Interview mit Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen: „Wir nehmen die Potsdamer Lage ernst“
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) spricht im Interview über Corona-Ostern in der Mark und Potsdams Krisenmanagement.
Herr Stübgen, Ostern naht, Kaiserwetter ist angesagt, die Leute wollen endlich mal raus. Alarmstufe Rot für Brandenburgs Polizei in Corona-Zeiten?
Wir bereiten uns darauf vor, schon seit Wochen. Wir werden deshalb zusätzliche Maßnahmen ergreifen, mehr Personal im Einsatz haben.
Was heißt das konkret?
Seitdem die Brandenburger Eindämmungsverordnung vorvorige Woche in Kraft trat, hat jede der vier Polizeidirektionen im Land einen Zug Bereitschaftspolizei zusätzlich bekommen. Das verstärken wir für Ostern nochmals um einen Zug als zentrale Landesreserve, damit sind dann rund 150 Bereitschaftspolizisten mehr als sonst im Einsatz.
Wie schätzen Sie die Risikolage für das Osterwochenende ein?
Ich erwarte, dass sich die allermeisten an die Regel halten werden, wie bisher auch.
Und wenn nicht?
Dann wird zuerst ein freundlicher Hinweis gegeben. Nur, wenn sich Leute hartnäckig widersetzen, kommt es zu Bußgeldern oder Strafanzeigen. Wir setzen auch weiterhin zuerst auf Deeskalation, auf die Einsicht der Brandenburgerinnen und Brandenburger. Wichtig ist, dass alle sich an das Kontaktverbot halten. Aber das bedeutet nicht, dass man sich nicht an der frischen Luft bewegen darf und auch soll. Es hat ja den positiven Effekt, dass man seine Immunkräfte stärkt.
Sie empfehlen den Osterspaziergang?
Ja, aber aber eben nur mit den Menschen, mit denen man zusammenlebt oder maximal einer anderen Person. Dagegen spricht nichts, solange die allgemeinen Regeln beachtet werden. Wichtig ist, die Mindestabstände einzuhalten.
Der Bußgeldkatalog Brandenburgs gilt seit letzten Donnerstag. Das Wochenende war quasi eine Generalprobe für Ostern. Wie lief es?
Es blieb alles im üblichen Rahmen. Wir hatten landesweit 600 Corona-Einsätze von Freitag bis Sonntag, das ist ein normales Niveau. Es kam zu 16 Strafanzeigen, 191 Ordnungswidrigkeiten und 545 Platzverweisen, also Anweisungen, sich an die Regeln zu halten. Es hat sich nicht deutlich erhöht, das ist ein gutes Zeichen. Es gab früher bestimmte Fußballspiele, da war mehr los als an diesem Wochenende bei schönem Wetter im gesamten Bundesland.
Was raten, was empfehlen Sie Berlinern, die unbedingt raus ins Umland wollen?
Ganz klar, an die Adresse der Berliner: Wir haben Brandenburg nicht geschlossen! Das sieht unsere Verordnung ganz bewusst nicht vor. Aber die Regeln gelten natürlich für alle. Und es sollte in diesen Zeiten schon einen triftigen Grund haben, sich in Brandenburg zu bewegen ...
… und auf keinen Fall ohne Brotdose?
Es hat auch in Brandenburg kein einziges Restaurant, kein Café, keine Pension geöffnet. Ein bisschen Proviant sollte man dabei haben.
Ein einziger Kreis, Ostprignitz-Ruppin, hat seine Grenzen generell für Ausflügler und Datschenbesitzer dicht gemacht, über das Landesreglement hinaus. Setzt die Landespolizei die „Lex OPR“ durch, fängt Berliner an der Autobahnabfahrt ab?
