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Genossenschaften wollen am Alten Markt bauen: Ein Bündnis für Potsdams Mitte

Vier Potsdamer Genossenschaften wollen gemeinsam in der Mitte bauen. Stadt und Stadtpolitik begrüßen die Bewerbung um ein Wohnkarree am Alten Markt.

Innenstadt - Die Chancen auf eine Beteiligung der Potsdamer Wohnungsgenossenschaften an der Wiedergewinnung der historischen Mitte steigen. Stadtpolitik und Rathaus reagierten am Mittwoch mit Wohlwollen, teils sogar mit Begeisterung, auf die Ankündigung der vier Genossenschaften „Karl Marx“, PWG 1956, pbg und Bauverein Babelsberg, sich gemeinschaftlich um eines der beiden anstelle der Fachhochschule am Alten Markt geplanten Karrees bewerben zu wollen.

In der vergangenen Woche hatten die vier Genossenschaften wie berichtet ihre Absicht verkündet, nach dem Abriss der FH, der für Ende 2017 geplant ist, gemeinsam ein Wohn- und Geschäftskarree in der Mitte bauen zu wollen. Konkret im Auge haben sie den sogenannten Block III, der vom Alten Markt, der Friedrich-Ebert-Straße, der verlängerten Schwertfegerstraße und der Nikolaikirche begrenzt wird. Insgesamt könnten dort knapp 200 Wohnungen mit einer Durchschnittsgröße von 75 Quadratmetern entstehen, sagte PWG-Vorstand Matthias Pludra gestern vor Journalisten. Hinzu kämen diverse Geschäftsräume in den Erdgeschossen. Nach einer ersten Kalkulation gehen die Genossenschaften von Baukosten in Höhe von 50 bis 60 Millionen Euro aus, den Grunderwerb und die beiden vorgesehenen Tiefgaragen nicht mitgerechnet.

Um die Wohnungsmieten niedrig zu halten, wollen sich die Genossenschaften beim Land um Fördermittel für den Sozialwohnungsbau bewerben. Man rechne sich dabei gute Chancen aus, sagte „Karl Marx“-Vorstand Bodo Jablonowksi. Bis zum Herbst, wenn der städtische Sanierungsträger das Interessenbekundungsverfahren für die Mitte-Grundstücke startet, wolle man versuchen, auch die anderen fünf Potsdamer Wohnungsgenossenschaften für eine Beteiligung an dem Projekt zu gewinnen, kündigte Jablonowski an. Erst wenn feststehe, wer alles mitmache, könne man auch über eine Aufteilung des Karrees reden. Klar sei aber, dass es auch nach der jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gehe.

Stadt macht Hoffnungen

Allerdings steht dem Genossenschaftsprojekt bislang ein Stadtverordnetenbeschluss im Weg, der eine kleinteilige Vergabe der Grundstücke vorsieht. Insgesamt 17 Parzellen sollen einzeln ausgeschrieben werden. Dass ein Bieter mehrere nebeneinanderliegende Grundstücke bekommt, ist ausgeschlossen. PWG-Vorstand Wolfram Gay appellierte gestern an die Stadtverordneten, den Beschluss wieder aufzuheben. Wenn man es mit dem Anliegen ernst meine, in der Innenstadt langfristig preisgünstigen Wohnraum anbieten zu wollen, müssten auch die Genossenschaften dort zum Zuge kommen, erklärte Gay. Diese bauten nachhaltig und seien nicht profitorientiert. Bei Privatinvestoren ende eine Mietpreis- oder Belegungsbindung nach 20 Jahren. „Wir stehen aber für 40, 60 oder sogar 100 Jahre.“ Gay verwies auf die zahlreichen Appelle aus dem Rathaus an die Genossenschaften, sich am Aufbau der Mitte zu beteiligen. Zuletzt hatte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) diese expliziert zu einer Beteiligung ermuntert.

Die Stadt machte den Genossenschaften gestern durchaus Hoffnung. Man begrüße das Engagement und die Bereitschaft der Genossenschaften, in den Qualitäts-Wettbewerb der Konzepte einzusteigen, außerordentlich, sagte Stadtplanungschef Andreas Goetzmann. Es dokumentiere einmal mehr, dass die Potsdamer Mitte mit der Umsetzung des Leitbautenkonzeptes „auf dem Wege ist, lebendige und urbane Mitte für alle zu werden“. Eine Quartiersentwicklung wie von den Genossenschaften angeregt, könne dazu einen wertvollen Beitrag leisten. Goetzmann verwies darauf, dass die Bebauungs- und Nutzungskonzepte „deutlich mehr“ zählten als die Kaufpreise.

Der Vorschlag der Genossenschaften sei ein „interessanter Ansatz“

Auch die Stadtpolitik reagierte positiv auf den Vorstoß. Wenn die Genossenschaften die zentralen Vorgaben des Leitbautenkonzeptes erfüllten und deren Konzept dem gestalterischen Anspruch gerecht werde, könne er sich eine Vergabe eines Karrees an die Genossenschaften durchaus vorstellen, sagte Grünen-Fraktionschef Peter Schüler den PNN. CDU-Fraktionschef Matthias Finken erklärte, mit dem Beschluss sei vor allem die Absicht verbunden gewesen, eine Vergabe der Grundstücke an Großinvestoren zu verhindern. Er sprach sich für Gespräche mit den Genossenschaften aus, um eine Lösung zu finden, die beiden Seiten gerecht wird. Geradezu begeistert war Bürgerbündnis-Fraktionschef Wolfhard Kirsch, der als Unternehmer in Potsdam selbst Wohnungen baut und saniert. Der Vorstoß der Genossenschaften sei genial, so Kirsch. Wenn diese den „marktüblichen Preis“ für das Karree zahlten, gebe es an dieser Stelle keine bessere Lösung. „Schließlich wollen wir dort ja Sozialwohnungen haben.“ Um dies zu ermöglichen, müsse man eben den fraglichen Parlamentsbeschluss aufheben.

Zurückhaltender äußerte sich Linken-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg. Der Vorschlag der Genossenschaften sei ein „interessanter Ansatz“, sagte er den PNN. Allerdings könne er sich nicht vorstellen, dass die Stadt die Grundstücke hauptsächlich für den sozialen Wohnungsbau vergebe. Schließlich sei es ursprünglich darum gegangen, die Filetgrundstücke möglichst meistbietend zu verkaufen, so Scharfenberg. Er vermute in dem Vorstoß der Genossenschaften eher ein Ablenkungsmanöver in Bezug auf das Bürgerbegehren. Wie berichtet hatte die Bürgerinitiative „Potsdamer Mitte neu denken“ im Rahmen des Bürgerbegehrens binnen weniger Wochen mehr als 14 000 Unterschriften gesammelt. Ihr Ziel ist es, unter anderem den Abriss der Fachhochschule zu verhindern und den weiteren Verkauf von Mitte-Grundstücken zu stoppen.

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