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Update

Haushalt 2015 mit der schwarzen Null: Wolfgang Schäuble mahnt Einhaltung der Defizitgrenze in EU an

Während andere Eu-Staaten am Rande der Defizitgrenze sind, will der Bundestag heute den Haushalt 2015 verabschieden. Der Bundesetat soll erstmals seit Jahrzehnten ohne neue Schulden auskommen. Wie kann das funktionieren?

Schwarz ist eigentlich kein Farbton, der heiter macht. Und die Null ist üblicherweise keine Zahl, die beglückt – es sei denn als Superzahl im Lotto oder bei einem Fußballspiel ohne Gegentor. Wenn man Schwarz und Null aber zusammenfügt und ein politisches Projekt daraus macht, ist das offenbar etwas ganz anderes. Die schwarze Null ist vor allem das Projekt von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der ehrgeizig ist und seine immens lange politische Karriere zum Ende hin mit einem Coup krönen will – der haushaltspolitischen Schubumkehr sozusagen, der Abkehr von der stetig wachsenden Verschuldung, mit einem Haushalt, der erstmals seit Jahrzehnten ohne neue Schulden auskommen soll.

In Europa sind aber längst nicht alle so ehrgeizig. Das wurmt Schäuble. "Wir müssen alle dafür sorgen, dass wir uns an die europäischen Regeln halten und dass wir gemeinsam dafür Verantwortung tragen, dass das Wachstum besser wird“, sagte Schäuble am Freitag im Deutschlandfunk. Eine öffentliche Debatte darüber, dass einige Länder die Defizitgrenzen nicht einhalten, lehnte er ab. Die EU-Kommission sieht einem Reuters vorliegenden Entwurf zufolge das Risiko, dass Frankreich und Italien mit ihren Etatentwürfen für 2015 die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts verletzen könnten. Eine abschließende Bewertung soll erst im März erfolgen, wenn die endgültigen Budgetpläne und die Maßnahmen für Strukturreformen vorlägen.

Im Bundestag werden sich an diesem Freitag die Abgeordneten von CDU, SPD und CSU nach der Abstimmung auf jeden Fall zur historischen Tat beglückwünschen. Ob sie auch am Jahresende 2015 steht, die schwarze Null, ist fraglich. Denn es gibt durchaus Risiken. Und die schwarze Null ist auch glücklichen Umständen zu verdanken.

Was sind die glücklichen Umstände?

Dank der aktuell noch recht guten Wirtschaftslage mit abnehmender Arbeitslosigkeit sind die Steuereinnahmen schon 2014 ordentlich gewachsen, und 2015 dürfte das so weitergehen, auch wenn die Steuerschätzung im November die Annahmen vom Frühjahr nach unten korrigierte. So machten auch die Sozialkassen hohe Überschüsse, Schäuble konnte so den Zuschuss zum Gesundheitsfonds für die Krankenkassen um 2,5 Milliarden Euro gegenüber 2013 reduzieren. Der Zuschuss zur Rentenkasse wird um 500 Millionen fallen, ebenso die Zahlung für die Postbeamtenkasse. Zudem bekommt Deutschland im kommenden Jahr eine Rückzahlung aus Brüssel in Höhe von 2,1 Milliarden Euro – weil die an den Konjunkturprognosen ausgerichtete Vorauszahlung zu hoch war.

Welche Rolle spielen die Zinsen?

Eine ganz wesentliche. Die Zinsen, die der deutsche Staat für seine Obligationen und Anleihen zahlen muss, sind seit der Finanzkrise stetig gesunken. Das verringert sukzessive die Zinslast. Während 2008 noch mehr als 40 Milliarden Euro für Zinsen ausgegeben werden mussten, sind es jetzt trotz einer gestiegenen Gesamtverschuldung „nur noch“ 25 Milliarden Euro.

Diese günstige Entwicklung wird sich fortsetzen, denn die Ablösung alter Schulden durch neue Wertpapiere mit deutlich geringerem Zinssatz wird nach den Planungen im Finanzministerium noch Jahre weitergehen können. Schäuble nimmt an, dass die Europäische Zentralbank noch länger eine Niedrigzinspolitik fahren wird. Und die Investoren nehmen dem Bund zunehmend Niedrigzinspapiere mit längeren Laufzeiten ab. Hatten die Anleihen mit mittleren und längeren Laufzeiten (zwei bis 30 Jahre) vor der Krise einen Anteil am Gesamtausgabevolumen von etwa zwei Dritteln, sind es im laufenden Jahr 80 Prozent. 2015 ist von der Seite her also keine Gefahr zu erwarten. Doch könnte sich das Umfeld, ausgehend von den USA, auch schnell ändern. Dann wäre die Verstetigung der schwarzen Null weit über 2015 hinaus jedenfalls von der Zinsseite her nicht mehr so einfach zu schaffen wie nach dem aktuellen Ausblick.

