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In Erklärungsnot: Familienministerin Franziska Giffey.
© Kay Nietfeld/dpa

Haushaltspläne der Bundesregierung: Wundersame Personalvermehrung

In der letzten Beratung des Etats für 2019 erhöht die Koalition die Stellenzahl in den Ressorts nochmals deutlich. Vor allem bei einer Ministerin.

Kann man ein Ministerium mal eben über Nacht um ein Sechstel vergrößern? Man kann. Genauer gesagt: Sie kann. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat in die „Bereinigungssitzung“ des Haushaltsausschusses des Bundestages eine ganze Reihe neuer Stellen eingebracht. 104 insgesamt, macht mit den 15 Stellen, die schon seit Juli im Regierungsentwurf standen, einen Zuwachs um 119 Stellen. Bisher hatte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 639 Stellen. Künftig sind es also 18 Prozent mehr, und der Großteil davon wurde erst in der Nacht zum Freitag bekannt.

Die „Bereinigungssitzung“ ist ein Parlamentsritual: Eine regelmäßig sehr lange Nachtsitzung im November (dieses Mal bis fünf Uhr in der Früh), in der letzte Hand an den Etat für das kommende Jahr gelegt wird. Die Regierungsfraktionen verteilen, was sich an „Spielräumen“ nach der Steuerschätzung und durch Deals zwischen den Fraktionen und den Ministerien noch ergeben hat. Die Opposition muss versuchen, sich aus dem Wirrwarr von hunderten kurzfristig eingereichter Anträge ein Bild zu formen und vielleicht noch ein paar eigene Akzente zu setzen.

Alles in allem 8750 neue Stellen

Was die Stellen betrifft, kamen über Nacht insgesamt 401,5 zusätzliche neue Stellen allein in den Ministerien und gut 2500 Stellen im nachgeordneten Bereich in den Haushalt. Das Wachstum in Regierung und Verwaltung insgesamt: 8750 Stellen. Die Oppositionsfraktionen staunten. Auch deshalb, weil Giffey die wundersame Stellenvermehrung in ihrem Ressort gar nicht so genau erklären konnte. Der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler berichtete, sie habe das Plus nicht näher begründen können. Nach der Personalliste, Ausschussdrucksache 2502, sind konkret nur 20 neue Stellen angeführt – für die Umsetzung des „Gute-Kita-Gesetzes“.

Vier Referatsleiterstellen (Gehaltsstufe B3) sind nicht näher erläutert, gleich 38 Stellen werden pauschal mit „strategische Planung und Konzeptentwicklung“ oder „diverse Aufgaben“ begründet, zehn Stellen mit „Bewirtschaftung Projektmittel“ ohne nähere Zuordnung. Der FDP-Haushälter Fricke unkt, da seien wohl einige „Umzugswagen“ vom Willy-Brandt- Haus, der Parteizentrale der SPD, in die Ministerien unterwegs. Zumal auch das Justizministerium unter Katharina Barley um elf Prozent wächst.

Der AfD-Abgeordnete Peter Böhringer glaubt schon die „Antizipierung von Neuwahlen“ zu erkennen, vor denen üblicherweise Mitarbeiter versorgt würden. Von einem „großen Selbstbedienungsladen“ spricht Gesine Lötzsch von den Linken. Deutlich mehr Stellen bekommen auch Gesundheitsminister Jens Spahn (plus neun Prozent) und Innenminister Horst Seehofer (plus acht Prozent). Insgesamt wächst das Personal der Ministerien um gut vier Prozent auf nunmehr 24577 Stellen.

Etat muss aus Rücklagen ausgeglichen werden

Ganz so rosig wie in den vergangenen Jahren sieht die Finanzierung des Etats 2019 nicht mehr aus. Aus Steuereinnahmen allein sind die Ausgaben in Höhe von 356 Milliarden Euro nicht gedeckt. Um die schwarze Null zu halten, also den Etat ohne neue Schulden auszugleichen, muss die schwarz-rote Koalition Vorräte anknabbern. So wird eine halbe Milliarde aus der Asyl-Rücklage entnommen (die bisher 24 Milliarden Euro umfasst und bei einem Überschuss 2018 noch wachsen wird, also noch lange als Rückversicherung taugt).

1,2 Milliarden kommen aus dem Energie-und-Klima-Fonds für die Energiewende, dessen Mittel nicht richtig abfließen. 1,3 Milliarden Euro hat die Regierung dank niedriger Zinsen zusätzlich in die Hinterhand bekommen, 350 Millionen müssen die Ressorts im Jahresverlauf irgendwie einsparen. Und da die geplante Mitfinanzierung der Ganztagsbetreuung an Grundschulen auf 2020 verschoben wird – weil es noch keine Einigung mit den Ländern gibt – hatte man plötzlich auch da noch zwei Milliarden Euro zum Stopfen des Lochs von sieben Milliarden Euro übrig.

„Der Haushalt ist strukturell nicht ausgeglichen“, resümiert Kindler. Lötzsch monierte, die Investitionen gingen zurück – das sei „rücksichtslos“. Insgesamt nahm die Koalition die Ausgaben um 400 Millionen Euro gegenüber dem Entwurf vom Sommer zurück.

Koalition ist zufrieden

Die Koalition ist dennoch mit sich zufrieden. Der SPD-Chefhaushälter Johannes Kahrs verteidigte den Personalaufwuchs: Wer mehr ausgeben wolle, müsse auch dafür sorgen, dass die zusätzlichen Mittel verwaltet werden könnten. Der CDU-Haushälter Eckhardt Rehberg verwies darauf, die Schuldenstandsquote Deutschlands sinke im kommenden Jahr wieder unter die Marke von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die der Euro-Stabilitätspakt vorgibt. Was allerdings auch daran liegt, dass einige Bundesländer zuletzt Schulden getilgt haben, im Gegensatz zum Bund.

Zudem habe man den Beförderungsstau bei der Bundeswehr aufgelöst. Das Vereidigungsministerium ist ohnehin großer Gewinner im Etat 2019: Ministerin Ursula von der Leyen kann 4,3 Milliarden Euro mehr ausgeben und damit eine Reihe von Rüstungsprojekten auf den Weg bringen. Und zusätzlich fünf Milliarden Euro sind ihr für die kommenden Jahre schon jetzt verbindlich in Aussicht gestellt.

Allerdings steht sie auch unter stärkerer Beobachtung der Opposition. Wegen der Fragwürdigkeiten bei millionenschweren Beraterverträgen, auch im Zusammenhang mit Beschaffungsprojekten, ist die CDU-Politikerin unter Druck. „Ein Untersuchungsausschuss im Bundestag rückt näher“, kündigte Kindler an.

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