Streit um Flüchtlingsunterkünfte in Neu Fahrland: Ein hartes Stück Arbeit
Seit Tagen erregen die Pläne der Stadt Potsdam, in Neu Fahrland zwei Leichtbauhallen für Flüchtlinge zu errichten, die Gemüter. Auf einer Anwohnerversammlung ging es erst ruppig zu. Dann drehte sich die Stimmung.
Potsdam - Es waren unangenehme Fragen, mit denen sich die Stadtverwaltung auseinandersetzen musste. Wieso müsse es denn einen Sicherheitsdienst an der Flüchtlingsunterkunft geben, wenn die Menschen doch ungefährlich seien, fragte ein Besucher der Infoveranstaltung am Mittwochabend in Neu Fahrland sichtlich erregt. Es sei doch bekannt, dass Gewalt im Umfeld von Flüchtlingsheimen vorkomme. „Die Leute haben einfach Angst vor dem, was da auf uns zukommt“, sagte ein älterer Herr. Er brüllte fast – und erntete prompt Widerstand von den anderen Zuhörern. „Nein, darum geht es doch gar nicht“, hallte es über den Platz vor dem Bürgerhaus. Das war der Augenblick, an dem die Stimmung ins Positive kippte.
Die Pläne der Stadt, in dem kleinen Wohngebiet am Rand von Potsdam Flüchtlinge unterzubringen, erregen seit Tagen die Gemüter. Ortsvorsteherin Carmen Klockow legte eine Beschwerde bei der Kommunalaufsicht ein, da sie angeblich nicht informiert wurde, Anwohner stellten beim Verwaltungsgericht einen Eilantrag, um die sogenannten Leichtbauhallen für bis zu 96 Menschen zu verhindern. Und andere schrieben einen offenen Brief, indem sie sich gegen die Notunterkunft aussprachen.
Großes Interesse - zu kleines Bürgerhaus
Das Interesse an der Infoveranstaltung am Mittwochabend war riesig und überraschte wohl auch die Organisatoren. Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger (parteilos) musste einräumen, dass das Bürgerhaus viel zu klein sei. Mehr als 300 Menschen waren gekommen, um sich zu informieren und Fragen zu stellen. Zahlreiche Besucher warteten draußen vergeblich auf Einlass. Nach einigem Hin und Her entschieden die Organisatoren dann, die Diskussion ins Freie zu verlegen und eine zweite Infoveranstaltung am kommenden Dienstag durchzuführen. Der genaue Termin und Ort stehen noch nicht fest.
Klockow unterstellte, dass die Notlage der Stadt nicht so groß sein könne, dass es nicht möglich sei, die Gemeinde zu informieren. Dem widersprach Müller-Preinesberger. Potsdam bewege sich derzeit im Bereich der Sicherheit und Ordnung. „Ich habe auch das Recht, Beschlagnahmungen zu machen“, betonte sie. Falls die Stadt keine Unterkünfte für die Flüchtlinge finde, müssten die Menschen obdachlos in der Innenstadt kampieren.
Sorge um die Kinder
Vor allem junge Eltern äußerten ihre Sorgen und forderten den Bau eines höheren Zauns um die Kita und den Spielplatz. Die Unterkunft soll direkt daneben entstehen. In dem offenen Brief heißt es neben einem allgemeinen Bekenntnis zur Hilfe für Schutzsuchende, dass dies aber nicht „auf Kosten der Sicherheit von Kindern geschehen“ dürfe. Den Flüchtlingen wird eine Neigung zu Übergriffen gegen Kinder unterstellt. Eine Mitinitiatorin des Briefs wies aber jedes rechte Gedankengut zurück. Sie wolle den Menschen ja gerne helfen und sei auch bei der Nachbarschaftshilfe für die Flüchtlinge in der Waldsiedlung in Groß Glienicke aktiv. Sie habe nur Sorgen um ihre Kinder.
Müller-Preinesberger, Sozialamtschef Frank Thomann und Bernd Richter, der Werkleiter des Kommunalen Immobilien Service (KIS), versuchten geduldig, die Ängste und Vorurteile zu zerstreuen. Der Wachschutz und die Sozialarbeiter seien rund um die Uhr auch für die Anwohner da, falls es Beschwerden gebe. Nein, es kämen nicht nur Männer nach Neu Fahrland, sagte Müller-Preinesberger. Es würden auch Frauen und Familien dort einquartiert. „Allerdings ist das nicht die schönste Unterkunft“, räumte sie ein. Die Menschen kämen ausschließlich aus Kriegsgebieten wie Syrien, Afghanistan oder dem Irak.
"Warum sollen die Flüchtlinge denn ihre Kinder gefährden?"
Schließlich meldete sich eine ältere Dame zu Wort. Sie sei im Seniorenclub von Neu Fahrland aktiv und selbst einmal Kriegsflüchtling gewesen. Sie könne verstehen, dass junge Eltern Angst um ihre Kinder hätten. „Das haben sie aber immer. Aber warum sollen die Flüchtlinge denn ihre Kinder gefährden?“, fragte sie. Diese Menschen kämen aus großer Not, man müsse ihnen helfen. „Das sind doch nicht die letzten Penner“, betonte sie.
Daraufhin meldeten sich viele und boten ihre Hilfe an. Laut Ortsvorsteherin Klockow soll es ein erstes Vernetzungstreffen am Mittwoch geben, um etwa Deutschkurse oder Kinderbetreuung zu organisieren. KIS-Werkleiter Bernd Richter stellte in Aussicht, dass der Sportplatz eine bessere Ausstattung erhalten und eine Fahrradwerkstatt für Flüchtlinge und Anwohner entstehen soll. Die Bedenkenträger waren da längst still geworden.
Stefan Engelbrecht
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