Sinn Fein hofft auf Sensation: Drei Parteien liegen nach Wahl in Irland offenbar gleichauf
Belastbare Ergebnisse nach der Wahl in Irland soll es erst am Nachmittag geben. Doch es scheint klar: Eine Regierungsbildung wird schwierig.
Bei der Parlamentswahl in Irland haben einer Nachwahlbefragung zufolge alle drei großen Parteien ungefähr gleich stark abgeschnitten. Das berichtete der irische Rundfunksender RTÉ nach Schließung der Wahllokale um 23.00 Uhr am Samstag. Demnach lagen sowohl die beiden etablierten Parteien aus dem bürgerlichen Lager, Fine Gael und Fianna Fail, als auch die linksgerichtete Sinn Fein bei etwa 22 Prozent der Stimmen. Mit einem belastbaren Ergebnis wird aber erst am Sonntagnachmittag nach Auszählung eines Großteils der Stimmen gerechnet. Rund 3,3 Millionen Bürger waren zur Wahl aufgerufen.
Varadkar hatte die vorgezogene Neuwahl in Irland angesetzt
Für Sinn Fein dürfte schon das als großer Erfolg gewertet werden. Die Partei, die früher als politischer Arm der Untergrundorganisation IRA galt, hatte in den Umfragen zuletzt geführt. Sie fordert eine Wiedervereinigung des britischen Landesteils Nordirland mit der Republik Irland. Als einzige Partei tritt sie in beiden Teilen Irlands an.
Im Wahlkampf punktete Sinn Fein unter der neuen Parteichefin Mary Lou McDonald wohl aber vor allem mit ihren sozialpolitischen Forderungen. Bei der vergangenen Wahl 2016 hatte sie lediglich rund 14 Prozent der Stimmen erreicht. Der neuerliche Erfolg kommt auch für Sinn Fein überraschend: Die Partei stellte insgesamt nur 42 Kandidaten für das Parlament auf. Eine Regierung unter der Führung von Sinn Fein gilt daher als extrem unwahrscheinlich.
Sowohl Fine Gael als auch Fianna Fail verloren hingegen an Zustimmung. Premierminister Leo Varadkar muss daher mit einer Niederlage für seine liberal-konservative Partei Fine Gael rechnen. Ob er im Amt bleiben kann, war zunächst unklar. Er hatte mit seiner liberal-konservativen Partei Fine Gael eine Minderheitsregierung angeführt, die von Fianna Fail toleriert wurde.
Ob es für eine Neuauflage dieser Zusammenarbeit oder einem Bündnis unter umgekehrten Vorzeichen reicht, muss sich erst noch zeigen. Beide bürgerliche Parteien haben eine Koalition mit Sinn Fein ausgeschlossen. Die Partei habe sich "nicht von ihrer blutigen Vergangenheit reingewaschen", sagte der Chef von Fianna Fail, Micheal Martin, am Freitag.
Varadkar hatte Mitte Januar die vorgezogene Neuwahl angesetzt. Sollte es wider Erwarten zu einer Regierungsbeteiligung von Sinn Fein kommen, dürfte die Forderung nach einem baldigen Referendum über die irische Wiedervereinigung in Dublin zur offiziellen Regierungslinie werden. Sinn Fein arbeitet unter anderem an einer Wiedervereinigung Irlands mit dem britischen Nordirland.
Die Stimmauszählung dauert vergleichsweise lange, da das Wahlsystem kompliziert ist. Jeder Wähler hat nur eine Stimme, kann aber mehrere Präferenzen angeben. In jedem der 39 Wahlkreise können bis zu fünf Kandidaten in das 160 Mitglieder starke Parlament (Dail) einziehen. Die Nachwahlbefragung basierte nur auf der ersten Präferenz.
Die derzeitige Situation ist überraschend, da der Brexit Varadkar noch zu einiger Popularität verholfen hatte. Wann immer es galt, die Interessen Irlands gegen den britischen Premierminister Boris Johnson oder dessen Vorgängerin Theresa May zu verteidigen, war Varadkar zur Stelle. Bei dieser Wahl sei "alles offen", sagte Varadkar am Freitag bei seinem letzten Wahlkampfauftritt in der westlichen Stadt Ennis. (dpa, AFP, Reuters)