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Flüchtlinge stehen in der Erstaufnahmeeinrichtung im nordhessischen Calden vor einem Container, aus dem Spenden ausgegeben werden.
© dpa

Flüchtlinge: Im Labyrinth der Kosten

Die Ausgaben für die Asylbewerber steigen – der Bund soll mehr Lasten tragen. Das wird Folgen haben.

Flüchtlinge, Bund-Länder-Finanzen, Betreuungsgeld: Die drei Hauptthemen im Koalitionsausschuss am kommenden Sonntag scheinen auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun zu haben. Vorrangig geht es um die mit den Flüchtlingszahlen steigenden Ausgaben und deren Aufteilung. Dafür hat die Union am Mittwochabend eigens einen 12-Punkte-Plan vorgelegt. Aber die Flüchtlingsthematik könnte gravierende Folgen haben für die anderen Punkte. Und weil die Kosten dafür eine schwer vorhersagbare Dynamik haben, könnten sie am Ende sogar ein Hauptziel der großen Koalition, den dauerhaft ausgeglichenen Haushalt, gefährden.

Deshalb haben die führenden Haushaltspolitiker der Koalition nach ihrer Klausur am Dienstag ein klares Signal gesetzt: Die schwarze Null soll nicht nur in diesem, sondern auch im kommenden Jahr gehalten werden. 2015 dürfte das zu schaffen sein. Der Bund liegt derzeit mit fünf Milliarden Euro über Plan, dank guter Steuereinnahmen. Damit lassen sich steigende Flüchtlingskosten in diesem Jahr wohl stemmen. Kritischer sieht es für 2016 aus. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat im Haushaltsplan die Ausgaben schon gesteigert. Ob die Einnahmen weiterhin überschießen, ist nicht sicher. Ohne neue Schulden müssen die Flüchtlingskosten daher zum Teil über die Ressortetats gedeckt werden. Ein auffälliger Posten ist die Summe, die für das Betreuungsgeld eingeplant war. Mittelfristig eine Milliarde Euro im Jahr. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Auszahlung gekippt hat, kann die Koalition sie neu verwenden.

Beim Betreuungsgeld bahnt sich ein Koalitionsstreit an

Doch wofür? Hier bahnt sich ein Koalitionsstreit an. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) fordert, mit dem Geld den Ausbau der Kitas zu fördern. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) verlangt, die Mittel an die Länder zu geben, damit diese damit Familienpolitik machen können (in Bayern also über ein Landesbetreuungsgeld). Doch das Bundesfinanzministerium hat offenbar andere Vorstellungen. Der Parlamentarische Staatssekretär Jens Spahn (CDU) verwies auf „ungeplante Mehrausgaben“ nicht zuletzt beim Elterngeld in Höhe von 800 Millionen Euro. Sozialministerin Andreas Nahles (SPD) hat gerade erst Mehrausgaben für Sozialleistungen und Integration von Flüchtlingen zwischen 1,8 und 3,3 Milliarden Euro für 2016 angemeldet. Das schmälert den Spielraum für weitere familienpolitische Ausgaben. Sowohl Schwesig als auch Seehofer müssten dann wegen gestiegener Flüchtlingsausgaben des Bundes und Hilfen an die Länder zurückstecken.

Doch was muss Schäuble einplanen, um Länder und Kommunen zu entlasten, die über steigende Flüchtlingskosten klagen? Der brandenburgische Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) rechnet mit Kosten für die Erstaufnahme eines Flüchtlings von 1000 bis 1200 Euro im Monat. Nimmt man die Prognose von 800 000 Asylanträgen in diesem Jahr und geht von drei Monaten Aufenthalt in der Erstaufnahme aus, so das ehrgeizige Ziel, dann kämen rein rechnerisch Kosten von 2,4 bis 2,9 Milliarden Euro zusammen. Auf das Gesamtjahr berechnet wären es zehn bis knapp zwölf Milliarden Euro. Irgendwo dazwischen werden die tatsächlichen Ausgaben wohl liegen. Den größeren Teil, so Woidkes Forderung, solle der Bund übernehmen. Bisher zahlen die Länder.

Die Kommunen fordern den Ausbau der Erstaufnahmeeinrichtungen durch die Länder

Würde der Bund sich bei den Erstaufnahmeeinrichtungen engagieren, könnten auch die Kommunen entlastet werden. Die fordern seit Monaten, dass diese Einrichtungen von den Ländern ausgebaut werden und vor allem chancenlose Asylbewerber dort bleiben, bis ihre Anträge abgearbeitet sind. Dann kämen deutlich weniger Flüchtlinge auf die Kommunen zu, deren Lasten würden sinken. Das würde bedeuten, dass der Bund keine direkten Hilfen an die Kommunen zahlen müsste – wofür man eine Grundgesetzänderung bräuchte. Die bringt jetzt zwar auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ins Gespräch. Doch ob genügend Länder mitziehen, ist unklar. Wenn der Bund den Ländern bei den Flüchtlingen stärker hilft – will er ihnen dann auch beim Finanzausgleich nochmals entgegenkommen?

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