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Seit Dezember 2004 ist Michael Rohde Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG).
© Ottmar Winter

Hitze und Trockenheit: Die Lage in den Parks ist schlimmer als je zuvor

Die Trockenheit schädigt die Parks in Potsdam so enorm, dass man zukünftig wohl genetisch angepasste Bäume pflanzen muss, erklärt der Gartendirektor der Schlösserstiftung.

Herr Rohde, die anhaltende Trockenheit in diesem Jahr wird immer mehr zur Gefahr für die Besucher der Welterbeparks. Erst am Freitag warnte die Schlösserstiftung erneut davor, dass große Äste von den Bäumen brechen können. Besteht die Gefahr, dass die Parks aus Sicherheitsgründen dauerhaft geschlossen werden müssen?
Absperrungen sind kurzfristig nur bei Wetterextremen notwendig. Durch regelmäßige Baumkontrollen und prioritäre Maßnahmen der Verkehrssicherung reagieren wir täglich. Wichtig ist jedoch die umgehende Information der Öffentlichkeit.

Die Hitze des vergangenen Sommers hat den Gärten bereits sehr zugesetzt, in diesem Jahr setzt sich das Wetter nahtlos fort. Wie schlimm ist aktuell die Lage in den Welterbegärten?
Es ist schon ziemlich schlimm, weil die Liste der Probleme immer länger wird. Abgestorbene Bäume und Totholz müssen entfernt, erodierte Wege gesperrt werden. Blumen, Kübelpflanzen und Jungbäume müssen täglich gewässert werden. Das müssen die Gärtner alles neben den notwendigen Routinearbeiten stemmen.

Wie groß sind die Schäden, die die Trockenheit bis jetzt verursacht hat?
Noch etwas größer als nach dem Sturm „Xavier“ im Herbst 2017. Mehr als 1000 Bäume sind diesmal insgesamt geschädigt, die Hälfte davon so sehr, dass wir sie fällen müssen. Aber die Dürre macht der gesamten Vegetation zu schaffen. Pflanzungen, vor allem von Blumen, sind kaum noch möglich, weil der Boden ausgetrocknet ist.

Wo tut es Ihnen aus gartendenkmalpflegerischer Sicht am meisten weh?
In den letzten beiden Jahren haben wir einen Paradigmenwechsel erlebt. Es wird sichtbar, auch für die Besucher, dass die Gärten leiden und aus künstlerischer Sicht nicht mehr dem angestrebten Niveau eines Welterbeparks entsprechen. Wir haben ja auch ohne diese zusätzlichen Probleme nicht den Stand, den wir uns wünschen.

Sie sprechen von dem allgemeinen Pflegedefizit in den Parks, das sich auf jährlich 4,5 Millionen Euro beläuft.
Genau. Uns fehlen rund 30 Gärtnerstellen – die durch die Dürre und den Klimawandel verursachten Probleme sind da nicht eingerechnet. An dieser Stelle sei der Landeshauptstadt Potsdam ausdrücklich gedankt, die uns ja bei der Parkpflege erheblich unterstützt.

Wie schlägt sich der Personalmangel konkret nieder?
Wir kommen beispielsweise mit den Nachpflanzungen nicht mehr hinterher, die wir ohnehin machen müssen, weil viele Bäume aus der Zeit Lennés nach 200 Jahren ihr Lebensende erreicht haben. Zusätzlich werden die Bäume nun noch durch Hitze und Trockenheit geschwächt. All das in Kombination sorgt dafür, dass wir in einem rasenden Tempo insgesamt so viele Bäume verloren haben, dass das Gesamtbild in den Parks nicht mehr stimmt und zugleich wertvolle Naturbäume gefährdet sind.

