Antisemitismus: Zentralrat fordert Meldepflicht für antisemitische Übergriffe
Der Präsident des Zentralrats der Juden plädiert für ein Meldesystem zur Erfassung antisemitischer Vorfälle. Zugleich beklagt Josef Schuster mangelnde Sensibilität für das Thema an Schulen.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat seine Forderung nach einer Meldepflicht für antisemitische Angriffe nachdrücklich erneuert. Zugleich forderte er im Interview mit dem Tagesspiegel mehr Sensibilität von Behörden und Schulen im Umgang mit antisemitischen Vorfällen.
Ein Meldesystem „wäre ausgesprochen sinnvoll“, sagte Schuster. Dabei gehe es nicht darum, „nur strafrechtlich relevante Vorfälle rauszufischen, sondern ein besseres Gesamtbild zu bekommen“, erklärte er. „Es gibt eine hohe Dunkelziffer von Vorfällen, die nie zur Anzeige kommen. Dafür braucht es niedrigschwellige Angebote.“ Als Beispiel nannte der Zentralratspräsident ein Meldesystem, dass derzeit in Zusammenarbeit mit dem Antisemitismusbeauftragten des Freistaats in den jüdischen Gemeinden Bayerns installiert werde.
Großer Schaden
Pläne des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, gehen in eine ähnliche Richtung. Klein sagte der „Rheinischen Post“, er plane bis Jahresende in allen großen Städten des Landes Anlaufstellen zur Meldung solcher Taten. Als Vorbild nannte er die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus in Berlin. Ein Bundesverband solle als Träger der Anlaufstellen fungieren, die müssten vom Bundesfamilienministerium finanziert werden.
Mit Blick auf die Ende Juni bekannt gewordenen Vorfälle an der Berliner John-F.-Kennedy-Schule forderte Schuster, Lehrer müssten im Umgang mit Antisemitismus geschult werden. Viele Lehrer seien nicht genügend dafür sensibilisiert. „Und in den Schulleitungen besteht leider zu oft die Sorge, dass es für das Image der Schule schlecht ist, wenn antisemitische Vorfälle ans Tageslicht kommen“, sagte der Zentralratspräsident. Dabei sei der Schaden viel größer, wenn antisemitische Vorfälle nicht offen angegangen werden.
An der Schule war ein jüdischer Neuntklässler über Monate antisemitisch beleidigt und drangsaliert worden. Berichten des Opfers zufolge sollen Lehrer das antisemitische Mobbing mitbekommen haben. Bereits zwei Wochen vor Bekanntwerden des Falls hatte das American Jewish Committee (AJC) intern Aufklärung gefordert und Hilfe angeboten – erhielt aber keine Reaktion.
Strafverfolgung nicht konsequent genug
Zentralratspräsident Schuster sieht indes grundsätzlich eine „Verbesserung der Situation“ für Juden in Deutschland. Zwar habe es mehrere Angriffe auf Kippa tragende Juden in der Öffentlichkeit gegeben, wie im April in Berlin und am Donnerstag in Bonn. „Aber es wäre der falsche Rückschluss zu sagen, Juden seien in Deutschland nicht mehr sicher“, sagte Schuster. Denn zugleich steige in der Mehrheitsgesellschaft die Sensibilität.
Schuster forderte, auch die Strafverfolgungsbehörden müssten eine stärkere Sensibilität für fremdenfeindliche Übergriffe entwickeln. Die Behörden gingen nicht konsequent genug gegen Straftaten gegenüber Minderheiten vor. Zudem habe der NSU-Prozess gezeigt, dass noch Handlungsbedarf bestehe.
"Kaltes Klima"
In der öffentlichen Debatte über Flüchtlingspolitik beklagte Schuster „ein kaltes Klima“, der Diskurs werde „schärfer, härter und kälter“. Insbesondere durch die AfD „werden zunehmend rote Linien verschoben“. Wäre die jüdische Gemeinschaft auf die AfD angewiesen, so Schuster, „dann wäre es höchste Zeit, Deutschland zu verlassen“.
Schuster forderte zudem, der Staat müsse auch konsequent gegen antisemitische und israelfeindliche Predigten in Moscheen vorgehen – bis hin zur Prüfung des Aufenthaltsrechts der Prediger.
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