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Die Ausstellung widmet sich Tätern ebenso wie Opfern.
© Andreas Klaer

Stasi-Ausstellung in Potsdam: Die Wanze im Sattel

Die Ausstellung "Feind ist, wer anders denkt" thematisiert perfide Stasi-Überwachungsmethoden und Schicksale politisch Verfolgter in der DDR. Bis zum 17. Januar ist sie in der Gedenkstätte Lindenstraße zu sehen. 

Der Vorgang hatte einen ganz schlichten Namen. Man nannte ihn „Ahorn“. Doch das, was so unverfänglich klang, war von der Stasi als List angelegt, um in den Feldern und Wäldern der DDR heimlich an Informationen zu gelangen. Seit Juni 1986 hatten DDR-Geheimdienstler an einem Reitsattel gearbeitet, in den Abhörtechnik integriert war. Westliche Diplomaten sollten auf diese Weise ausspioniert werden. Sobald ein Ausritt begann, löste ein Mechanismus eine einstündige Tonaufnahme aus. Ende 1987 hatte der Sattel laut Stasi-Dokumenten Einsatzreife erlangt. Zuvor war die Technik auf dem Reiterhof des Informellen Mitarbeiters (IM) „Albert“ im Kreis Oranienburg erprobt worden.

Die Ausstellung gibt es seit 2008

Die Episode, die die Methoden des DDR-Bespitzelungssystems beispielhaft illustriert, ist Bestandteil der neuen Ausstellung „Feind ist, wer anders denkt“, die am Tag der Deutschen Einheit in der Gedenkstätte Lindenstraße 54 eröffnet wurde und die bis zum 17. Januar 2021 dort zu sehen ist. Die Schau zeigt, welch perfide Methoden die Stasi anwandte und beleuchtet Schicksale einzelner Menschen, die unter dem DDR-Geheimdienst gelitten haben.
Allerdings ist es keine frisch entwickelte Ausstellung. Bereits seit 2008 gibt es die Schau, sie wurde damals zum ersten Mal in Hamburg gezeigt. Seitdem sind die von Kuratorin Gabriele Camphausen für die Stasiunterlagenbehörde konzipierten Ausstellungselemente durch viele Städte gereist. In Potsdam war die Schau schon einmal Anfang 2009 zu sehen, damals im Stadthaus. 

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Roland Jahn kam zur Eröffnung

Einige Ergänzungen hat es seitdem allerdings gegeben. Vorwiegend im Westen sei man mit dieser Ausstellung unterwegs gewesen, sagte Roland Jahn, der Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen, am Samstag bei der Eröffnung. Jahn war zum Tag der Deutschen Einheit in die Gedenkstätte gekommen, jenen historischen Ort, an dem einst die Nazis mit ihrem „Erbgesundheitsgericht“ Unrecht sprachen, an dem, eine Diktatur später, ein sowjetisches Militärgericht rechtsstaatswidrig wütete und in den bald darauf die Stasi einzog, um dort ein Untersuchungsgefängnis zu betreiben.

Nicht alle Besucher durften hinein

Zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung hatte die Gedenkstätte bei freiem Eintritt zu einem Tag der offenen Tür eingeladen. Die Einrichtung zählte dabei rund 280 Besucher. Wie Evelyn Schönsee, Mitarbeiterin der Gedenkstätte, sagte, hatten am Samstag noch weitaus mehr Menschen diesen Ort besuchen wollen. Doch wegen der Corona-Regeln habe man die Besucherzahl stark beschränken müssen. „Wir konnten leider nicht alle Leute reinlassen“, so Schönsee.

Interview im Hof der Gedenkstätte

Im Hof der Gedenkstätte ließ sich Roland Jahn am Nachmittag von der Potsdamer Historikerin Irmgard Zündorf befragen. Vor Ort waren dabei wegen der Pandemie keine Zuschauer zugelassen. Die Veranstaltung sollte im Livestream übertragen werden. Allerdings funktionierte – jedenfalls zunächst – der von der Gedenkstätte veröffentlichte Link nicht. Im Verlauf des Tages war der Mitschnitt dann aber doch im Internet zu finden und kann dort nach wie vor bei Youtube angeschaut werden.

DDR-Shop als Kontrast gegenüber

Jahn sagte, mit der jetzt eröffneten Ausstellung wolle man „nochmal deutlich machen, dass DDR nicht nur irgendwelche schönen Sachen war, die man hier im DDR-Erinnerungsshop kaufen kann“. Er verwies dabei auf den DDR-Laden, der kürzlich direkt gegenüber der Gedenkstätte in der Lindenstraße eröffnet hat. Gegen das neue Geschäft selbst hatte Jahn hingegen nichts einzuwenden: „Ich finde das gerade gut, dass das hier so ein Kontrast ist“, sagte der Bundesbeauftragte. 

Kritik von Dieter Dombrowski

Demgegenüber hatte der Vorsitzende der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft, Dieter Dombrowski (CDU), es kürzlich scharf kritisiert, „dass ohne öffentlichen Aufschrei“ jener Laden „mit dem Symbol der Jungen Pioniere eröffnet hat, um Dosen mit ,NVA-Erbsensuppe’ zu verkaufen, die es in der DDR nicht einmal gegeben hat“. Über dem Schaufenster des neuen Geschäfts prangt tatsächlich ein Symbol, dass dem der Jungen Pioniere sehr ähnelt.

Stasi versuchte Zwölfjährige anzuwerben

Jahn erinnerte in dem Hofgespräch an die ausgeklügelten Methoden der Stasi. Selbst zwölfjährige Schüler seien damals angesprochen worden, dies mit dem Ziel, sie später als Informanten zu gewinnen. Doch bei aller Aufarbeitung der Geschichte gehe es jetzt „nicht nur um die Vergangenheit“, sondern auch darum, „unsere Sinne zu schärfen für Gegenwart und Zukunft“.

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