Wahlen in Irland: Zeitenwende auf der Grünen Insel
In Irland erringt die Sinn-Fein-Partei einen überraschenden Wahlsieg. Das liegt daran, dass die Partei ihr Image aus Bürgerkriegszeiten los ist. Ein Kommentar.
Für die irische Politik kommt es einem Erdbeben gleich, was am vergangenen Wochenende passiert ist. Bei den Parlamentswahlen haben vor allem junge Wähler die Partei Sinn Fein, die bis dato als politischer Paria galt, ganz nach oben katapultiert. Es ist nun denkbar, dass die Sinn-Fein-Partei erstmals in der irischen Nachkriegsgeschichte an der Regierung beteiligt wird – also jene Partei, die während des Bürgerkriegs in Nordirland den politischen Arm der Terrororganisation IRA darstellte.
Mit dem Wahlerfolg der Sinn Fein beginnt eine neue Epoche in der irischen Nachkriegsgeschichte. Bis dato haben die beiden Parteien Fine Gael und Fianna Fail das politische Geschehen weit gehend unter sich ausgemacht. Beide sind Mitte-rechts-Parteien, und beide verfolgen einen wirtschaftsfreundlichen Kurs. Davon ist auch Leo Varadkar nicht abgerückt, der für die Fine Gael als Premierminister bis jetzt die Geschäfte im Land führt. Im Ausland machte Varadkar vor allem deshalb auf sich aufmerksam, weil er bei den Brexit-Verhandlungen hartnäckig die irischen Interessen gegenüber den wechselnden Londoner Regierungen durchsetzte.
Varadkars Amtsbonus ist verblasst
Aber während der Brexit über die Bühne ging, verblasste auch Varadkars Amtsbonus. Ob er noch an der Spitze der neuen Regierung stehen kann, ist ungewiss. Die neue starke Frau in Dublin heißt Mary Lou McDonald. Der 50-Jährigen ist es gelungen, in ihrer bislang zweijährigen Amtszeit als Sinn-Fein-Chefin die Themenpalette der Partei zu erweitern. Die Sinn Fein wurde den Geruch der Nähe zum Terrorismus los, was vor allem mit dem Ende der Amtszeit von McDonalds Vorgänger Gerry Adams zusammenhing. Adams spielte während des Bürgerkriegs in Nordirland, der mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 endete, eine zwielichtige Rolle. Auch wenn Adams eine Mitgliedschaft in der IRA bestritt, gibt es gegenteilige Aussagen von ehemaligen Angehörigen der Terrororganisation.
Allerdings haben mehr als zwei Jahrzehnte des Friedens in Nordirland den Fokus der politischen Debatte in Irland verschoben. Gerade für jüngere Wähler scheint es nicht mehr maßgeblich zu sein, welche Rolle die Sinn Fein während des Bürgerkriegs spielte. Sie verbinden mit der Partei und ihrer energischen Vorsitzenden vor allem das Versprechen eines grundsätzlichen Politikwechsels in Irland. Bei der Wahl spielte es der linksgerichteten Partei in die Hände, dass die Wohnungsnot und die Misere im Gesundheitssystem zu einer allgemeinen Wechselstimmung geführt haben.
Kommt demnächst die Vereinigung der Insel?
Und auch die Folgen des britischen Austritts aus der EU lieferten während der Wahl am Samstag Futter für viele Sinn-Fein-Wähler. In Nordirland, das zum Vereinigten Königreich gehört, hatte sich beim EU-Referendum von 2016 eine Mehrheit gegen den Brexit ausgesprochen. Viele Nordiren sehen ihre Zukunft nach dem Brexit langfristig allerdings nicht unbedingt im Vereinigten Königreich, sondern in Irland. Da trifft es sich, dass die Sinn-Fein-Partei sowohl in Dublin als auch in Belfast für die Einheit der Insel eintritt. Parteichefin McDonald hat bereits gefordert, dass ein Referendum über die politische Vereinigung der Insel innerhalb der kommenden fünf Jahre sowohl im Norden als auch im Süden abgehalten werden soll. Damit befindet sich die Sinn-Fein-Chefin durchaus im Trend: Nach einer Umfrage befürworten mehr als die Hälfte der Befragten in der Republik Irland Referenden über die Vereinigung.