Die AfD liegt vorn, ist aber nicht allein: Wo die deutschen Impfgegner ideologisch einzuordnen sind
Die Bereitschaft zum Impfen steigt laut Umfragen. Uneinig sind sich Demoskopen, wie stark. Und wo die Skeptiker weltanschaulich stehen. Eine Datensuche.
Die geringe Impfwilligkeit von Kranken- und Pflegepersonal füllt Schlagzeilen. Und das, obwohl jüngste Umfragen ergeben: Die Bereitschaft der Deutschen, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, ist im Vergleich zum November und Dezember gestiegen.
Laut Politbarometer wollen das zwei Drittel tun, 16 Prozent mehr als vor zwei Monaten. Doch die ideologische Verteilung der Skeptiker gibt weiter manche Rätsel auf.
Der Deutschlandtrend vor einer Woche wies in die gleiche Richtung, aber nicht so eindeutig. Zwar lag dort die Summe der Menschen, die das auf jeden Fall (54 Prozent) oder wahrscheinlich (21) vorhaben, bei Dreiviertel.
Aber der Anteil derer, die sich bestimmt impfen lassen wollen, war nur geringfügig höher als im alten Jahr. In einer Allensbach-Umfrage im Dezember waren es 52 Prozent, und in einer Erhebung der Barmer Ersatzkasse von Ende November 53 Prozent.
Immerhin hat sich die Zahl derer, die die Impfung ablehnen, im Politbarometer von 20 Prozent im November auf nun zehn Prozent halbiert. Der Zuwachs an Impfwilligen um 16 Prozentpunkte speist sich in höherem Maß aus vormaligen Gegnern, in geringerem aus zuvor Unentschlossenen.
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Der Deutschlandtrend dagegen misst die Hauptverschiebung – um 13 Prozentpunkte – bei denen, die sich zuvor wahrscheinlich und nun sicher impfen lassen wollen. Der Rückgang bei Skeptikern und Gegnern ist geringer: nur je drei Prozentpunkte bei denen, die sich auf keinen Fall oder wahrscheinlich nicht impfen lassen.
Wie aber verteilen sich Impfwille und Impfskepsis über die politischen Lager? Da weisen die Erkenntnisse von Demoskopen und Sozialwissenschaftlern im Großen und Ganzen in eine ähnliche Richtung. In Details und in der Interpretation weichen sie aber in mitunter erstaunlicher Weise voneinander ab. Das gilt besonders bei der Einschätzung der Anhängerschaft von Grünen, der FDP und der Linken.
Zunächst zu den Zahlen. Laut Politbarometer ist die Bereitschaft zum Impfen bei Wählern der Union (80 Prozent), der Grünen (77) und der SPD (76) am höchsten. Deutlich geringer ist sie bei Anhängern der FDP (58) und der Linken (55), am geringsten bei denen der AfD (32).
Umgekehrt betrachtet liegen die Zahlen bei der Ablehnung der Impfung nicht ähnlich weit auseinander, abgesehen von der AfD (41 Prozent). Sie reichen von zwei Prozent bei der Union bis zu zehn bei der Linken und 12 bei der FDP. Dafür ist die Zahl der angeblich Unsicheren bei Wählern der Linken (34) und der FDP (30) überdurchschnittlich hoch. Sind sie wirklich unentschlossen oder ist dies - nach dem Mechanismus der Schweigespirale - eine Ausflucht derer, die sich nicht impfen lassen wollen, das aber nicht bekennen möchten?
Im Deutschlandtrend waren die Tendenzen vor einer Woche ähnlich. Hohe Impfbereitschaft bei der SPD (78 Prozent auf jeden Fall / 14 Prozent wahrscheinlich), etwas geringer bei Grünen (66/20) und Union (65/20), gefolgt von der FDP (61/19). Deutlich niedriger bei Die Linke (47/32) und minimal bei der AfD (18/23).
Die Ablehnung der Impfung ist im Deutschlandtrend nur bei AfD (42) und Die Linke (13) zweistellig. Auch der Anteil der angeblich Unentschlossenen, die mit wahrscheinlich ja oder wahrscheinlich nein auf die Impffrage antworten, ist bei Anhängern der AfD und der Linken höher als bei anderen Parteien.
