Corona-Pandemie in Potsdam: Das plant Potsdam gegen die dritte Welle
Die Corona-Ampel wird schneller auf Rot springen. Maskenpflicht könnte es auch in Parks geben. Städtische Impfzentren und eine Test-App sollen kommen. Das neue Konzept im Überblick.
Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) will die Corona-Regeln für die Landeshauptstadt erneut verschärfen, um möglichst gut durch die beginnende dritte Welle der Pandemie zu kommen. Gleichzeitig will Schubert die Teststrategie ausbauen und die Kontakt- und Infektionsverfolgung als Brandenburger Modellkommune digitalisieren. Im Herbst und Winter habe Potsdam gelernt, dass es wichtig sei, „frühzeitig zu reagieren und dabei – wenn es nötig ist – auch eigene Wege zu gehen“. Es müssten jetzt „zügig Vorkehrungen getroffen werden“. Schubert hat seine Pläne am Montag im Krisenstab der Stadt vorgestellt, das Entwurfspapier liegt den PNN vor. Am morgigen Mittwoch soll der Stab dazu eine Entscheidung treffen. Ein Überblick:
POTSDAMS CORONA-AMPEL
Die Corona-Ampel, die Potsdam vor einigen Monaten eingerichtet hat, soll auch im verschärften Corona-Konzept erhalten bleiben. Allerdings soll sie schneller auf Gelb und Rot springen, wenn die Lage sich verschärft. Rot ist sie künftig bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 statt bislang 200. Für Gelb muss die Inzidenz zwischen 50 und 100 statt bisher zwischen 50 und 200 liegen; Grün gibt es wie bisher bei unter 50.
Für die Ampel sind weiterhin vier Indikatoren maßgeblich: die Corona-Lage in der Stadt mit Sieben-Tage-Inzidenzwert und relativem Inzidenzwert, der zeigt, wie schnell sich das Virus ausbreitet; die Zahl der verfügbaren Intensivbetten samt Personal und der Bettenkapazität aller Krankenhäuser im Versorgungscluster Corona Westbrandenburg (VCC) sowie die Corona-Lage in den benachbarten Landkreisen Potsdam-Mittelmark, Havelland und Teltow Fläming sowie den Städten Brandenburg (Havel) und Berlin.
Aus allen Indikatoren und der Einschätzung des Potsdamer Krisenstabs wird einmal wöchentlich, immer mittwochs, die Corona-Ampelfarbe gebildet.
Steht die Ampel auf Rot, muss gehandelt werden. Potsdam verschärft seine Corona-Regeln. Bei Gelb wird entweder verschärft – wenn die Ampel vorher grün war – oder gelockert, wenn sie vorher rot war. Bei Grün wird alles gelockert, was die Stadt selbst bestimmen kann.
Zudem will Potsdam, dass das Land jetzt Regionen bestimmt, für die gemeinsam Lockdown oder Lockerungen gelten. Potsdam soll zur Region „Havelland-Fläming“ gehören. Dort soll gelten, was Bund und Länder am 3. März beschlossen haben: Öffnungen bei einer Sieben-Tage-Inzidenz unter 50, Öffnungen nur mit Tests bei einer Inzidenz zwischen 50 und 100 und die Corona-Notbremse mit Lockdown wie vor dem 8. März bei drei aufeinanderfolgenden Tagen mit Inzidenz über 100. Diese Notbremse will Schubert auch, wenn nur in Potsdam und nicht in der ganzen Region der Corona-Wert drei Tage über 100 liegt.
