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Die deutsche Wirtschaft brummte zuletzt kräftiger als erwartet. Das lässt die Steuereinnahmen wachsen.
© dpa/ Daniel Reinhardt

Bund, Länder und Kommunen: Wohin mit Deutschlands vielem Geld?

Der Bund macht Überschüsse und hat Rücklagen. Eine neue Groko will Kommunen und Länder finanziell unterstützen, die auch Überschüsse haben. Ist das gesamtstaatlich geboten?

Manchmal entwickeln sich die Dinge ziemlich schnell. Als nach der Bundestagswahl über den finanziellen Spielraum einer neuen Regierung bis 2021 spekuliert wurde, machte eine Zahl die Runde: etwa 30 Milliarden Euro. Als die am Freitag ihr Nachtsitzungsergebnis präsentierten, waren es plötzlich 46 Milliarden Euro. Eine neue Groko hat also einiges an Pulver zur Verfügung – und es stellt sich die Frage, ob es in der Kürze der Verhandlungszeit nun klugen Verwendungen zugeführt oder aber einfach verschossen wird nach dem Motto: Geld ist da, Geld muss weg.

Wie steht der Bund finanziell da?

Dass der Spielraum auf 46 Milliarden Euro gewachsen ist, erklärt man im Bundesfinanzministerium nicht zuletzt mit dem starken Wachstum im zweiten Halbjahr 2017. Die deutsche Wirtschaft brummte zuletzt kräftiger als erwartet. Das lässt die Steuereinnahmen wachsen und hat dem Bund schon ein deutliches Mehr im abgelaufenen Jahr beschert. Die Steuereinnahmen, die der geschäftsführende Ressortchef Peter Altmaier jetzt verkünden konnte, lagen um 8,3 Milliarden Euro höher als Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble zu Jahresbeginn 2017 veranschlagt hatte.

Auch in den kommenden Jahren werden die bisherigen Steuerschätzungen übertroffen werden. Weil die Ausgaben des Bundes, zum Beispiel für Zinsen, um immerhin 3,3 Milliarden Euro geringer waren als geplant, hat sich im Vorjahr wieder ein ordentlicher Überschuss ergeben. Ausgaben in Höhe von 325,8 Milliarden Euro standen Einnahmen in Höhe von 331 Milliarden Euro gegenüber – ein Plus von 5,3 Milliarden also. Die fließen in die Rücklage zur Finanzierung der Flüchtlingskosten, die damit nochmals anwächst. Im Haushaltsplan waren noch 6,7 Milliarden Euro aus der Rücklage zur Etatdeckung vorgesehen, was aber nicht mehr nötig war.

Das bedeutet: Der Bund hat jetzt eine Rücklage im Volumen von fast 24 Milliarden Euro angesammelt. Das sind immerhin sieben Prozent der für 2018 geplanten Ausgaben. Zwar ist ein Teil davon für den Etatausgleich der nächsten beiden Jahre vorgesehen – aber das war ja auch 2017 der Fall, ohne dass man das Geld dafür brauchte.

Wie will eine neue Groko die Spielräume nutzen?

Von dem Spielraum von exakt 45,95 Milliarden Euro werden laut Sondierungsergebnis vom Freitag zehn Milliarden für die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für den Großteil der Steuerpflichtigen verwendet (aber nicht vor 2020). Den „Soli“ nimmt der Bund allein ein, die Abschaffung geht damit auch allein auf seine Kappe. Auch die Erhöhung des Verteidigungsetats um nochmals zwei Milliarden Euro ist eine Finanzierung in eigener Sache, so wie die Erhöhung der Bafög-Mittel um eine Milliarde Euro (die Studentenförderung betreibt der Bund seit 2015 ohne die Länder).

Für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt sollen vier Milliarden Euro mehr ausgegeben werden als bisher geplant – hier hat der Bund den Kommunen unter die Arme gegriffen, als er diese Leistungen stärker zu finanzieren begann. Mitfinanzierungen bei Aufgaben der Länder und der Kommunen machen einen erheblichen Teil des Groko-Ausgabenpakets aus. Da soll der Hochschulpakt über 2020 hinaus verlängert werden (600 Millionen Euro) und auch der seit Jahrzehnten bestehende Dauerzuschuss des Bundes im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes, nun aber erhöht (eine Milliarde Euro). Dass für regionale Strukturpolitik und ländliche Räume Zusatzmaßnahmen in Höhe von drei Milliarden Euro vorgesehen sind, darf wohl ebenfalls unter dem Titel Länder- und Kommunalförderung verbucht werden.

Auch die 3,5 Milliarden Euro für die Verbesserung der Kita-Betreuung und die zwei Milliarden Euro für ein „Programm Ganztagsschule/Ganztagsbetreuung“ sind eine weitere Geldübertragung an Länder- und Kommunaletats. Das gilt grundsätzlich auch für die zusätzlichen zwei Milliarden für den sozialen Wohnungsbau. Der dickste Brocken aber sind die acht Milliarden Euro, die als „Fortsetzung kommunale Programme“ firmieren. Schon jetzt hat der Bund bis 2020 insgesamt sieben Milliarden Euro für finanzschwache Kommunen eingestellt (je zur Hälfte als Finanzhilfen und als Zuschuss für die Sanierung von Schulbauten).