Das volle Ausmaß der Schäden des letzten Sommers werde sich erst in diesem Frühjahr zeigen, hatten Sie Ende 2018 erklärt. Was haben Sie inzwischen herausgefunden, was Sie bislang noch nicht wussten?
Wir untersuchen die Auswirkungen des Klimawandels ja bereits seit zehn Jahren – mit Unterstützung renommierter Naturwissenschaftler. Zum Beispiel haben wir im Neuen Garten eine Versuchsfläche angelegt, die dreieinhalb Jahre lang beobachtet und ausgewertet wird. Bodenkundler und andere Forscher der TU Berlin untersuchen dort etwa, welche Düngerarten wir bei Nachpflanzungen beigeben müssen, um die besten Resultate zu erzielen.

Gibt es schon Erkenntnisse?
Gute Ergebnisse werden etwa mit Biokohle erzielt, ein Verfahren, das bereits die Maya in Mittelamerika angewendet haben. Die Verbesserung des sandigen märkischen Bodens und der Wasserversorgung – das sind die zentralen Themen, die uns beschäftigen.

Doch an Letzterer hapert es von Jahr zu Jahr mehr. Der Grundwasserspiegel geht immer weiter zurück.
Perspektivisch wird uns das auch betreffen, verbunden mit einem reduzierten Niederschlag im Sommer. Für uns bedeutet das, dass wir das Wasser gezielter einsetzen – etwa durch eine Entwässerung in die Parks statt in die Kanalisation – und dafür sorgen müssen, dass es im Boden länger hält.

Wie wollen Sie das machen?
Zum einen durch großflächige Beigaben in den Boden – etwa Humus – und durch den gezielten Einsatz von Mulch. Bei uns fällt ja viel Biomasse an in Form von Grünschnitt an in Form von Grünschnitt oder verblühten Sommerblumen im Spätherbst, die wir zu hochwertigem Kompost verarbeiten können. Der Mulch schützt dann die Oberfläche des Bodens vor dem Austrocknen. Das ist aber nur die eine Seite, die andere betrifft die Pflanzen selbst.

Wie meinen Sie das?
Wir müssen künftig vermehrt auf Pflanzen setzen, die hitze- und stressresistenter sind. Da scheidet zum Beispiel im Moment die Rosskastanie völlig aus, weil ihr nicht nur die Miniermotte, sondern auch viele andere Schädlinge zusetzen. Das ist übrigens kein neues Problem. Als in den 20er- und 30er-Jahren das große Ulmensterben begann, pflanzte man stattdessen Linden nach, die ein ähnliches Erscheinungsbild haben. Denn darum geht es in der Gartendenkmalpflege: gemäß den Denkmalkonzepten den optischen Zustand herzustellen und zu wahren, den die großen Gartenkünstler ihrer Zeit – wie etwa Lenné – einst geschaffen haben.

Wie gehen Sie dieses Problem konkret an?
Zum Beispiel werden wir bei Nachpflanzungen von heimischen Gehölzen die eigene Aussaat in den Blick nehmen, also die genetisch angepasste Naturverjüngung. Das hat den Vorteil, dass die Gehölze bereits in unsere Standortbedingungen integriert sind. Außerdem hoffen wir, über die Deutsche Bundesstiftung Umwelt und in Zusammenarbeit mit der TU Berlin ein digitales Frühwarnsystem in unseren Parks einrichten zu können, das uns Klima- und standortbedingte Probleme der Pflanzen sofort meldet.

Welche Baumarten reagieren denn besonders empfindlich auf die Dürre?
Ganz einfach ausgedrückt kann man sagen: Wenn die Bäume das Grundwasser nicht mehr erreichen, sterben sie ab. Betroffen sind also vor allem Arten, die flach wurzeln wie Birken, Rotbuchen und Fichten. Es gibt aber noch andere Indizien, etwa die Rindenrisse durch Sonneneinstrahlung. Im Park Sanssouci sind von den Schäden überwiegend Buchen und Eichen betroffen, dort haben wir durch die Dürre 2018 rund 300 Bäume verloren, an weiteren 250 gibt es Schäden an den Kronen. Im Park Babelsberg sind außerdem auch Ahorne und Linden betroffen. 160 Bäume sind dort verloren, an 500 sind Kronenschäden aufgetreten. Im Neuen Garten muss sogar an 1000 Bäumen Totholz beseitigt werden.