IMPFEN
Potsdam will drei städtische Impfzentren in den drei Krankenhäusern der Stadt einrichten. Dazu liege vom Klinikum „Ernst von Bergmann“, den Christlichen Kliniken Oberlin und St. Josefs sowie der Heinrich-Heine-Klinik in Neu Fahrland eine Zusage vor. Außerdem will Oberbürgermeister Schubert Impfzentren in Potsdamer Stadtteilen einrichten. Dazu sei das Land um Erlaubnis angefragt. In den Stadtteil-Impfzentren sollen Hausärzte und niedergelassene Ärzte impfen können, die dies in ihrer Praxis nicht oder nur begrenzt können. Nach PNN-Informationen könnte ein solches Impfzentrum die Tropenhalle Biosphäre sein. Schubert fordert für das dreistufige Impfsystem – Land, Stadt, Hausärzte – mehr Impfstoff für Potsdam.
KITAS, TAGESPFLEGE UND HORT
Das ist der einzige Bereich, in dem nicht unbedingt bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 geschlossen werden muss – und in dem es nicht nach regionalen Werten, sondern nach der Potsdamer Inzidenz gehen soll. Bis zur einer Inzidenz von 200 bleiben die Potsdamer Kitas, Tagespflegestellen und Horte offen, wenn die Infektionsdynamik und die Lage in den Krankenhäusern vom Krisenstab als „noch beherrschbar“ eingeschätzt werden. Gilt das für einen dieser beiden Faktoren nicht, werden die Kitas auch bei Inzidenz 100 geschlossen. Bestehen bleibt dann der Notbetrieb. Für die einzelnen Einrichtungen gilt wie bisher das Stufenkonzept mit Teilschließungen oder Schließungen, wenn Infektionen auftreten. Sollten Mutationen nachgewiesen werden, wird die ganze Einrichtung geschlossen.
SCHULEN
Das Öffnen und Schließen der Schulen liegt in der Hoheit des Landes. Potsdam will jedoch bei der Teststrategie unterstützen. So sollen alle Potsdamer Schulen Schnelltests bekommen für den Fall, dass Schüler oder Lehrer vor Ort Covid-19 typische Symptome entwickeln und laut Infektionsschutzgesetz schnell getestet werden sollten.
SCHNELLTESTS
Potsdam hält die Teststrategie des Bundes, wonach jeder Bürger einen kostenlosen Corona-Schnelltest pro Woche erhält, für ungenügend. Deshalb will die Stadt übergangsweise einen zweiten „Bürger:innen-Test“ pro Woche finanzieren und empfiehlt dem Land, dies für alle Landkreise sicherzustellen.
Mit dem Angebot eines zweiten Tests pro Woche will die Stadt eine Brückenlösung schaffen, mit der eine Rückkehr in den Lockdown vermieden werden soll, bis genug Impfstoff da ist. Bekommen soll jeder Potsdamer den Bürger:innen-Test, wenn er in Apotheke oder Testzentrum nachweist, dass er in der aktuellen Woche schon einmal getestet wurde.
Potsdam will zudem, dass alle positiven Schnelltestergebnisse dem Land und dann dem Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet werden. Nur wenn der wegen des positiven Schnelltests vorgenommene PCR-Test verlässlich negativ ist, soll der Fall wieder aus der Statistik gelöscht werden. Kontaktpersonen von Schnelltest-Positiven müssen in Quarantäne. Für Unternehmen und Behörden erweitert die Stadt ihr Angebot, mobil zu testen.
MASKENPFLICHT
Wenn Potsdams Corona-Ampel Rot zeigt, wird die Maskenpflicht in der Stadt weiter verschärft. Dann soll auch in Parks und auf Plätzen, „die aufgrund ihrer Aufenthaltsmöglichkeit ein hohes Risiko für ein Unterschreiten der Mindestabstände haben“, eine Maskenpflicht geben. Dies solle als „milderes Mittel“ Vorzug vor einer Sperrung der Parks und Plätze haben, wie es sie in Potsdam in der ersten Welle im Frühjahr bereits gab. Schubert beruft sich bei seinen Plänen auf Erkenntnisse von Virologen, wonach sich das Coronavirus auch an der frischen Luft verbreitet, wenn Menschen sich über längere Zeit nahe kommen und miteinander sprechen.
