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Wolfgang Schäuble.
© dpa

Haushaltsdebatte im Bundestag: Wolfgang Schäuble - mächtig wie nie

Wolfgang Schäuble schaut in der Haushaltsdebatte zufrieden zurück auf seine bisherige Amtszeit. Kein Finanzminister war je so mächtig wie er. Und niemand macht ihm das streitig.

Nun hat er abgegeben – nicht sein Amt natürlich, aber eine Aufgabe: Wolfgang Schäubles Verantwortung für den Bundeshaushalt 2016 ist mit der Einbringung in den Bundestag am Dienstagmorgen formal vorerst zu Ende gegangen. Nun hat das Parlament das Sagen, bis November dürfen die Abgeordneten debattieren, was sich eventuell noch ändern soll am Entwurf des Bundesfinanzministers. Es wird nicht viel sein, auch wenn Carsten Schneider, der oberste Haushaltspolitiker der SPD, in der ersten Lesung des Etats ankündigte, dass "der Drops noch nicht gelutscht sei", dass seine Fraktion noch einige Änderungen wolle, nicht zuletzt bei der Kita-Förderung. Und dass man für die Flüchtlinge, für die Kommunen wohl noch mehr einplanen müsse.

Aber allzu deutlich werden die Abgeordneten den Etatentwurf nicht mehr verändern. Unter Schäuble als Finanzminister ist der Bundestag, ist die Legislative bei der Haushaltsaufstellung noch weiter in den Schatten der Ministerien, der Exekutive geraten, als es zuvor schon der Fall war. Und das heißt: vor allem in den Schatten eines sehr mächtig gewordenen Bundesfinanzministeriums, das den Einzelressorts zwar ihre Freiheiten gönnt, aber die großen Züge der Etatgestaltung immer stärker dominiert. Das Verfahren, „top down“ genannt, bedeutet, dass wesentliche Entscheidungen lange vor der Einbringung ins Parlament gefallen sind. Schäuble lobt diese Entwicklung, diese Politik der Vorgaben „von oben“ aus seinem Ressort – die natürlich, das ist der Unterton, mit der Stärke des jeweiligen Ministers steht und fällt. Schäuble stellt sich so, in aller Bescheidenheit, als mächtigster Finanzminister in der Geschichte der Bundesrepublik vor die Abgeordneten. In der Unionsfraktion sieht man das gern.

Unangefochten wie selten

Der bald 73-jährige Schäuble ist unangefochten wie selten in seiner Karriere. Es mag zwar welche geben, die schon im vorigen Jahr meinten, das müsse nun wohl die letzte Haushaltsrede gewesen sein. Nach mehr als 40 Jahren im Parlament, nach vielfältigen Verwendungen in Partei, Fraktion, Regierung - müssten da nicht mal Jüngere ran? Wäre nicht der historische Moment, 2014 nach Jahrzehnten wieder einen ausgeglichenen Bundeshaushalt geschafft zu haben, ein guter Moment für einen Rücktritt, den Rückzug in die zweite Reihe gewesen?  Aber Schäuble blieb und bleibt. Und wer in der CDU sollte ihm auch nachfolgen? Selbst im Kreis der Haushaltspolitiker der Union wird zugestanden, dass sich keiner wirklich aufdrängt. Nicht dass Schäuble mögliche Konkurrenten weggebissen hätte – es ist schlicht so, dass Alter, Erfahrung, Kompetenz mittlerweile fast erdrückend wirken. Schäuble ist Minister auf Dauer. Der bleiben will, bleiben soll, bleiben muss.