Trockener Boden am Ruinenberg im Park Sanssouci im letzten Hitzesommer 2018.
Trockener Boden am Ruinenberg im Park Sanssouci im letzten Hitzesommer 2018.
© Jana Haase

Wie teuer ist die Beseitigung der Schäden?
Allein die Baumschäden kosten uns 750.000 Euro. Dazu kommen weitere 650.000 Euro, die wir für die Reparatur von Erosionsschäden an Parkwegen aufwenden müssen.

Wie steht es denn um die Biotope? Allein im Neuen Garten sind nach Stiftungsangaben bereits 40 Prozent zerstört.
Die Schäden an den Biotopen im Neuen Garten sind leider nicht ein allein durch die Auswirkungen des Klimawandels verursachtes Problem, sondern wurden und werden hauptsächlich von Badenden und anderen Erholungssuchenden verursacht. Unsere alten Wiesenbestände sind zum Beispiel artenreiche Biotope. Wir haben diese schon aus Gründen des Naturschutzes zu bewahren.

Der neue Generaldirektor der Stiftung hat Maßnahmen zum Schutz der Parks angekündigt, will aber das Baden und Sonnenbaden nicht verbieten. Würden Sie es tun?
Zunächst glaube ich, dass sich bei den Bürgern langsam ein Sinneswandel vollzieht. Außerdem müssen wir auf die Schäden hinweisen, die durch das Baden und Liegen auf den Wiesen entstehen. Ich glaube, dass wir durch Kommunikation mit den Nutzern eine Verbesserung erreichen können – und müssen. Die Welterbeparks sind sensible Orte. Wir sollten versuchen, das Bewusstsein für den Wert der Anlagen zu wecken – gerade bei jungen Menschen, die sich ja erfreulicherweise zunehmend für den Klimaschutz engagieren. Dafür werden wir auch ganz konkret etwas tun.

Besucher im Park Sanssouci werden demnächst nicht unter Palmen spazieren, aber die Arten der Bäume könnten sich geändert haben.
Besucher im Park Sanssouci werden demnächst nicht unter Palmen spazieren, aber die Arten der Bäume könnten sich geändert haben.
© Ottmar Winter

Nämlich?
Im Herbst 2020 veranstalten wir in Zusammenarbeit mit dem Nachhaltigkeitsinstitut IASS in Potsdam einen Kongress mit dem Titel „Historische Gärten und Gesellschaft – Kultur, Natur, Verantwortung“. Dabei soll es um die Frage gehen, welche Bedeutung die Welterbeanlagen für unsere und künftige Generationen haben. Daran nehmen nicht nur Fachleute teil, sondern wir wollen auch die Politik, die Verwaltungen und Vereine einbinden – und nicht zuletzt die Nutzer, also die Bürger der Stadt Potsdam. Dort wollen wir in einen Dialog treten, für unsere Belange werben, aber auch zuhören, welche anderen Interessen es gibt.

Die Stadt Potsdam erwägt ja auf Vorschlag der Grünen, den Klimanotstand auszurufen. Was halten Sie davon?
Ich glaube, dass jegliche Maßnahme, jede Anstrengung hilft, die dazu beiträgt, dass wir Menschen mit den Ressourcen schonender umgehen, mehr Wert auf Nachhaltigkeit legen und insgesamt zu einem breiteren ökologischen Bewusstsein kommen. Insofern ist Potsdams Vorhaben nur zu unterstützen.

Welche Folgen drohen den Parks, wenn die Hitze weiter anhält?
Wie bereits gesagt, stehen wir vor einem Paradigmenwechsel, auf den wir reagieren müssen und werden. Wetterextreme häufen sich, wir werden spanische oder italienische Verhältnisse bekommen. Die Temperaturen werden weiter steigen.

