Buchpreis für Antje Rávik Strubel: Die Magie der „Blauen Frau“
Buchpreisträgerin Antje Rávik Strubel ist Potsdamerin. Was heißt das für ihr Schreiben – und den Handel?
Potsdam - „Ich bin wohl allergisch gegen Beengung und Begrenzung“, sagte Antje Rávik Strubel am Tag der Buchpreis-Verleihung in dieser Zeitung. Das überrascht kaum: Als Autorin schrieb sie sich ein „Rávic“ in den Namen, als ihr das nicht mehr gefiel, wurde „Rávik“ daraus. Obwohl Brandenburgerin, wollte sie nie als Ost-Expertin herhalten müssen, auch wenn sie sich der DDR schreibend immer wieder genähert hat. Auch in dem Roman „Blaue Frau“.
Verbeugung vor dem Gendersternchen
Als Antje Rávik Strubel am Montag den Deutschen Buchpreis für „Blaue Frau“ erhielt, nutzte sie die Dankesrede für eine Verbeugung vor dem Gendersternchen: Eine „Auszeichnung“ sei auch das, sagte sie da. Sie ist die erste Potsdamer:in, die den Buchpreis erhält. In Potsdam wurde sie 1974 geboren, hier studierte sie, für das Brandenburgische Literaturbüro kuratierte sie hier die Lyrikreihe „wassergescheitelt“. Und für die „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ schrieb sie während des Studiums Kritiken, war später auch Kolumnistin und schrieb unter „Dichter dran“ über Sanssouci, die Sehnsucht nach Sonnencreme im Winter und, im Wahljahr 2009, als in Potsdam lauter Frauen kandidierten: „Ich bin stolz auf mein Land.“
Ein Teil des Buches spielt in Brandenburg
In Potsdam lebt Antje Rávik Strubel auch heute wieder. Dennoch: Nichts wäre falscher, als sie auf das Label „Potsdamer Autorin“ einzuengen. Sie lebte in Berlin, New York, war über längere Zeit in Kalifornien unterwegs, hatte eine Zeit lang ein eigenes Haus in Schweden. Der Roman „Blaue Frau“, an dem sie acht Jahre lang schrieb, entstand teilweise bei einem Aufenthalt in Helsinki. Und so wie die finnische Hauptstadt Einzug in „Blaue Frau“ gefunden hat, hat sich die Weite der USA in ihren letzten Roman „In den Wäldern des menschlichen Herzens“ (2016) eingeschrieben, die Stadt New York in ihrem Erstling „Offene Blende“ (2001). Potsdam aber? Nirgends.
Oder fast. Denn ja, der Uni-Campus in Golm taucht in „Blaue Frau“ kurz auf. Und natürlich hat sich Antje Rávik Strubel auch mit dem Märkischen befasst, eingehend. Hat 2012 eine „Gebrauchsanweisung für Brandenburg“ geschrieben, die humorvoll, knarzig, dem Gegenstand höchst angemessen also, den märkischen Charakter in Form eines Reiseführers auf den Punkt bringt. Und auch ein Teil von „Blaue Frau“ spielt im Brandenburgischen. Es ist der finsterste Teil. Hier erlebt die Protagonistin Adina das Trauma, vor dem sie, eine junge Tschechin, bis nach Finnland fliehen wird. Verursacht wird das von einem westdeutschen „Kulturvermittler“. „Blaue Frau“ ist auch eine Ost-West-Geschichte.
Große Nachfrage in Potsdamer Buchhandlungen
Womit dann doch wieder ein Bogen zu der Stadt geschlagen wäre, in der Antje Rávik Strubel lebt. Und diese Stadt nimmt die Buchpreisträgerin deutlich als eine der ihren wahr. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erklärt Strubel kurzerhand zur „Botschafterin unseres Landes“ und verkündet: „Brandenburg kann stolz darauf sein“. Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) twittert märkisch knapp „Tolle Nachricht“, und Potsdams Kulturbeigeordnete Noosha Aubel (parteilos) empfiehlt auf dem gleichen Kanal das einzig Richtige: „Lesen.“ Potsdamer Buchläden vermelden am Tag nach der Preisverleihung eine außergewöhnlich große Nachfrage nach „Blaue Frau“.
Carsten Wist, selbsternanntes Orakel aus der Brandenburger Straße, hatte vorhergesagt, dass der Roman den Preis erhalten würde. Als er gestern Mittag bereits zehn verkaufte Exemplare verkündet, ist sein Kontingent so gut wie erschöpft. Gleiches ist vom zentral gelegenen Internationalen Buch und der Buchhandlung Viktoriagarten in Potsdam-West zu hören: Nach zehn respektive fünf verkauften Exemplaren muss jetzt auf Nachschub gewartet werden. In der Babelsberger Buchhandlung Script soll es noch Bücher geben. Aber Obacht, das war gestern.
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