Trumps Visite in London: Zur Begrüßung ein explosives Interview - und dann zum Tee mit der Queen
Bei seinem Besuch in Großbritannien fährt der US-Präsident seinen bekannten Kurs von Peitsche und Zuckerbrot – erst attackiert er May und rudert dann zurück.
Es war kurz nach neun Uhr morgens, als Donald Trump im Winfield House, der Residenz des amerikanischen Botschafters am Rande des Regent’s Park in London, in seinen Hubschrauber einstieg. Ihm stand ein langer Tag bevor: erst einmal zu Chequers für bilaterale Gespräche mit Theresa May, dann zum Windsor Castle, um die Queen zu treffen. Als er am Ende des langen Tages nach Schottland weiterflog, hinterließ er die übliche Portion Unverständnis und Unklarheit in London. Erst hatte er die Premierministerin heftig kritisiert. Später war er zurückgerudert. Es war ein Besuch, der fast so chaotisch wirkte, wie der Nato-Gipfel ein paar Tage zuvor.
Rund zehn Minuten, nachdem der echte Präsident vom Winfield House in seinem Hubschrauber abhob, machte sich sechs Kilometer entfernt ein anderer Donald Trump in den Himmel über London auf. Über dem Parliament Square ließen Demonstranten einen riesigen Ballon steigen, der den US-Präsidenten als Säugling darstellte: als schreiendes, wütendes, twitterndes Baby.
Aktivisten rufen "Karneval des Widerstands" aus
Der Baby-Ballon hatte in den Tagen zuvor für globale Aufmerksamkeit gesorgt. Die aufblasbare Karikatur war das Highlight des sogenannten „Karnevals des Widerstands“, den Aktivisten in London und landesweit im Protest gegen den Staatsbesuch des US-Präsidenten veranstalteten.
Der echte Trump hatte gleich zu Beginn seines Großbritannien-Besuchs den bösen Buben gespielt. Am Donnerstagabend hatte Trump der Boulevardzeitung „Sun“ ein explosives Interview gegeben. Unter anderem hatte er den Londoner Bürgermeister Sadiq Khan zum wiederholten Mal scharf kritisiert. Der Labour-Politiker Khan, der die Genehmigung für den Baby- Ballon erteilt hatte, habe „einen schrecklichen Job gemacht“, was die Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus anbelangt. Wie der „Guardian“ berichtete, haben viele protestierende Londoner ihren Bürgermeister in Schutz genommen.
Trump meint, Johnson wäre ein "fantastischer Premier"
Die Angriffe auf Khan waren aber eher eine Randnotiz im Vergleich zum Rest des „Sun“-Interviews. Viel wichtiger waren die Aussagen, in denen Trump die Autorität von Premierministerin May völlig untergrub. In der Woche zuvor war Mays Regierung in eine Krise geraten, nachdem sie im sogenannten „Chequers- Plan“ den Weg für eine Freihandelszone mit der EU ebnete, und zwei Brexit-Hardliner aus ihrem Kabinett zurücktraten. Nun sagte der Präsident, dass der „Chequers-Plan“ ein mögliches Handelsabkommen mit den USA gefährde.
„Ich habe Theresa May gesagt, wie sie in den Brexit-Verhandlungen vorgehen sollte, aber sie hat nicht auf mich gehört“, sagte Trump. Der „Chequers-Plan“ werde „definitiv einen negativen Einfluss auf Handel mit den USA“ haben, meinte Trump. Diese Aussagen dürfen Brexit- Hardliner wie Boris Johnson gefreut haben, genau so haben sie in den vergangenen Wochen gegen den Plan argumentiert. Johnson, der seit seinem Rücktritt als möglicher Herausforderer von Theresa May gilt, wäre „ein fantastischer Premier“, sagte Trump außerdem der „Sun“.
Wieder einmal wurde er falsch interpretiert
Es war ein Paukenschlag, den viele wichtige Regierungs- und Oppositionspolitiker am Montag als „respektlos“ bezeichneten. Als sich May und Trump später im besagten Herrenhaus Chequers trafen, war die Stimmung entsprechend angeheizt. Die Abendzeitung „London Evening Standard“ erschien mit einem Bild der zwei Staatschefs und der Überschrift: „Fake News: Wir haben ein gutes Verhältnis“.
Ein paar Stunden später sprach Trump tatsächlich von „Fake News“. Nach den Gesprächen mit May ruderte der Präsident in der anschließenden Pressekonferenz von seinen „Sun“-Kommentaren zurück. Er sei von der Boulevardzeitung falsch interpretiert worden, sagte Trump. Es stehe glücklicherweise das Originalband des Interviews zur Verfügung, damit er das beweisen könne. Er habe zwar gesagt, dass Boris Johnson ein guter Premier wäre, Theresa May aber genauso gelobt: „Sie macht einen fantastischen Job und sie ist sehr professionell.“
Die Kritik an Deutschland wiederholt er
Viel wichtiger als das persönliche Lob war für May aber die Andeutung, dass ein Handelsabkommen zwischen den zwei Ländern noch nicht vom Tisch sei. Der Chequers-Plan erlaube es beiden, „einen ehrgeizigen Deal“ zu verfolgen, sagte May. Trump, eher nonchalant, deutete an, dass er ein Handelsabkommen in allen Fällen anstreben würde. „Was auch immer ihr (in den Brexit-Verhandlungen) tut, wird okay für uns sein. Ihr solltet aber sicherstellen, dass wir nachher gut handeln können.“
Mehr als das mögliche Handelsabkommen mit Großbritannien schien Trump der vergangene Nato-Gipfel und sein bevorstehendes Treffen mit Wladimir Putin zu interessieren. Seine scharfe Kritik an Deutschland wegen der Ostseepipeline Nord- Stream-II hat er wiederholt. Mit Putin werde er über die Ukraine, über die Nahostkonflikte und über nukleare Aufrüstung reden. Die Nowitschok-Affäre erwähnte Trump nicht.
Und dann auch noch zur Queen
Am späten Nachmittag empfing dann Queen Elizabeth II. den US-Präsident und First Lady Melania auf Schloss Windsor. Die 92 Jahre alte Monarchin begrüßte die beiden mit militärischen Ehren im Innenhof des Palasts. Die Queen lächelte, als sie dem US-Präsidenten und der First Lady die Hände schüttelte. Gardisten spielten die amerikanische Nationalhymne. Anschließend zog sich die Monarchin mit ihren Gästen zum Tee zurück. Nach knapp einer Stunde verließen die Trumps das Schloss wieder – Richtung Schottland.
Dort wird Donald Trump laut Berichten am Samstag Golf spielen. In Ruhe und ungestört. Zwar wollten die Protestler auch dort auf dem Golfkurs den Baby-Ballon fliegen lassen. Dafür bekamen sie aber keine Genehmigung. (mit dpa)
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