Debatte um Wohnsitz: Darf Sascha Krämer überhaupt zur Kommunalwahl antreten?
Der Linke-Spitzenkandidat Sascha Krämer lebt noch in Südafrika, will aber als Spitzenkandidat seiner Partei ins Stadtparlament. Doch ist das rechtlich möglich?
Potsdam - Eigentlich will der frühere Linken-Kreischef Sascha Krämer als Spitzenkandidat seiner Partei in der Potsdamer Mitte ins Stadtparlament einziehen. Doch jetzt gerät die Kandidatur in Gefahr – weil es Zweifel gibt, ob der 41-Jährige sich überhaupt aufstellen lassen darf.
Der Grund: Seit dem Frühsommer 2017 lebt Krämer übergangsweise mit seiner Frau in Südafrika, weil sie dort für die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung arbeitet – und zurück kommt das Paar erst wenige Wochen nach der Kommunalwahl. Die Frage, die jetzt auch ein PNN-Leser stellte, ist: Kann man, ohne aktuell in Potsdam zu leben, hier trotzdem als Spitzenkandidat kandidieren?
Krämer hat bereits eine Wählbarkeitsbescheinigung
Krämer sagt natürlich: Ja. Schließlich habe er vom Rathausbereich für die Wahlen bereits eine Wählbarkeitsbescheinigung ausgestellt bekommen, seine besondere Situation habe er vorher geschildert. Auf diese Einschätzung der Behörde verweist auch Krämers Nachfolger an Potsdams Linken-Spitze, Stefan Wollenberg.
Doch ein renommierter Potsdamer Jurist sieht das ganz anders: Thorsten Ingo Schmidt, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Kommunalrecht, an der Universität Potsdam. Auf PNN-Anfrage verwies der Professor auf das Brandenburgische Kommunalwahlgesetz. Demnach sind Personen wählbar, die „seit mindestens drei Monaten im Wahlgebiet ihren ständigen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben“, wie er sagte. Dieser ist bei Krämer aber in Südafrika, obgleich er nach eigenen Angaben seinen Hauptwohnsitz noch in Potsdam gemeldet hat. „Ich habe meine Frau für einen begrenzten Zeitraum ins Ausland begleitet. Ich habe entschieden, meinen Hauptwohnsitz in Potsdam zu behalten, da Deutschland weiterhin mein Lebensmittelpunkt geblieben ist“, sagt er.
Der ständige Wohnsitz am Ort der Hauptwohnung vermutet
Doch dieses Argument zählt laut Professor Schmidt nicht unbedingt. Denn laut Wahlgesetz werde „bei Inhabern von Hauptwohnungen und Nebenwohnungen der ständige Wohnsitz am Ort der Hauptwohnung vermutet“. Dies könne in dem Fall einfach widerlegt werden – auch öffentlich hatte Krämer schon angekündigt, seinen Wahlkampf von Südafrika aus zu führen, etwa über soziale Netzwerke. Doch Schmidt sagte, angesichts eines rund zweijährigen Aufenthalts im Ausland „spricht einiges dafür, dass der Ort der gemeldeten Hauptwohnung gerade nicht mehr der ständige Wohnsitz ist“. Dabei sei es auch unerheblich, ob Krämer nun in Südafrika gemeldet sei oder nicht, wie der Kandidat sagt. „Der Kandidat darf aber nicht von der unterlassenen Anmeldung profitieren“. Daher habe er erhebliche Zweifel, ob eine Wählbarkeit gegeben ist, sagte Schmidt.
Jurist: Gesetzgeber sollte nachsteuern
Nach dieser Einschätzung fragten die PNN auch einen weiteren Juristen an, den auf Kommunales spezialisierten Politikwissenschaftler Norbert Kersting von der Wilhelms-Universität im westfälischen Münster. Dieser legte sich nicht derart fest wie Schmidt, sagte aber: „Die Interpretation, was einen gewöhnlichen Wohnort definiert, ist unpräzise – hier sollte der Gesetzgeber nachsteuern.“ Die Debatte um aktives wie passives Wahlrecht von Bürgern im Ausland werde in vielen Ländern kontrovers geführt, „das ist oft ein Politikum“, sagte Kersting.
Letztlich muss nun der Kreiswahlausschuss entscheiden – der am 26. März zusammentritt und alle Kandidaturen noch einmal untersucht. In dem Gremium sitzen Kreiswahlleiter Michael Schrewe, sein Stellvertreter Stefan Tolksdorf und fünf Beisitzer, die von den Parteien und politischen Vereinigungen in der Stadt vorgeschlagen und von Schrewe berufen werden.
Würde Krämer nicht zur Wahl zugelassen, könnte das seine Partei durchaus schwächen, obgleich er beim Wahlkampf nicht anwesend wäre. Bei den Kommunalwahlen 2014 hatte Krämer 3461 Stimmen im Schlaatz-Waldstadt-Wahlkreis geholt – nur Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke) und Ex-Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hatten damals mehr erhalten.