Also werden die Besucher von Sanssouci eines Tages unter Palmen wandeln?
So weit würde ich, zumindest für den Zeithorizont unserer und der kommenden Generation, nicht gehen. Doch es mag sein, dass sich vielleicht in 80 Jahren für uns als Menschheit die Frage stellt, nicht ob, sondern wie sich unsere Gesellschaft für den Erhalt der historischen Gärten interessieren und einsetzen wird, denn diese gehören seit Jahrtausenden zu unserer Kulturgeschichte. Für jetzt aber kann ich sagen: Wenn es uns gelingt, die genannten Maßnahmen wie die Verbesserung der Böden und des Wassermanagements umzusetzen, werden wir in der Lage sein, die Gärten in ihrer Schönheit zu bewahren.

Aber diese Maßnahmen kosten Geld.
Das stimmt. Wir können unserem Auftrag, das Welterbe für die Menschheit zu erhalten, nur nachkommen, wenn uns dazu die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen. Wenn wir wie zuletzt am Klaus- und am Pfingstberg sowie im Park Babelsberg geschehen, Parkbereiche absperren, vermehrt Sturmschäden und Totholz beseitigen müssen, sind das zusätzliche Aufgaben, für die wir auch mehr Geld benötigen.

Wie viel zusätzliche Mittel und wie viel mehr Personal brauchen Sie denn?
Wir müssen den Stand erreichen, den andere Schlösserverwaltungen, etwa in Bayern oder Hannover-Herrenhausen, bereits haben. Wir reden hier immerhin von den bekanntesten Gärten Deutschlands. Unsere Zuwendungsgeber, also der Bund, Brandenburg und Berlin, haben dieses Problem im Fokus.

Die Schlösserstiftung hat, Sie sprachen es bereits an, mehrere wissenschaftliche Projekte zum Klimawandel durchgeführt. Wie ändert sich dadurch konkret die Arbeit der Gärtner?
Die Gärtner, Meister und Parkleiter verfügen über ein großes Erfahrungswissen, doch sie profitieren enorm, weil sie direkt eingebunden sind. Sie pflegen die Versuchsflächen, sie nehmen an begleitenden Workshops teil und lernen auf diese Weise hinzu. Sie wissen dann beispielsweise ganz genau, warum sie an bestimmten Stellen Rohkompost einbringen und welchen positiven Effekt das hat. Wir wenden also das beste Wissen an, das wir bekommen können und optimieren auf diese Weise unsere Aufgaben.

Sie haben in der Gartendenkmalpflege ja durchaus noch ehrgeizige Pläne, wenn man an die millionenteure Wiederherstellung der Terrassen des Orangerieschlosses denkt. Sind solche Projekte angesichts des Klimawandels überhaupt noch realistisch?
Absolut. Denn unsere Zuwendungsgeber wissen, dass wir neben Investions- auch Unterhaltsmittel brauchen. Es wäre irritierend, wenn unsere Gesellschaft es sich nicht mehr leisten würde, die Schönheit der Gärten in Gänze wiederherzustellen.

Zur Person
Michael Rohde, 59, wurde im ostfriesischen Leer geboren. Nach einer Ausbildung zum Gärtner studierte er Landschaftsarchitektur an der Leibniz-Universität Hannover. Zunächst als freischaffender Landschaftsarchitekt tätig, war Rohde von 1994 bis 2004 am Institut für Grünplanung und Gartenarchitektur der Leibniz-Uni als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Lehre und Forschung zur Gartendenkmalpflege tätig. 1998 wurde er zum Doktor der Gartenbauwissenschaften promoviert. Seit Dezember 2004 ist er Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG). Zudem ist er Honorarprofessor für Gartengeschichte und Gartendenkmalpflege an der TU Berlin.

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