Allensbach fand viele Impfgegner bei der FDP
Allensbach hatte im Dezember etwas andere Werte gemessen. Damals war die Impfwilligkeit generell geringer: 52 Prozent wollten sich impfen lassen, 27 nicht, 21 sagten, sie seien unentschieden. Auch in dieser Umfrage war die Bereitschaft bei Wähler der SPD (63 Prozent) und der Union (61) am höchsten. Bei der Ablehnung stachen Anhänger der AfD (66 Prozent) heraus, dort aber gefolgt von denen der FDP (47) und der Linken (32).
In dieser Richtung verschiebt sich auch das Bild, wenn man Demoskopen nicht nach gemessenen Wert zur Parteipräferenz fragt, sondern danach, im Bereich welcher Weltanschauungen sie Impfgegnerschaft und Impfskepsis in Deutschland generell verorten. Es sei ein sehr bunter Mix, darunter Leute, die sich ideologisch schwer fassen lassen. Doch es stechen die ganz Rechten, die ganz Linken und die Verfechter eines fragwürdigen Verständnisses von Liberalismus hervor.
Uneinig sind die Demoskopen bei einer vierten Gruppe: Esoteriker, Anhänger von Homöopathie und alternativer Heilpraktiken. Manche Demoskopen sprechen von einer hohen Überschneidung dieser Gruppe mit der Ablehnung des Impfens und generell der Corona-Auflagen.
Sie vermuten weiter, dass diese Menschen am ehesten eine Präferenz für die Grünen oder, wegen einer speziellen Spielart des süddeutschen Protestantismus, etwa in Württemberg, für christliche Parteien haben. Eine solche Nähe haben auch journalistische Recherchen ergeben. Andere Demoskopen weisen darauf hin, dass die Umfragen keine klaren Aussagen darüber zulassen.
An sozialwissenschaftlichen Studien fehlt es offenbar noch. Fachleute verweisen auf eine Studie der Universität Basel unter Teilnehmern an Coronaprotesten in Süddeutschland und der Schweiz, die im Dezember publiziert wurde.
Die Ergebnisse sind wegen der unbefriedigenden Rücklaufquoten der Fragebögen eingeschränkt repräsentativ. Sie geben nach Angaben des Fachbereichs Sozialwissenschaften einen groben Überblick. Das Ergebnis im Bezug auf Parteipräferenzen der Protestler: Grüne (23 Prozent), Die Linke (18), AfD (15), Union (10), FDP (7), SPD (6). 21 Prozent gaben alternative Splitterparteien an wie Die Partei, ÖDP, Tierschutzpartei.
Ist das ein Widerspruch zu den repräsentativen Meinungsumfragen von Politbarometer und Deutschlandtrend? Ja und Nein, erklären die Demoskopen. Er ist jedenfalls nicht so groß, wie es auf den ersten Blick scheinen mag.
Anzahl der Wähler macht auch einen Unterschied
Es macht einen Unterschied, ob man danach fragt, wie viel Prozent der Anhänger einer Partei gegen Impfungen sind, oder ob man innerhalb der Gruppe der Impfgegner die Parteienpräferenz abfragt.
Wenn, ein reines Rechenbeispiel, der prozentuale Anteil unter Grünen halb so hoch wäre wie unter Anhängern der AfD oder der Linken, dann wären die Gruppen, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, etwa gleich groß. Denn die Grünen haben prozentual doppelt so viele Anhänger wie die AfD und zweieinhalb mal so viele wie Die Linke.
Vergleicht man das Gewicht der Impfgegner in der AfD oder der Linken mit denen in der Union, wäre der korrigierende Mutiplikationsfaktor 3,7 und 4,6. Im Grunde müsste man alle Werte für die Prozentsätze der Impfwilligen und Impfgegner in den Parteien nach dem Parteianteil an der Gesellschaft gewichten, um zu aussagekräftigen Werten über ihren Anteil an der Gesamtbevölkerung zu kommen, sagen Fachleute.