Nein! Es kam eine Anfrage des Kreises. Das hat die Polizei aber abgelehnt. Wir halten es landesweit nicht für notwendig, die Kreisgrenzen zu bewachen. Es ist eine Eigenentscheidung dieses Landkreises, die wir nicht für richtig halten. Unser Ziel sind landeseinheitliche Reglungen. Wenn eine Stadt, ein Kreis bestimmte Hotspots hat, sind vor Ort auch verschärfende Bestimmungen möglich. Potsdam hat das zum Beispiel mit der Sperrung großer Parks ja auch getan. Die Stadtregierung war der Meinung, dass das dort schwierig geworden wäre. Aber die Schließung eines gesamten Kreises halten wir für überflüssig.
Sie sind Kommunalminister. Wie sehen Sie das Krisenmanagement vor Ort?
Die Landkreise und kreisfreien Städte sind insgesamt sehr gut aufgestellt, sind auch mit den Gesundheitsämtern schnell handlungsfähig gewesen. Dafür, dass die Pandemie für alle Neuland ist, klappt es ziemlich gut, auch das Zusammenspiel mit dem Krisenstab, den Landesbehörden und der Regierung.
Es fällt auf, dass die Landeshauptstadt Potsdam mit den Problemen im Bergmann-Klinikum der Corona-Krisenherd Brandenburgs überhaupt ist, gegen den Landestrend mit hohen Steigerungsraten bei Infektionen, mit inzwischen 22 Toten. Wie bewerten Sie die Lage?
Wir nehmen die Potsdamer Lage ernst. Es ist wichtig, dass das Problem im Ernst-von-Bergmann gelöst wird.
Potsdam hat diesen Ausbruch im größten Brandenburger Krankenhaus dem Krisenstab des Landes erst nach zwei Tagen gemeldet. Hat das Konsequenzen?
Für uns im Krisenstab war es sehr schwierig, dass diese Meldung der Landeshauptstadt Potsdam sehr spät kam. Wir brauchen präzise, belastbare Informationen für die statistischen Erhebungen, die bei der Bekämpfung der Epidemie eine wichtige Grundlage für unsere Entscheidungen sind. Für uns war das schädlich. Ob das juristische Konsequenzen haben wird, kann ich jetzt nicht einschätzen. Wir brauchen die Daten als belastbare Grundlage für Entscheidungen. Wir brauchen sie auch, um über mögliche Lockerungen entscheiden zu können.
Zu Beginn ging gerade Potsdam sehr rigoros vor, mit den ersten Schul- und Kitaschließungen im Land, mit geschlossenen Parks. Jetzt ist das wichtigste Krankenhaus ausgefallen, gibt es in Berlin und Brandenburg nirgendwo sonst einen so krassen Fall. Befürchten Sie, dass das über die Stadtgrenze hinaus zum Problem wird?
Meine Einschätzung: Es hat spät eingesetzt, aber das jetzige Krisenmanagement Potsdams scheint geeignet, diese Gefährdungen zu reduzieren, mit Trennungen, mit dem Aufnahmestopp. Es gibt auch andere Krankenhäuser, die betroffen sind. Die haben sehr schnell reagiert.
Sie halten sich eher öffentlich zurück, obwohl Krisen für Politiker auch die Chance zur Profilierung geben. Warum eigentlich?
Da, wo es erforderlich ist, bin ich öffentlich präsent. Mir ist es als Politiker immer darum gegangen, in erster Linie ein Problem zu lösen und nicht nett in die Kameras zu schauen.
Sie sind auch Vize-Ministerpräsident. Im Land fragen sich alle: Wann hat der Spuk endlich ein Ende?
Man müsste Prophet sein, um das genau zu wissen. Wir wissen immer noch zu wenig über dieses neuartige Virus, das macht die Entscheidungen so schwierig. Es deutet inzwischen alles darauf hin, dass uns das Phänomen über viele Monate, ja das ganze Jahr noch beschäftigen wird. Wir werden damit leben müssen, aber nicht mit den strengen Regeln wie jetzt. Unser Ziel ist es zunächst, die Ausbreitung so zu dämmen, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet wird. Das funktioniert ganz gut. Wir schaffen es in Brandenburg, die Verdopplungsrate zu verlängern. Wir sind jetzt bei sieben bis acht Tagen, anfangs waren es drei Tage. Das ist ein Erfolg der Kontaktsperre.
