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Interview | Erik Stohn über seine politische Zukunft in der SPD: "Ich will den Staffelstab übergeben"

Brandenburgs SPD-Generalsekretär Erik Stohn über die Übergabe seines Amtes an David Kolesnyk und den Bundestagswahlkampf.

Herr Stohn, was planen Sie für den SPD-Parteivorstand am Montag? 
Ich hatte ja nach der Sommerpause angekündigt, nicht wieder als Generalsekretär anzutreten. Dietmar Woidke wollte, dass ich weitermache – das hat mich natürlich gefreut. Aber in der gemeinsamen Abwägung sind wir zu der Erkenntnis gekommen, dass es besser ist, die Posten des Fraktionsvorsitzenden und des Generalsekretärs zu trennen. Dann kam aber Corona, der Parteitag fiel aus, ich bin immer noch Generalsekretär. Aber nun beginnt der Bundestagswahlkampf, in dem man den Gegner auch einmal angreifen und die Unterschiede zwischen den politischen Konkurrenten deutlich machen muss. Ich halte es für klug, den Wahlkampf aus einer Hand zu planen und zu verantworten: Deswegen will ich David Kolesnyk, den wir ja schon vorgestellt hatten, die Möglichkeit bieten, das auch zu tun. Ich werde dem Landesvorstand vorschlagen, jetzt eine Staffelstabübergabe zu machen. Dazu müsste der Landesvorstand David Kolesnyk kooptieren, damit er die Aufgabe jetzt übernehmen kann. 

Erik Stohn
Erik Stohn
© dpa

Sie würden also vom Posten des Generalsekretärs zurücktreten? 
Das ist technisch die richtige Vokabel. Mit dem Begriff tue ich mich aber schwer, weil mir die Aufgabe große Freude bereitet hat. Ich hätte es schöner gefunden, die Übergabe auf einem Parteitag durchführen zu können. Ich vermisse diese „Familientreffen“. Aber vor dem Hintergrund, dass wir nicht wissen, ob im Mai oder Juni Parteitage möglich sind und die Bundestagswahl auf uns zu rollt, sollten wir es jetzt machen. Ich gehöre als Fraktionsvorsitzender dem Landesvorstand weiterhin beratend an. Mitte Februar findet der nächste Digitalabend zur Vorbereitung der Wahl mit Lars Klingbeil, dem Generalsekretär der Bundes- SPD, statt. Ich halte das für den richtigen Zeitpunkt der Staffelstabübergabe an meinen Nachfolger. 

Was sagt die Partei zu solch einer Lösung? 
Ich bin mir sicher, dass der Landesvorstand diesem Vorschlag viel Sympathie entgegenbringt. David Kolesnyk ist vorgeschlagen, vorgestellt und ohne Corona wäre er jetzt vom Parteitag womöglich bereits gewählt. Er soll sich nun auch auf die Bundestagswahlvorbereitung konzentrieren können. Da haben wir alle was von.  

David Kolesnyk
David Kolesnyk
© Henri Kramer

Wird diese Bundestagswahl eine besondere? Welche Rolle spielt Olaf Scholz, der in Potsdam kandidiert? 
Das erste Mal seit Bestehen der Bundesrepublik findet eine Bundestagswahl ohne Amtsinhaber statt. Das heißt, die Menschen können und müssen sich völlig neu entscheiden, wem sie vertrauen. Ich bin sicher, dass Olaf Scholz viele überzeugen wird. Er hat die Ruhe und Kraft, das Amt auszugestalten und er ist ein erfahrener Politiker, der schon einige Krisen gemeistert hat. In der Pandemie beweist er, dass er gute Lösungen hat und diese fleißig bearbeitet. Er ist nicht der Typ knauseriger Kassenwart, der jeden Gedanken finanziell totmacht. Die Menschen haben in ihm außerdem einen guten Zuhörer, der das Gehörte in Politik übersetzt. Ich kenne keinen kundigeren Politiker als ihn.  

Zurück zur Landespolitik: Was haben Sie denn als Generalsekretär erreicht? 
Die erste Aufgabe eines Generalsekretärs ist es, Wahlen zu gewinnen. Das haben wir mit der Landtagswahl 2019 geschafft. Es war möglicherweise gar nicht die größte Leistung, die Strategie zu entwickeln, sondern die Strategie durchzuhalten. Besonders freut mich, dass wir es geschafft haben, trotz schlechterer Wahlergebnisse und zurückgehender Einnahmen, die Präsenz der Partei auch in der Fläche mit Büros und Mitarbeitern zu sichern. Wir haben sogar ein Europabüro in Frankfurt (Oder) eröffnet, auch wenn wir keine Europaabgeordnete mehr stellen. Und dann haben wir in unserer Talentakademie viele Ressourcen in die Hand genommen, um aus den politischen Rohdiamanten von heute die Diamanten von morgen zu machen. Und ich freue mich, dass wir es im Rahmen von Corona schnell geschafft haben, neue digitale Formate im Parteileben und im Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern zu etablieren.  