CORONA-BÜRGERAPP
Potsdam drängt bei der Kenia-Landesregierung von SPD, CDU und Grünen darauf, eine „einheitliche, verpflichtende digitale BürgerApp einzuführen“, die für alle geöffneten Einrichtungen gelten soll – also für Pflegeheime, Restaurants, Kultur- und Sportveranstaltungen. Für diese Corona-BürgerApp will Potsdam Modellkommune werden und habe dies beim Land angefragt, jedoch bislang keine Antwort bekommen. Die Corona-BürgerApp soll nach Willen von Schubert nicht nur die Kontaktnachverfolgung enthalten, sondern auch den Nachweis eines aktuellen Corona-Tests des Nutzers. Mit der Test- und Kontaktapp könnte sich ein erneuter harter Lockdown verhindern lassen, so das Papier. Wenn die App nur zur Kontaktverfolgung eingesetzt werde, wäre das zwar „ein Fortschritt“, würde jedoch nicht verhindern, dass Infizierte geöffnete Einrichtungen oder Läden besuchen und so das Virus verbreiten.
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PFLEGEHEIME
Die Lage in den Pflegeheimen ist laut Rathaus „weiterhin dramatisch“. Es sei nicht klar, wann alle Bewohner der Heime durchgeimpft sein werden. Daher soll für die Pflegeheime weiter die Maßgabe Zero Covid gelten, Besucher dürfen nur mit FFP2-Maske und negativem Schnelltest rein.
MUSEEN UND BILDUNGSEINRICHTUNGEN
Auch hier legt das neue Konzept strenge Regeln an: Wenn Potsdams Corona-Ampel auf Gelb steht, sollen die städtischen Kultur- und Bildungseinrichtungen „weitgehend für den Publikumsverkehr geschlossen“ werden. Der Krisenstab entscheidet in Einzelfällen, ob Einrichtungen mit Terminen zugänglich bleiben können. Gleiches gilt für eine Schnelltestpflicht, allerdings nicht für Kinder unter 14 Jahren. Ist die Corona-Ampel Rot, müssen die städtischen Museen, Kultur- und Bildungseinrichtungen schließen.
KRANKENHÄUSER
Für die Krankenhäuser appelliert Potsdam an das Land, sofort die Allgemeinverfügung wieder in Kraft zu setzen, mit der alle Krankenhäuser im Land verpflichtet werden, Covid-Betten vorzuhalten. Dies müsse jetzt „mit Vorlauf geschehen“, um Engpässe bei der medizinischen Versorgung zu vermeiden.
DIE AKTUELLE LAGE
Die Infektionszahlen in Potsdam steigen vor allem wegen der geöffneten Schulen und Kitas. Schon jetzt seien rund zehn Kinder aus verschiedenen, über die Stadt verteilten Einrichtungen infiziert, hieß es am Montag aus dem Krisenstab.
Drei Fälle gibt es in der Kita „Spatzennest“ im Ortsteil Groß Glienicke, drei weitere in der 10. Klasse der Steuben-Gesamtschule im Kirchsteigfeld. Dort waren die Abschlussklassen schon seit Wochen im Unterricht vor Ort. Auch eine Infektion in der Dortu-Grundschule in der Innenstadt wurde bekannt, zwölf Schüler und Lehrer sind nun in Quarantäne. Mitarbeiter:innen seien – wegen des Tragens von FFP2-Masken – bisher aber noch nicht sehr betroffen, hieß es aus dem Stab.
Infektionen gibt es den Angaben nach auch in zwei Flüchtlingsunterkünften, wo Quarantäne für elf Personen sowie ein Besuchsverbot verhängt worden sei. Schon vergangene Woche hatte der Krisenstab gewarnt, vor allem die als infektiöser geltende Virusmutante B.1.1.7 verbreite sich stetig in Potsdam. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt Stand Montag bei 66,0 Infektionen pro 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen. Am Montagmorgen wurden neun Neuinfektionen gemeldet.