnisse und keine Beanstandungen der Tätigkeit Neumanns als EWP-Chef. Der nicht entschärfte Bericht liegt im Rathaus nach PNN-Informationen aber erst seit Dienstag vor. Er hat 33 Seiten. Es handelt sich um das Original-Exemplar, das den PNN vorliegt. Die entschärfte Fassung umfasst nur 27 Seiten, zentrale Passagen mit den von den Anwälten festgestellte Verfehlungen und empfohlenen Konsequenzen fehlen darin. Beide Berichte, beauftragt von der Stadtwerke-Innenrevision und ausgeführt von der Berliner Kanzlei Raue, datieren vom 25. Mai 2016.

Jakobs will trotz klarer Ergebnisse der Anwälte keine Strafanzeige stellen

Unterdessen geraten Stadtwerke-Chef Wilfried Böhme und Oberbürgermeister Jakobs wegen ihrer Aufklärungsbemühungen im Stadtwerke-Skandal unter Druck. Beide hielten am Mittwoch daran fest, dass sie keine Strafanzeige gegen den wegen mutmaßlicher Untreue und Ungereimtheiten bei Auftragsvergaben in Millionenhöhe unter Verdacht stehenden Neumann erstatten wollen. Als Begründung nannte ein Stadtsprecher, dass „nicht mit Sicherheit beurteilt werden kann, ob zum Nachteil des Unternehmens eine strafbare Handlung vorliegt“.

Transparency International findet Strafanzeige zwingend

Die Vorstandssprecherin von Transparency International (TI) Gisela Rüß, ehemals Antikorruptionsbeauftragte in Brandenburg, sagte dagegen, wenn bei Überprüfungen in öffentlichen Unternehmen eindeutige Pflichtverletzungen entdeckt werden, müsse die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden. Jakobs versicherte nur, die Stadtwerke-Konzernrevision werde eng mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten. Zudem prüfe die Stadt zivilrechtliche Schritte.

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