Welches ist das größte Risiko?

Die Konjunktur. Sie könnte im kommenden Jahr schwächer ausfallen als zuletzt geschätzt. Ohnehin musste die Bundesregierung ihre Erwartungen vom Frühjahr kürzlich deutlich nach unten korrigieren und geht jetzt von einem Wachstum von 1,3 Prozent aus. Das könnte aber noch zu optimistisch sein. Die OECD senkte ihre Prognose gerade erst auf 1,1 Prozent, die Deutsche Bank geht sogar nur noch von 0,8 Prozent aus. Jede Dämpfung der Konjunktur kostet den Fiskus Einnahmen in Milliardenhöhe. Andererseits ist der Euro zum Dollar gefallen und könnte noch schwächer werden, was den deutschen Exporten nutzen wird, was umgekehrt zu höheren Einnahmen beim Staat führen würde. Viel hängt von der wirtschaftlichen Kraft auswärts ab: Die USA wachsen zwar wieder relativ stark, andererseits lassen die Wachstumsraten in den Schwellenländern nach.

Welches ist das zweitgrößte Risiko?

Die Koalition. Zwei Vorzeigeprojekte vor allem könnten sich zu Kostentreibern entwickeln. Sowohl die Rente mit 63, die offenbar viel stärker in Anspruch genommen wird als erwartet, als auch die Mütterrente werden zwar nicht über den Etat finanziert, sondern über die Rentenbeitragszahler. Doch dürfte sich angesichts der Mehrausgaben der Überschuss der Rentenversicherung in ein Defizit verwandeln, zumal der Beitragssatz sinkt. Der Bund müsste also nachschießen. Bleibt das Wachstum geringer als vorhergesagt, könnte zudem in der Koalition der Wunsch nach mehr Investitionen lauter werden. Weniger bei der Union, stärker bei den Sozialdemokraten, beginnend auf dem linken Flügel. Der hat schon in den Haushaltsverhandlungen gegrummelt, dass man eigentlich mehr ausgeben müsste – das Investitionspaket in Höhe von zehn Milliarden Euro ab 2016, das der Finanzminister verkündet hat, war auch eine Antwort darauf.

Was gibt die Schuldenbremse vor?

Für die Anhänger höherer Ausgaben (welchen Zweckes auch immer) ist verlockend, dass der Bund nach den Vorgaben der Schuldenbremse im Grundgesetz 2015 eigentlich gar keine schwarze Null schreiben müsste. Die maximal zulässige Neuverschuldung liegt im kommenden Jahr demnach bei 22,2 Milliarden Euro. Damit ließen sich einige Projekte und Wünsche der diversen Fachpolitiker verwirklichen – die gängigen Stichworte lauten derzeit „Infrastruktur“ und „Bildung“, aber die Sozialpolitiker werden schon noch kommen.

Den Tenor gibt schon jetzt die Opposition vor. Axel Troost, der finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion, etwa sagte dem Tagesspiegel: „Die Bundesregierung erweckt den Eindruck, als sei kein Spielraum für Investitionen da, und vertröstet die Bürger auf das Jahr 2016.“ Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage liest er sogar heraus, dass der Spielraum, den die Schuldenbremse lasse, in diesem Jahr bereits 28 Milliarden Euro betrage. Auch in den zurückliegenden Jahren seien weniger Schulden aufgenommen worden, als möglich gewesen wäre. Troost errechnet daraus eine „Investitionslücke“ in dreistelliger Milliardenhöhe. „Heute lässt sich die Bundesregierung für die schwarze Null feiern, rückblickend wird ihre Leistung jedoch an einer verfallenen Infrastruktur gemessen werden, welche die Investitionslücke von aktuell über 114 Milliarden Euro zu verschulden hat“, sagte er.

Die schwarz-rote Koalition dagegen sieht im vorzeitigen Erfüllen des ausgeglichenen Haushalts ein Signal. Schwarz-Rot möchte für eine solide Haushaltspolitik stehen und so die Lasten kommender Generationen geringer halten. Denn trotz der Null bei der Neuverschuldung ist die Schuldenlast ja nicht wesentlich geringer geworden. Sie liegt weiterhin bei etwa 75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Gerade für Wolfgang Schäuble und die Union ist das Halten der schwarzen Null – nicht nur 2015, sondern bis ins Wahljahr hinein – die Basis für einen weiteren Wahlerfolg. Aber der erfahrene Bundesfinanzminister weiß auch, dass das Gelingen großer Projekte eine Schattenseite hat. „Der Erfolg birgt immer die Gefahr in sich, dass er sich selbst wieder auffrisst“, sagte er unlängst.

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