Der Ton macht die Politik: Zu viel Härte in der Auseinandersetzung schadet nur
In Österreich sind in der Vergangenheit die Diskussionen immer persönlicher geworden. Das sollte Deutschland vor der Wahl eine Lehre sein. Ein Kommentar.
Taugt Österreich als Lehrbeispiel? Ja, und zwar in zweierlei Hinsicht: einmal wegen Schwarz-Grün, zum anderen wegen des Tons in der Politik.
Zum ersten: Um die Koalition zustande zu bringen, mussten die Grünen (in Österreich) schon so einiges mitmachen. Die Flüchtlingspolitik ist nur ein Beispiel. Nun werden die Grünen in Deutschland stark, aber ob sie so stark werden, dass sie an erster Stelle regieren, ist immer noch die Frage. Also werden in jedem Fall Kompromisse nötig werden, und die sind immer schmerzhaft, sonst sind es keine guten.
Zum anderen: die Härte der Auseinandersetzung. Richtig ist, dass in Österreich die Affären noch eine andere Hausnummer sind als hierzulande.
Ibiza etwa ist das Stichwort für eine vermutete Käuflichkeit der vormaligen ÖVP/FPÖ-Regierung, und im Fall der Österreichischen Beteiligungs-AG (ÖBAG) wird Bundeskanzler Sebastian Kurz vorgeworfen, wahrheitswidrig seinen Einfluss bei der Bestellung eines Vertrauten für den Chefposten der Staatsholding mit Industrie-Beteiligungen über insgesamt 27 Milliarden Euro heruntergespielt zu haben.
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Kurz muss sich vorhalten lassen, ein Mann „ohne Anstand, ohne Respekt und ohne Moral“ zu sein (sagt die SPÖ, Österreichs Pendant zur SPD). Kurz sagt kritisch zur Debatten(un)kultur, dass es „absolut und ausschließlich“ nur darum“ gehe, „andere zu diffamieren, zu beschädigen und irgendwie zu vernichten“. Die politische Auseinandersetzung wird persönlich, und es geht in die Vollen.
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„Saubere Umwelt, saubere Politik“, wie Grüne in Österreich als Credo ausgeben, kann auch in Deutschland zum Schlachtruf im Wahlkampf werden. Maskenaffäre hier, Sonderzahlungen da – weniger die Dimension des Geschehens entscheidet als vielmehr die Worte über die Taten. Die können ein Übriges tun.
Aber Österreich kann da ein Beispiel mit Wert sein – wenn die Parteien im bundesdeutschen Parlament, Regierung und Opposition, amtierend und in spe, sich hüten, ausgangs der Pandemie und eingangs der Lockerungen das Vertrauen in die Politik zu beschädigen.