Brandenburg: Abgeordnete fordern Datenschutz-Aufklärung
Dürfen Kennzeichen automatisch gespeichert und weitergegeben werden? Nicht nur diese Frage bereitet Brandenburger Datenschützern Sorgen. Auch das geplante neue Verfassungsschutzgesetz ist offenbar bedenklich.
Potsdam - Hat die Brandenburger Polizei möglicherweise illegal Autokennzeichen erfasst, auf Vorrat gespeichert und weitergegeben? Mit dieser Frage befasst sich am kommenden Donnerstag nun der Innenausschuss des Potsdamer Landtags. Nach einem gemeinsamen Antrag der Regierungsfraktionen von SPD und Linke wurde das Thema am Freitag auf die Agenda des Ausschusses gesetzt. „Wir gehen davon aus, dass es rechtens ist, wie die Brandenburger Polizei verfährt“, sagte die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Inka Gossmann-Reetz, am Freitag den PNN.
Zuvor hatte der Innenpolitiker der Linksfraktion, Hans-Jürgen Scharfenberg, betont: „Da gibt es Klärungsbedarf.“ Zwar werde der Ausschuss einmal jährlich über die Kennzeichenerfassung in Brandenburg informiert – aber nur, soweit sie auf Grundlage des Polizeigesetzes stattfand. Über andere Fälle sei bislang nicht gesprochen worden, so Scharfenberg.
Brandenburgs Polizei speichert Kennzeichen - ohne Legitimation
Wie berichtet war durch den Vermisstenfall Rebecca Reusch in Berlin bekannt geworden, dass die Brandenburger Polizei an der A 12 – einer Hauptstrecke, wenn es um grenzübergreifende Kriminalität wie Autoschiebereien geht – Kennzeichen speicherte, obwohl es dafür keine Legitimation durch das Polizeigesetz gab, das etwa bei Gefahrenlagen greift. Das Kennzeichen des Autos eines Verdächtigen im Fall Rebecca wurde vielmehr als „Beifang“ in einer anderen Strafsache aufgenommen und war selbst gar nicht in der Fahndung. Die Fragen, die nun im Raum stehen und von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) und Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke beantwortet werden müssen: War das Speichern dieses Kennzeichens rechtens und gibt es ähnliche Fälle? Oder speichert die Polizei etwa Daten auf Vorrat ohne Legitimation?
Eine PNN-Anfrage zu der Problematik vom Donnerstag blieb auch gestern unbeantwortet. Das Innenministerium hatte wie berichtet am Donnerstag um mehr Zeit für die Bearbeitung gebeten – obwohl das Thema durch eine Anfrage der Grünen schon länger auf dem Tisch lag, die Kennzeichenerfassung im Fall Rebecca bereits Anfang März publik wurde.
Verfassungsschutzgesetz-Novelle wird Thema im Innenausschuss
Der Innenausschuss setzt sich kommende Woche noch mit einem anderen datenschutzrechtlich heiklen Thema auseinander. Bereits am Montag findet im Ausschuss eine Anhörung zu der umstrittenen Novelle des Verfassungsschutzgesetzes statt. Brandenburgs Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge sieht den Gesetzentwurf von Rot-Rot in einigen Punkten sehr kritisch. Das geht aus einer Stellungnahme Hartges hervor, die den PNN vorliegt und am Montag vorgestellt werden soll. Interessant ist vor dem Hintergrund der Debatten um die Kennzeichenerfassung und die Legalität von „Beifängen“ vor allem eine Einschätzung Hartges zur Datenerhebung.
Laut Verfassungsschutzgesetz können Daten nur zu einem vorher definierten Zweck erhoben werden. Aber: Durch die Gesetzesnovelle soll eine Zweckänderung möglich sein, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Daten geeignet erscheinen, einen andern Zweck zu erfüllen. Hartge hält das für einen Verstoß. Damit werde einer der wichtigsten Grundsätze des europäischen und deutschen Datenschutzrechts, der Zweckbindungsgrundsatz, ausgehöhlt, heißt es in der Stellungnahme. Dieser besage, dass personenbezogene Daten nur für vornherein festgelegte eindeutige und rechtmäßige Zwecke erhoben und im Nachhinein nicht in einer mit dieser Zweckbestimmung nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden dürfen.
Hartge sieht „massive Beeinträchtigung der Betroffenen in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung“
Auch das Nutzen privater Videoaufnahmen, die versehentlich einen Teil des öffentlichen Straßenraums erfassen, oder Oberservationen ohne nachträglich die Betroffenen darüber zu informieren, hält Hartge für kritisch. Letzteres stelle „eine massive Beeinträchtigung der Betroffenen in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ dar.
SPD und Linke hatten – wie zuvor beim Polizeigesetz – lange um einen Kompromiss bei der Neuordnung des Verfassungsschutzes gerungen. Bei den Linken gibt es bei mehreren Abgeordneten weiter Vorbehalte gegen die Gesetzesnovelle, sie sehen den Verfassungsschutz insgesamt kritisch und lehnen weitere Befugnisse für die Behörde ab. Die entscheidende Abstimmung ist für Juni im Landtag geplant.
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