Auch Integrationskosten und die Ausgaben der Länder und Kommunen für die Kinderbetreuung finanziert der Bund zum Teil mit. Um die nun zusätzlich fließenden acht Milliarden Euro besser verteilen zu können, soll per Grundgesetzänderung die Bundesmitfinanzierung bei „Bildungsinfrastruktur“ nicht auf finanzschwache Kommunen begrenzt bleiben, sondern auf alle ausgedehnt werden.

Kurzum: Von den knapp 46 Milliarden Euro Spielraum wird ein knappes Drittel zur Entlastung der Steuerzahler beim „Soli“ und beim Kindergeld genutzt, mehr als 40 Prozent sind für die Unterstützung der Länder und Kommunen eingetragen – der kleinere Rest bleibt für eigentliche Bundesaufgaben.

Wie kommt der Sondierungsplan für die Finanzen an?

Da nahezu alle Ministerpräsidenten von Union und SPD an den Sondierungsgesprächen beteiligt waren, kann man annehmen, dass die Richtung aus ihrer Sicht stimmt – auch wenn einige Sozialdemokraten nun Nachbesserungen verlangen. Auch aus den Kommunalverbänden war eher Zustimmung als Ablehnung zu vernehmen. Dass die Chefs des Deutschen Städtetages, Markus Lewe und Ulrich Maly, der eine CDU, der andere SPD, das Sondierungsergebnis mit dem Satz kommentierten, es zeige sich „eine Reihe von Ansätzen für ein kommunalfreundliches Handeln“, darf als Untertreibung der Woche gelten.

Sie lobten auch, dass sich der Bund über bisherige Hilfen hinaus nun auch um die Entschuldung von besonders klammen Städten mit hohen Kassenkrediten und Altschulden beteiligen will (deren Finanzsituation, sollte man anfügen, zum Teil das Ergebnis der Sozialgesetzgebung des Bundes ist). Union und SPD hätten die Bedeutung der kommunalen Ebene klar erkannt, sekundierte der Städte- und Gemeindebund.

Etwas anders sieht das Fazit beim Landkreistag aus. Dessen Vizepräsident Rolf Christiansen, Landrat im Kreis Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern, sagte dem Tagesspiegel, ihm als Kommunalpolitiker komme es darauf an, eigenverantwortlich gestalten zu können. „Ich halte es auf Dauer für wenig erfolgversprechend, uns in den Kommunen im Rahmen von Finanzprogrammen dann und wann mit Finanzspritzen zu alimentieren. Landkreise und Gemeinden sollten stattdessen ein größeres Stück vom gesamten Steuerkuchen erhalten.“ Der Landkreistag, der vor allem Adressat der Programme für ländliche Räume und den Breitbandausbau sein wird, sieht die mehr oder weniger lenkende Programmfinanzierung durch den Bund seit längerem kritisch.

Verbandspräsident Reinhard Sager beklagte denn auch „erhebliche Einwirkungs- und Kontrollrechte des Bundes bei kommunalen Aufgaben“ im Sondierungsergebnis. „Statt weiteren Mitfinanzierungen insbesondere im Schulbereich, aber auch im Wohnungsbau und bei der Verkehrsfinanzierung müssen die Parteien den Mut finden, zu einer Stärkung der kommunalen Steuerbasis zu gelangen“, fordert Sager.

Muss der Bund überall mitfinanzieren?

Angesichts der Haushaltslage aller staatlichen Ebenen stellt sich die Frage, ob der Bund mit Geld aus seinem Etat wirklich noch zusätzlich bei Ländern und Kommunen einspringen muss. Denn diese haben seit 2015 ebenfalls Überschüsse, im vorigen Jahr lagen sie sogar stärker im Plus als der Bund. Das Statistische Bundesamt ermittelte für 2017 einen Überschuss der Länder von 15,6 Milliarden Euro und einen Überschuss der Kommunen von 9,8 Milliarden Euro. Da die Statistiker etwas anders rechnen als die Finanzministerien, könnten die Zahlen nach Vorliegen als Haushaltsabschlüsse demnächst sogar noch höher sein.

Dass große Plus der Länder und Kommunen resultiert nicht nur aus der guten Wirtschaftslage – es ist auch Ergebnis der Entlastungen durch den Bund. Einige Länder tilgten mit dem Geld des Bundes ihre Schulden, grummelt man im Bundesfinanzministerium. Ohne Entlastungen und Mitfinanzierungen durch den Bund aber sähe es in Ländern und Kommunen schlechter aus, im Bund dagegen läge der Überschuss noch höher. Was zu der keineswegs abwegigen Frage führt, die in den Sondierungen keine Rolle gespielt hat: Stimmt eigentlich die Steuerverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen noch? Oder müsste hier nicht korrigiert werden, weil der Bund schlicht und einfach auf zu viel Geld sitzt, das er im eigenen Etat gar nicht verbraten kann?

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