Und so klang die Rede am Dienstag keineswegs nach Vermächtnis oder Abschied, sondern nach munterem Weitermachen. Auch wenn der Hauptteil weniger den Zahlen und Details des kommenden Etats galt als der lobenden Nachbetrachtung zur eigenen Haushaltspolitik der vergangenen Jahre. Die Schäuble auch für zukunftsweisend hält. Es ist die schwarze Null, die als Leitstern schwarzer Haushaltspolitik mindestens bis 2017 dienen soll. Die Politik der Konsolidierung, des sparsamen Haushaltens, des Investierens erst im zweiten Schritt, wenn man das Geld sicher verplanen kann. Die Politik ohne neue Schulden. Was bislang durchaus auf einen breiten Konsens stieß, verkauft Schäuble nun als Credo allein seiner Partei. Das auch angesichts der Herausforderung der steigenden Flüchtlingszahlen gilt, die laut Schäuble dank der aktuell über Plan liegenden Einnahmen zu stemmen ist. Dass die jetzt veranschlagten drei Milliarden Euro mehr im Etat für 2016 möglicherweise gar nicht reichen werden, lässt Schäuble weg. Immerhin deutet er an, dass in einem Nachtragshaushalt die Pläne für die kommenden Jahre wohl doch etwas angepasst werden müssten. Aber es klingt betont undramatisch. Deutschland ist laut Schäuble in der Lage, das Flüchtlingsproblem zu lösen, weil es sozusagen vorgesorgt hat: „Wir sind in der Lage, auf die Situation angemessen zu reagieren, weil wir die finanziellen Spielräume geschaffen haben. Das ist das Resultat konsequenter Haushaltssanierung.“  Was freilich an die Adresse des Bundestages heißt: Höhere Ausgaben für andere Aufgaben wären vielleicht drin gewesen, sind es jetzt aber nicht mehr.

"Schulden bringen kein nachhaltiges Wachstum"

Im Übrigen bringe eine Verschuldungspolitik kein nachhaltiges Wachstum, sondern produziere nur Finanz- und Schuldenkrisen, doziert Schäuble. Man könne Wachstum nicht „mit Gewalt“ erzwingen. „Welche Lage hätten wir in Europa und außerhalb, wenn Deutschland nicht für Stabilität stehen würde?“ Überall sieht Schäuble die Gefahr von Blasen und Fehlinvestitionen, nur im sicheren Heimathafen schlagen die Wellen nicht so hoch. Doch er weiß, dass das nicht so bleiben muss. Nicht seinetwegen, andere sind die Gefahr. Die Feinde der deutschen Stabilität – sie sitzen in den Notenbanken. Schäuble rechnet zwar mit einer „längeren Phase niedriger Zinsen“, das sieht er ganz realistisch, aber das Ziel müsse sein, die expansive Geldpolitik der Zentralbanken abzustellen. Das richtet sich vor allem gegen Janet Yellens Fed in den USA und Mario Draghis EZB. Die ihre Politik allerdings nicht allein an Schäubles Haushaltsdaten orientieren.

Und die seine Kritik vielleicht sogar als unfair empfinden. Denn der deutsche Finanzminister verschweigt gern einen nicht unwesentlichen Punkt der Notenbankpolitik. Auch am Dienstag. Ausgerechnet der eigene Koalitionspartner reibt ihm das unter die Nase. Weil das Schäuble'sche Haushaltswunder schließlich auch ein Produkt jener Niedrigzinspolitik war und ist, die der Minister nun beendet sehen will, bevor sie ihre schädlichen Seiten auch in Deutschland zur Entfaltung bringen kann. Carsten Schneider verweist auf die „wahnsinnige Entlastung“ bei den Zinsen, welche dazu beigetragen habe, dass die schwarze Null im vorigen Jahr schon Wirklichkeit wurde. Deutschland profitiere davon, betont Schneider, es sei ein Geschenk der Notenbanken gewesen, und daher sei es „wohlfeil“, sie jetzt dafür zu kritisieren. Ohne deren expansive Politik „hätten wir die Finanzkrise niemals bewältigt“. Der schwache Euro, auch ein Ergebnis niedriger Zinsen, nutze dem deutschen Export, dem Wachstum und den Steuereinnahmen. Und damit, so Schneiders unausgesprochener Hinweis, dem Bundesfinanzminister.

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