Neuer DDR-Laden in Potsdam: Kalter Hund und Dederon
Der DDR-Laden mit Nostalgie-Café in der Lindenstraße weckt bei vielen Potsdamern 30 Jahre nach der Wiedervereinigung positive Erinnerungen an früher.
Potsdam - Es ist fast ein bisschen wie bei „Goodbye Lenin“: Im DDR-Laden & Nostalgie-Café stehen eckige, harte Polsterstühle mit quadratischen Stahlrohrbeinen an braunen 70er Jahre-Pressspantischen zu Ausziehen, geschmückt von altmodischen Kristall-Blumenvasen. Olaf Hölzell bringt die heiße Soljanka an den Tisch, stilecht auf einem Original-Mitropa-Teller. „Bekomme ich auch noch den Alu-Löffel dazu?“, fragt die Café-Besucherin und ist ein bisschen enttäuscht, als der 57-Jährige ihr gesteht, nicht über das typische DDR-Besteck zu verfügen. „Aber wir lernen ja noch“, verspricht er.
Auch Haushaltsgegenstände und Kinderbücher
Anfang September wurde der DDR-Laden mit Café in der Potsdamer Lindenstraße eröffnet und erfreut sich schon jetzt großer Beliebtheit: „Viele sagen uns: ‚Das hat in Potsdam gefehlt‘, oder: ‚Das wird mein Stammcafé‘“, sagt Bärbel Lay. Sie führt den Laden, in dem es viele alte Ostprodukte, -Haushaltsgegenstände oder Kinderbücher - zu kaufen gibt, Hölzell das Café. Die Reaktion der Kunden, die zum ersten Mal den Laden betreten, sei fast immer gleich, sagt Lay: Sie kommen herein, schauen in die Regale und beginnen in Erinnerungen zu schwelgen: „Ah, das hatte ich früher auch!“
Zum Beispiel die Plastik-Eierbecher in Form eines Huhns, der Dederonbeutel, in den zwanzig Mollen Bier passten, die Tubenausquetschhilfen oder die Säckchen für Seifenreste, damit nichts verschwendet wurde. „Viele fragen: ‚Duftet das Badusan immer noch so, wie früher?‘“, sagt Lay und zeigt auf die grünen Plastikflaschen. Auch die DDR-Kinderbücher, Emaille-Becher und das Regal mit den Olsenbande-DVDs und russischen Märchenfilmen kämen gut an.
Die gelernte Bankkauffrau und Unternehmensberaterin kommt ursprünglich aus Schwäbisch-Hall, seit sechs Jahren wohnt sie in Potsdam. Die Idee für den DDR-Laden kam der 49-Jährigen in Leipzig, wo es seit 2015 ein solches Geschäft gibt. Lay tat sich mit der Inhaberin zusammen und fasste den Entschluss, eine Art Filiale in Potsdam zu eröffnen – aber mit Café, wo man einige der Produkte gleich kosten und DDR-typische Gerichte bestellen kann.
Das Konzept scheint 30 Jahre nach der Wiedervereinigung einen Nerv getroffen zu haben: „Kalter Hund ist ein Renner“, sagt Hölzell, aber auch Tote Oma, Toast Hawaii und Fassbrause sind beliebt. „Viele wünschen sich auch Ragout fin auf der Speisekarte, also Würzfleisch.“ Perspektivisch wolle man noch mehr ostdeutsche Spezialitäten in den Laden holen, vom Halberstädter Würstchen bis zum Dresdner Butterstollen.
Erinnerungen wecken
Zu 99 Prozent reagierten die Kunden positiv auf den DDR-Laden und das Nostalgie-Café, sagt Lay. „Wir wollen Erinnerungen wecken und Freude schaffen.“ Nur ganz selten gebe es Kritik: „Es gibt natürlich ein paar Leute, die sagen, wir würden hier die DDR wiederaufleben lassen“, sagt Lay. Auch dass sich das Geschäft genau gegenüber der Gedenkstätte Lindenstraße befindet, sorge bei einigen für Irritationen: Hier befand sich früher das Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit, in dem ausschließlich politische Gefangene inhaftiert waren.
Der Standort sei keine Absicht gewesen, sagt Lay. Miete und Räumlichkeiten hätten einfach gepasst, früher befand sich hier der ehemalige Sportshop der DDR-Lauflegende Ulrike Bruns. Man sei keineswegs blind für die DDR-Vergangenheit, sagt der gebürtige Leipziger Hölzell, er sei selbst schon einmal mit der Stasi in Konflikt geraten und habe deshalb eine Nacht in Gewahrsam verbracht. „Die DDR hatte nun mal gute und schlechte Seiten“, sagt er. In der Gedenkstätte gehe es um die schlechten, hier um die guten.
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Der Großteil der Kunden störe sich daran nicht, auch nicht an dem Logo des Ladens, das dem Emblem der Jungen Pioniere, der Jugendorganisation der DDR nachempfunden ist und auch auf den Shirts der Mitarbeiter prangt. „Viele fragen, ob sie so ein Shirt kaufen können“, sagt Hölzell. Manche Kunden fragten auch, ob der Laden alte Haushaltsgeräte wie den Multiboy oder Ersatzteile dafür besorgen könnte. Solche und andere Utensilien sind manchmal nicht leicht zu finden. Lay hat das Mitropa-Geschirr von einer Geschäftspartnerin bekommen, die Stühle sind aus den Lager einer Schule, manchmal bringen auch Kunden alte Kaffee-Kannen oder Bücher vorbei. Vieles finde man auf Ebay Kleinanzeigen, so Hölzell.
„Anfangs hatten wir noch die Idee, dass man alles im Laden kaufen kann, inklusive des Mobiliars“, sagt Lay. Davon ist man schnell abgerückt, denn viele der lang geschmähten DDR-Möbel sind mittlerweile wieder gesuchte Stücke. „Wir sind da Teil eines gewissen Retro-Trends“, sagt Hölzell. Und wie ein Besucher des Cafés einmal bemerkte: „Die Stühle, die ihr hier habt, verkaufen sie in Berlin für über 100 Euro“, sagt Hölzell.
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