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Die neue Synagoge soll auf der Brache nahe des Filmmuseums entstehen.
© Andreas Klaer

Neue Synagoge für Potsdam: Auf einmal sind sich alle einig

Kulturministerin Manja Schüle (SPD) gibt grünes Licht für den Synagogenneubau in Potsdam - nach einem zehnjährigen Prozess.

Innenstadt - „Potsdam baut doch eine Synagoge“, behauptet seit Jahren ein verwittertes Plakat am brachliegenden Grundstück gegenüber des Filmmuseums. Bisher wurde nur gestritten, nicht gebaut. Doch am Freitag verkündete Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD) den Startschuss. Die Bauarbeiten sollen im Frühjahr 2021 beginnen und 2023 beendet sein. 

Schüle sprach von einem „intensiven, mehr als zehnjährigen Prozess“. Dessen vorläufiges Ziel sei nun erreicht: „Ein Entwurf, der von der großen Mehrheit der Jüdinnen und Juden in Potsdam unterstützt wird.“ Gemeint ist der Vorentwurf des Berliner Architekten Jost Haberland. Sie habe dem Brandenburgischen Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen (BLB) grünes Licht gegeben, sagte Schüle. Die Kosten sollen laut Haberland zwischen acht und zehn Millionen Euro liegen.

Der jüngste Entwurf des Architekten Haberland für die Synagoge in Potsdam.
Der jüngste Entwurf des Architekten Haberland für die Synagoge in Potsdam.
© Haberland Architekten

„Der heutige Tag ist für mich ein glücklicher Tag“, sagte Mykhaylo Tkach von der Jüdischen Gemeinde Potsdam. „In den letzten 30 Jahren mussten wir immer wieder umziehen. Viele Mitglieder, die von einer Synagoge geträumt haben, sind schon nicht mehr unter uns.“ Das neue Gotteshaus werde ein „Denkmal“ für die Verstorbenen sein, aber auch ein „Symbol für Wiedergeburt“, so der 1938 geborene Tkach.

Sicherheitskonzept muss noch überprüft werden

„Ich bedauere nicht die konstruktive Auseinandersetzung“, sagte der Vorsitzende der Synagogengemeinde, Ud Joffe, bezogen auf die Streitigkeiten der letzten Jahre. Es sei eine einzigartige und schwierige Situation, weil das Land das Gotteshaus baue, und die Gemeinden nicht „die rechtliche Hoheit“ hätten, deren Gestaltung allein zu bestimmen. Doch Joffe betonte Kompromissbereitschaft: „Wenn wir nur auf unsere Rechte beharren, dann werden keine Blumen wachsen.“

Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, der Neubau könne, „dazu beitragen, den interkulturellen Dialog zu stärken“. Der Entwurf gefalle ihm auch persönlich sehr gut, denn er verbinde moderne Architektur mit den Anforderungen an religiöse Bedürfnisse und Sicherheit und sei „nicht die Kopie von etwas Früherem“, sagte Schubert.

Kulturministerin Manja Schüle (SPD).
Kulturministerin Manja Schüle (SPD).
© dpa

Das Sicherheitskonzept müsse nach dem Anschlag von Hanau noch einmal überprüft werden, räumte Haberland ein. „Die Synagoge soll – bei allen zu erfüllenden Sicherheitsstandards – ein offenes Haus sein“, sagte er. Ein Café im Erdgeschoss solle für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Im ersten Obergeschoss werde sich das religiöse Zentrum befinden. Auf den Dachflächen entstehe eine Terrasse, die für Feste unter freiem Himmel genutzt werden könne, zum Beispiel das Laubhüttenfest. Haberland betonte, dass auch die Ergebnisse von Workshops eingeflossen seien, in denen Gemeindemitglieder ihre Ideen äußern konnten.

Parteiübergreifende Freude

Der Startschuss wurde über die Parteigrenzen hinweg begrüßt. Steeven Bretz, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Landtag Brandenburg, kommentierte am Nachmittag, es handle sich um „ein wichtiges Zeichen, nicht nur für alle Jüdinnen und Juden sondern für alle Potsdamer und alle Brandenburger“. Der Sprecher der SPD-Landtagsfraktion für Religionsfragen, Johannes Funke, sieht darin einen Meilenstein: „Im Holocaust haben Millionen von Menschen jüdischen Glaubens oder jüdischer Abstammung schlimmstes Leid erfahren, sie wurden durch Deutsche verfolgt, erniedrigt, gequält und ermordet. Vor diesem Hintergrund können wir es gar nicht genug würdigen, dass der Synagogenbau in Potsdam nun beginnt.“

Die alte Synagoge hatten die Nazis in der Pogromnacht 1938 verwüstet. Für die Mitglieder der damaligen Gemeinde folgten Ausgrenzung, Enteignung und Vernichtung. Wer konnte, floh ins Exil. Am 11. Januar 1942 wurden die letzten 40 Potsdamer Juden nach Riga deportiert. Im April 1945 fiel die Synagoge einem alliierten Luftangriff zum Opfer und brannte vollständig aus. Die Ruine neben der Hauptpost am heutigen Platz der Einheit wurde nach dem Krieg abgerissen. Heute steht dort ein Wohnhaus. Während der gesamten DDR-Zeit gab es kein jüdisches Leben in Potsdam. Das kehrte erst Anfang der 1990er-Jahre mit der Zuwanderung aus der ehemaligen UdSSR wieder zurück. Laut Uni Potsdam leben heute etwa 400 jüdische Familien mit insgesamt etwa 1200 Personen in Potsdam.

Haberland setzte sich in Architektenwettbewerb durch

Um die Rückkehr jüdischen Lebens zu fördern, verpflichtete sich das Land Brandenburg 2005, den Neubau einer Synagoge mit rund fünf Millionen Euro zu fördern. In einem EU-weiten Architektenwettbewerb setzte sich Haberland gegen 25 Mitbewerber durch. Die Baugenehmigung erfolgte 2010, eigentlich sollten die Arbeiten bis April 2012 abgeschlossen sein. Doch das mit viel Enthusiasmus gestartete Projekt geriet ins Stocken. Ein Teil der Gemeinde lehnte das Gesamtkonzept ab und wollte mehr Wert auf religiöse Tradition und Praxis legen. Diese Fraktion spaltete sich noch 2010 ab und gründete die Synagogengemeinde Potsdam, deren Vorsitzender Joffe seither ist.

Der Streit dauerte an. Zuletzt traten im Februar mehrere Gemeindemitglieder aus der Synagogengemeinde aus und gründeten eine vierte Gemeinde namens „Adass Israel zu Potsdam“. Diese Gemeinde sei zwar nicht in das Projekt involviert, unterstütze aber den Haberland-Entwurf, sagte der stellvertretende Vorsitzende Alexander Kogan den PNN.

Manja Schüle betonte am Freitag noch einmal die Bedeutung der „zahlreichen Stimmen vor allem älterer Gemeindemitglieder, die sich nach jahrzehntelangem Warten danach sehnen, die Fertigstellung der Synagoge noch zu erleben.“

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