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Unionsfreunde Christine Lieberknecht, Mike Mohring
© Michael Reicel/dpa

CDU in Thüringen: Zwischen Machtverlust und Machtkampf

Seit 24 Jahren regiert die CDU in Thüringen. Die SPD könnte die Partei demnächst in die Opposition verbannen. Für den Fraktionschef der Union, Mike Mohring, muss das nicht schlecht sein.

Christine Lieberknecht wirkte am Dienstag ziemlich aufgekratzt. Gerade hatten CDU und SPD mehrstündige Sondierungsgespräche in einem Erfurter Varieté beendet, das Thüringens Ministerpräsidentin als Treffpunkt ausgesucht hatte. Und schon kann die CDU-Landeschefin kaum an sich halten, die Ergebnisse kundzutun. SPD-Verhandlungsführer Andreas Bausewein stand wortlos daneben und blickte mit unbestimmbarem Gesichtsausdruck in die Ferne. War er womöglich genervt, weil Lieberknecht die Alleinunterhalterin gab?

Dass die 56-Jährige um den Machterhalt kämpft, ist offensichtlich. Dass sie unter maximaler Anspannung steht, zeigte ihr wenig souveränes Statement aber auch deutlich. Es geht ja auch um viel. Seit 24 Jahren regieren die Christdemokraten in Thüringen. Doch noch nie war das Risiko so groß wie jetzt, dass die selbst ernannte "Thüringen-Partei" in die Opposition stürzt. Denn die Linke ist fest entschlossen, selbst mit SPD und Grünen ein Bündnis zu schmieden und ihren Spitzenmann Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten zu machen. Es wäre eine Deutschland-Premiere.

Die Aussicht auf den Machtverlust schweißt die Thüringer CDU zusammen. Der bisherige Fraktionschef Mike Mohring wurde mit 100 Prozent im Amt bestätigt. Mutmaßliche Gegner der Regierungschefin wie die von ihr geschasste frühere Ministerin Marion Walsmann werden für einflussreiche Posten gehandelt, damit sie bei einer Wahl Lieberknechts als Ministerpräsidentin nicht aus der Reihe tanzen. Walsmann ist als Parlamentspräsidentin im Gespräch.

Dabei kommt Fraktionschef Mohring in den eigenen Reihen keineswegs auf einen Beliebtheitsfaktor von 100 Prozent. Dem smarten 42-Jährigen wird nachgesagt, machtversessen zu sein und selbst Regierungschef werden zu wollen. In der Anfangszeit der bisherigen Koalition mit der SPD quälte er Lieberknecht mit Querschüssen. Im Wahlkampf flirtete er – entgegen der Parteilinie – mit der AfD.

Doch Lieberknechts Anhänger in der Fraktion bissen die Zähne zusammen und trugen Mohring jetzt einstimmig mit. Sie verstanden das als Signal sowohl an die eigene Truppe, dass man unbedingt mit Lieberknecht weiterregieren wolle, als auch an die SPD, dass ein schwarz-rotes Bündnis trotz nur einer Stimme Vorsprung stabil sein könne.

Debatte über den "Unrechtsstaat" DDR

"Wir haben die staatspolitische Verantwortung, einen Linken-Ministerpräsidenten zu verhindern. Dem wird alles untergeordnet", sagt ein Fraktionsmitglied. Dafür wird mit harten Bandagen gekämpft. So hielt Mohring gerade den Linken vor, eine "unerträgliche" Diskussion um die Charakterisierung der DDR als "Unrechtsstaat" zu führen. Die Linken-Unterhändler bei den rot-rot-grünen Sondierungen hatten den Begriff akzeptiert, was in der Bundespartei jedoch auf heftigen Widerspruch stieß.

Die Thüringer Linke kann nun beweisen, dass sie nicht von Berlin aus ferngesteuert wird. Immerhin 28,2 Prozent holte sie bei der Landtagswahl am 14. September. Das ist das beste Ergebnis, das sie je in einem Bundesland erreichte. Die Thüringer CDU blieb mit 33,5 Prozent und leichten Zugewinnen jedoch stärkste Kraft. In der Partei herrscht die Überzeugung, dass nur mit einer CDU-Regierung die Eigenständigkeit des Zwei-Millionen-Einwohner-Landes Thüringen gesichert werden könne, weil so die nötige Haushaltsdisziplin gewahrt werde.

Auch das ist ein Lockruf an die SPD, die erst bei der letzten rot-rot-grünen Sondierungsrunde am 15. Oktober über die Finanzierbarkeit der gemeinsamen Vorhaben reden will. Der große Streitpunkt mit der CDU wiederum ist eine neue Gebietsreform. Darüber soll in den letzten Gesprächen am 17. Oktober geredet werden. Danach entscheidet die SPD per Mitgliederbefragung, mit wem sie Koalitionsverhandlungen aufnimmt. Es liegt also in der Hand der rund 4400 Genossen, ob die CDU in die Opposition verbannt wird.

Die Folgen wären unabsehbar. Die jetzt überdeckten Konflikte würden dann offen ausbrechen. Lieberknecht verlöre wohl den Parteivorsitz, würde Hinterbänklerin, um irgendwann eine Führungsaufgabe vielleicht im caritativen Bereich zu übernehmen, sie ist schließlich ausgebildete Pfarrerin. Um ihre Nachfolge an der CDU-Spitze würden voraussichtlich Mohring, Parteivize und Bauminister Christian Carius sowie CDU-Generalsekretär Mario Voigt streiten.

In der SPD freilich kursiert ein anderes Szenario. Ein Gedankenspiel, das zeigt: Die Sozialdemokraten trauen Mohring, den sie für unberechenbar halten, so ziemlich alles zu. Der nämlich, so lautet die Spekulation, könnte durch große Zugeständnisse die SPD doch zu einer Fortsetzung von Schwarz-Rot bewegen. Die Wiederwahl von Lieberknecht allerdings, die schon 2009 drei Anläufe brauchte, lasse er platzen. Die Folge wären Neuwahlen mit einem CDU-Spitzenkandidaten Mohring. Dass der mit einer womöglich weiter erstarkenden AfD eine Koalition eingeht, gilt in diesem Szenario als ausgemacht.

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