Nordkorea und die USA: Zwischen Volleyball und Feuerball
Die USA schlagen gegenüber Nordkorea mildere Töne an – und setzen auf Sanktionen und Diplomatie. Doch auch eine militärische Lösung ist weiterhin nicht ausgeschlossen.
Am Donnerstag ist das Capitol in Washington explodiert – in einem nordkoreanischen Propagandavideo. Der von der Webseite „Arirang-Meari“, einem Sprachrohr des nordkoreanischen Regimes, veröffentlichte Kurzfilm trägt den martialischen Titel „In Reichweite der Zerstörung“. Das Video zeigt US-Militärschiffe wie den Flugzeugträger „USS Carl Vinson“ in einem Fadenkreuz, dazu schnitten die nordkoreanischen Regisseure den im März tatsächlich stattgefundenen Start von vier nordkoreanischen ballistischen Raketen. „Die Welt beneidet die Nuklearmacht des Ostens“, heißt es laut Webseite „NK News“ in den dazugehörigen Untertiteln, „Asiens führende Raketen-Nation wird dich niederschlagen, wenn du einen Schritt in Richtung Invasion und Provokation machst.“ Am Ende verwandelt sich das Capitol in einen hellen Feuerball.
An der nordkoreanischen Kriegsrhetorik hat sich offenbar nicht viel geändert in den letzten Tagen. Dafür schlagen die USA moderatere Töne an im Konflikt um Nordkoreas nukleare Ambitionen. Pjöngjang solle „zurück auf den Weg des Dialogs“ geführt werden, wobei auch eine weitere Verschärfung der Sanktionen denkbar sei. Das ließen am Mittwoch Außenminister Rex Tillerson, Verteidigungsminister Jim Mattis und Geheimdienstdirektor Dan Coats in einer Erklärung verlauten, die nach einer Lagebesprechung mit 100 Senatoren im Weißen Haus veröffentlicht wurde. „Der Ansatz des Präsidenten besteht darin, Druck auf Nordkorea auszuüben“, schrieben Tillerson, Mattis und Coats. Das könne über eine weitere Verschärfung der Wirtschaftssanktionen als auch durch Diplomatie geschehen. Allerdings betonte die US-Regierung, dass sie sich weiter alle Möglichkeiten offen halte, auch militärische.
China begrüßte die etwas milderen Töne aus Washington. Die Regierung in Peking interpretiere sie so, dass die USA an einer friedlichen Lösung des Konflikts interessiert seien, erklärte ein Sprecher der Außenministeriums. US-Präsident Donald Trump hatte China wiederholt dazu aufgefordert, sich stärker an einer Lösung des Konfliktes zu beteiligen. Peking ist der traditionell stärkste Verbündete Nordkoreas.
Die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung ist zuletzt stark gestiegen
Die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den USA und Nordkorea ist zuletzt stark gestiegen. Zwar schätzt es der ehemalige US-Verteidigungsminister William J. Perry als unrealistisch ein, dass Nordkorea seine Drohungen wahr macht und einen atomaren Überraschungsschlag gegen die USA führt. „Die nordkoreanische Führung ist zwar bösartig und rücksichtslos, aber nicht verrückt oder selbstmörderisch veranlagt“, schreibt Perry in der US-Zeitung „Politico“. Viel größer sei die Gefahr, dass Nordkorea „eine militärische Antwort Südkoreas provozieren könnte“.
Das würde die USA als Südkoreas Schutzmacht in einen konventionellen Krieg auf der koreanischen Halbinsel hineinziehen. „Nordkorea würde so einen Krieg verlieren, und wenn das Regime seine Führung zusammenbrechen sieht, könnte es in einer letzten verzweifelte Aktion Atomwaffen zünden“, glaubt der ehemalige US-Verteidigungsminister.
Auf der koreanischen Halbinsel wird weiter aufgerüstet. Die USA haben im März die ersten Thaad-Flugabwehrsysteme nach Südkorea geliefert – sehr zum Ärger Chinas, das sich davon bedroht fühlt. Am Dienstag ist das atomgetriebene Raketen-U-Boot „USS Michigan“ in Busan eingelaufen.
Nordkorea hingegen feierte den 85. Jahrestags der Gründung seiner Armee mit einer großangelegten Militärübung. Immerhin ließ Nordkoreas Diktator Kim Jong Un nicht zum sechsten Mal einen unterirdischen Atomtest zünden, wie es einige Beobachter befürchtet hatten. Stattdessen zeigten Satellitenbilder von der Testanlage in Punggye-ri möglicherweise Volleyballspiele.
Vielleicht ist das ein Anzeichen dafür, dass eine diplomatische Lösung weiter möglich ist, wie es William J. Perry glaubt. Zum einen, weil China erstmals voll mit den USA kooperieren könnte. Zum anderen, weil Nordkorea nach Trumps Raketenangriff auf eine syrische Militärbasis und die Entsendung eines Flugzeugträgers in Richtung Südkorea eine militärisches Eingreifen der USA ernsthaft in Erwägung ziehen muss. mit AFP/rtr
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