Und danach?
Wir müssen die Infektionsrate weiter niedrig halten. Es wird eine Herausforderung für viele Monate, den richtigen Weg zu finden. Brandenburgs Linie wird sein, das bundesweit eine möglichst einheitliche Lösung gefunden wird.
Was halten Sie von einer Maskenpflicht für diese nächste Phase?
Mit einfachen Masken, die man sich selbst schneidern kann, kann man die Infektion anderer vermeiden, sich aber nicht selbst schützen. Es wird eine offene Frage bleiben, ob das etwas bringt. Ich persönlich denke, dass eine Verpflichtung zum Maskentragen, auch was das Infektionsgeschehen betrifft, nicht wirklich sinnvoll wäre. Jedem steht frei, es zu tun. Es kann auch sein, dass die bundesweite Debatte für Supermärkte, Betriebe oder Schulen in diese Richtung geht. Nach unseren Erkenntnissen bringt das eigentlich nichts. Wir haben in Brandenburg eine Maskenpflicht nicht auf dem Plan.
Und eine Coronavirus-App, um Infizierte zu überwachen und Kontakte herauszufinden?
Man muss da genau unterscheiden: Eine Anwendung ähnlich wie in Russland oder China wollen wir nicht. Das greift zu tief in die Persönlichkeitsrechte ein, die bürgerlichen Freiheiten sind ein hohes Gut. Die App, die jetzt erarbeitet wird, die freiwillig genutzt werden kann, könnte aber hilfreich sein. Mit einer solchen App habe ich kein Problem. Sobald es diese App gibt, würde ich dazu aufrufen, sie auch zu nutzen. Sie kann dazu beitragen, Infektionsketten zu unterbinden.
Sie machen den bisherigen Berliner LKA-Vize Oliver Stepien zu Brandenburgs neuem Polizeipräsidenten. Warum eine externe Lösung?
Das war Gegenstand einer langen Abwägung. Ich habe mich nach reiflicher Überlegung entschieden, die Präsidentenstelle mit einem Experten von außen zu besetzen und die des Polizei-Abteilungsleiters intern zu besetzen. Das ist eine günstige Kombination.
Kritik kam von der Gewerkschaft GdP. Sie haben schon Ihren Innenstaatssekretär Klaus Kandt, den früheren Polizeipräsidenten, aus Berlin geholt. Ist Brandenburgs Polizei nun in Berliner Hand?
Das wird es mit mir auf keinen Fall geben! (lacht) Für mich ist es keine Qualitätsfrage, ob jemand ein Berliner, Brandenburger, Bayer oder ein Schleswig-Holsteiner ist. Entscheidend war, dass die Qualifikation stimmt, um Brandenburgs Polizei in den nächsten Monaten und Jahren gut zu führen.
Trotzdem gab es in der Kenia-Koalition vorher Zoff, soll ihr ursprünglicher Brandenburger Kandidat nicht durchsetzbar gewesen sein?
Zoff würde ich das nicht nennen. Es ist klar, dass über solche Personalien die Koalitionsspitzen vorher beraten und ein Einvernehmen finden müssen. Wir haben eine gute Lösung, die alle tragen.
Wie feiern Sie Ostern in diesem Jahr?
Es wird sich im Vergleich zu früheren Jahren leider sehr stark unterscheiden. Normalerweise würde ich mein Segelboot ins Wasser lassen. Aber das liegt in Mecklenburg-Vorpommern, da kann ich nicht hin, da gibt es ja faktisch ein Einreiseverbot. Mit meiner Frau habe ich es so besprochen: Wir werden Ostern diesmal mit dem Fahrrad unterwegs sein.
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