Wo wäre das Problem, wenn Sie das Amt einfach weitermachen würden? 
Der Generalsekretär ist derjenige, der scharfzüngig auch die Arbeit der Mitbewerber bewertet. Als Fraktionsvorsitzender ist es meine Aufgabe, mit den Koalitionspartnern Kompromisse zu finden und aus unseren verschiedenen Sichtweisen gute Politik zusammenzubinden. Da ist es misslich, an einem Tag den Mitbewerber zu kritisieren und am nächsten Tag als Fraktionsvorsitzender mit den Koalitionspartnern verhandeln zu wollen. Das lässt sich schwer trennen. 

Wo steht denn die Kenia-Koalition in Brandenburg im Moment? Wie ist das Verhältnis zu den Koalitionspartnern? 
Nach den Koalitionsverhandlungen hat sich gezeigt, dass es nicht einfach wird. Wir haben alle drei teilweise eine sehr unterschiedliche Sicht auf die Dinge. Wir müssen viel miteinander reden. Die Prozesse in der Dreierkonstellation dauern erheblich länger, als es vorher der Fall war. Wenn wir offen und ehrlich unsere Linien austragen, kommt gute Politik für das Land dabei heraus. Die Koalition ist darauf angelegt, das Land in den fünf Jahren voranzubringen. Diese Anstrengung merke ich bei allen, auch wenn wir intern hart in der Sache debattieren. 

Was sind denn die nächsten Dinge, die Sie als Fraktionsvorsitzender angehen wollen? 
Wir brauchen viel Energie, weil wir das Land voranbringen und es gleichzeitig zusammenhalten wollen. Das ist unser Anspruch. Deswegen wird es auch einen armutsfesten Vergabemindestlohn von 13 Euro pro Stunde geben. Wir wollen gute Löhne für gute Arbeit. Gerade im Umfeld der Krise ist es wichtig, hier soziale Verantwortung zu zeigen. Es zeigt sich auch, dass der Erhalt der Krankenhausstandorte ein richtiger Ansatz war, den wir in die Koalitionsverhandlungen gebracht haben. Gesundheit ist ein hohes Gut und diese kann nicht der Wirtschaftlichkeit untergeordnet werden. Mir und meiner Fraktion ist es wichtig, dass wir jetzt einen Digitalisierungsschub an den Schulen hinbekommen. Deshalb war es richtig, neben den vielen Bundesmitteln zusätzlich 23 Millionen Euro für Tabletkoffer an jeder Schule bereitzustellen. Und die Frage der Arbeitsgerichte ist eine, bei der man zeigen muss, dass man vernünftig mit Ressourcen und Mitteln umgeht und gleichzeitig in der Fläche die Arbeitsfähigkeit der Justiz sichert. Dies muss mit allen besprochen werden. Da hat es am Anfang gehakt, aber niemand kann den Handlungsbedarf ignorieren. 

Dietmar Woidke (l), Ministerpräsident von Brandenburg und SPD-Landesvorsitzender, zusammen mit Erik Stohn beim Landesparteitag der SPD Brandenburg nach Bekanntgabe der Ergebnisse der Abstimmung über den Koalitionsvertrag mit CDU und Bündnis 90/Die Grünen im November 2019.
Dietmar Woidke (l), Ministerpräsident von Brandenburg und SPD-Landesvorsitzender, zusammen mit Erik Stohn beim Landesparteitag der SPD Brandenburg nach Bekanntgabe der Ergebnisse der Abstimmung über den Koalitionsvertrag mit CDU und Bündnis 90/Die Grünen im November 2019.
© Monika Skolimowska/dpa

Sie werden ab und zu dafür kritisiert, dass Sie in Ihren Reden stattdessen ein zu großes Augenmerk auf die AfD legen. Was sagen Sie dazu? 
Das sehe ich anders. Als SPD geht es uns zuerst um den sozialen Fortschritt und nachhaltige Entwicklungen. Wir verteidigen aber auch den Zusammenhalt, die Demokratie und behalten uns unsere weltoffene Herangehensweise bei. Allen Spaltern sagen wir daher den Kampf an. Ich werde mir nie verbieten lassen, auf die unsäglichen Entwicklungen in der AfD hinzuweisen. Wir dürfen uns nie an deren Entgleisungen, Doppelmoral und Populismus gewöhnen. Wir dürfen nicht müde werden, uns ihnen in den Weg zu stellen. Rechtsextreme haben bei uns keinen Platz. Im Landtag müssen wir sehr aufpassen, dass AfD-Abgeordnete natürlich ihre parlamentarischen Rechte haben, aber wir werden es nie zulassen, dass sie diese nutzen, um Demokratie und Parlamentarismus auszuhöhlen. Es wurde schon einmal ein Parlament mit parlamentarischen Mitteln bekämpft und faktisch beseitigt.

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