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Werner Faymann erklärt seinen Rücktritt von allen Ämtern.
© REUTERS

Rücktritt von Werner Faymann: Worin sich Österreich und Deutschland ähneln

Bundeskanzler Werner Faymann tritt zurück, weil die SPÖ ihn nicht mehr stützen wollte. Jetzt wird über ein Zugehen auf die FPÖ diskutiert. Dabei kommt es auf etwas anderes an. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Die Regeln von Machterhalt und Machtverlust sind in allen Demokratien gleich. Deshalb ähneln sich die Diskussionen in Österreich und Deutschland gerade auch so sehr. Entweder hält die eigene Partei dem Regierungschef den Rücken frei, oder er muss sich sorgen, dass ihn die von hinten politisch meucheln, auf deren Unterstützung er angewiesen ist.

Angela Merkels Position ist schwierig geworden, nachdem drei Landtagswahlen für die CDU unerfreulich ausgingen und der rechte Parteiflügel ihr persönlich und ihrer Flüchtlingspolitik dafür die Schuld gab. Werner Faymann, Österreichs Bundeskanzler seit 2008, hat jetzt aus seiner noch desolateren Situation die Konsequenz gezogen und trat zurück. Nur zwei Wochen hat es seit der verheerenden SPÖ-Niederlage im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl am 24. April gedauert, um dem Regierungschef klar zu machen, dass er für seine – ohnedies viel zu spät kommenden – Reformprojekte keine Zeit mehr von der eigenen Partei bekommt.

Keine Antworten auf die Ängste der kleinen Leute

Arbeitswelt, Wohnen, Bildung, Flüchtlinge – dazu wollte Faymann seiner sozialdemokratischen Partei eine Strategiediskussion verordnen. Auf diesen eigentlich angestammten SPÖ-Themenfeldern hatte die Partei keine Antwort auf die Ängste der kleinen Leute gefunden. 72 Prozent der Arbeiter hatten am 24. April dem FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer ihre Stimme gegeben, nur 10 Prozent dem Spitzenmann der SPÖ.

Aber für die verharzten Genossen reichte dieses Warnsignal nicht. Bei ihnen gibt es bis in den großen Gewerkschaftsverband hinein plötzlich Stimmen, die für ein Zugehen auf die FPÖ plädieren und damit eine Kehrtwende der seit den Zeiten des sozialdemokratischen Kanzlers Franz Vranitzky geltenden Koalitionspolitik einläuten. Vranitzky, Kanzler von 1986 bis 1996, hatte jede Paktiererei mit den seit Haiders Zeiten noch brauner als früher eingefärbten Freiheitlichen abgelehnt.

Ob Norbert Hofer überhaupt im zweiten Wahlgang am 22. Mai aus seinen 34 Prozent vom ersten Wahlgang eine Mehrheit machen kann, ist ungewiss. Aber immerhin hatte er am 7. März in einem Interview noch gedroht, er würde Neuwahlen ansetzen, wenn er gewönne. Österreichs Bundespräsident ist da in einer starken Position, Hofer wäre zuzutrauen, dass er die herrschende rechtspopulistische Stimmung in Österreich ausnutzt, um einen FPÖ-Mann zum Kanzler wählen zu lassen. Zwar hat er diese Drohung jetzt kassiert, aber was dabei Überzeugung, was Taktik war, steht dahin.

Ein manifester Überdruss an der überkommenen Politik

Österreich erlebt in diesen Tagen jedenfalls, und da treffen sich wieder die Parallelen zu Deutschland, einen manifesten Überdruss an der überkommenen Politik. Seit 1945 gab es in unserem südöstlichen Nachbarland 19 Regierungen, die von ÖVP und SPÖ in wechselnden Mehrheiten gebildet wurden. Nur in 13 dieser 71 Jahre regierten ÖVP oder SPÖ alleine.

Das in Österreich weit verbreitete Gefühl, die da oben täten ohnedies, was sie wollen, oder täten eben nichts, gleich, wen man wählt, hat am Ende Werner Faymann hinweg gefegt. So weit ist Deutschland nicht. Aber was die AfD wachsen ließ, ist letztlich nichts anderes als das, was die FPÖ so stark machte.

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