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Der australische Premier Tony Abbott und der russische Präsident Wladimir Putin halten zwei Koalabären im Arm.
© AFP

G-20-Gipfel: Wladimir Putin und der Westen: Gesicht wahren

Um den Ukraine-Konflikt zu lösen, muss die EU Wladimir Putin eine gesichtswahrende Lösung anbieten, meint unser Autor. Doch vom eigenen Standpunkt abweichen sollte der Westen nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hans Monath

Wladimir Putin hat in Brisbane einen Koalabären auf den Arm genommen und gelächelt, das ist wahr. Doch die Szene mit dem Beuteltier ist das einzig Herzerwärmende, was über das Verhalten des russischen Präsidenten auf dem G-20-Gipfel bekannt wurde. Die übrigen Nachrichten und Zeichen aus Brisbane sind nicht kuschelig. Sie führen direkt in die politische Kältezone.

Bevor Putin vorzeitig abreiste – um zu arbeiten, wie er sagte –, stand er beim Abschlussfoto des Gipfels am Rande wie ein Paria der Weltgemeinschaft. Anzeichen für ein Einlenken in der Ukrainekrise hat er nicht zu erkennen gegeben. Im Gegenteil: Wieder verstärkt Moskau seine Truppen an der russischen Westgrenze. Seinen Gastgebern empfohlen hatte sich der Präsident, indem er Kriegsschiffe an die australische Küste schickte.

Wer solche Signale als Mätzchen eines Macho-Politikers abtut, verkennt ihre politische Bedeutung. Offenbar braucht Putin nun auch Kanonenboot-Diplomatie, um zu Hause Stärke zu demonstrieren. Denn er hat keine Verbündeten gegen den Druck des Westens gefunden beim asiatisch-pazifischen Gipfel-Marathon, der in Peking begann und in Brisbane endete.

Schon vor mehr als zwei Wochen demonstrierte Russlands Führung militärische Stärke, als sie Langstreckenbomber und Kampfjets an die Grenzen des Nato-Luftraums schickte. Womöglich bleibt Putin wenig mehr als solche Manöver, um sein Volk zu beeindrucken.

Hab dich ganz doll lieb. Wladimir Putin knuddelt beim G-20-Gipfel einen Koalabär.
Hab dich ganz doll lieb. Wladimir Putin knuddelt beim G-20-Gipfel einen Koalabär.
© dpa

Die russische Wirtschaft ächzt unter den Sanktionen

Seit der Ankündigung der Sanktionen kämpft das Land mit Kapitalflucht. Anleger investieren kaum noch, der Kurs des Rubels fällt, der Ölpreis ebenso. Die Erlöse aus den Energieexporten aber sind überlebenswichtig für ein Regime, das vor der Aufgabe der Modernisierung auf ganzer Linie versagt hat. Zudem muss Moskau den prorussischen Separatisten in der Ostukraine Milliardensummen überweisen, wenn diese nach dem Kollaps der regionalen Wirtschaft nicht nur ein Armenhaus verwalten sollen. Ihre Anhänger haben nämlich nicht gekämpft, um arbeitslos zu werden. Genau deshalb kappt nun der ukrainische Präsident Petro Poroschenko alle staatlichen Leistungen für das Separatistengebiet. Er will Moskaus Kosten erhöhen – freilich um den Preis, dass er die Abspaltung der Ostukraine faktisch anerkennt und ihre Bewohner zu Geiseln in einem gefährlichen, zynischen Machtspiel macht. In dem geht es darum, wer es länger aushält, Menschen leiden zu lassen.

Angela Merkel, die in Brisbane wieder stundenlang mit Putin verhandelte, soll mit ihrer Geduld allmählich am Ende sein. Weiterverhandeln wird sie trotzdem. Bislang hat sie jede symbolische Provokation aus Russland ins Leere laufen lassen. Politisch ist das klug, denn eine rhetorische Eskalation würde nur Putins Propaganda vom aggressiven Westen neue Nahrung geben.

Doch weder diese Klugheit noch die Sanktionen haben Putin bislang dazu bewegt, die Versprechen zu erfüllen, die er zur Ukraine abgegeben hat. Er sieht den Schaden für sein Land, aber seine geostrategischen Ziele sind ihm wichtiger. Das sorgt auch in der EU für Ernüchterung, deren Außenminister an diesem Montag über ihre Strategie beraten. Wenn aber Putin so sehr auf Zeichen angewiesen ist, die sein Land ebenbürtig erscheinen lassen, liegt genau hier ein Ansatzpunkt: Ohne die eigene Position aufzugeben, muss die EU über ein Angebot an Russland nachdenken, von dem Putin auch symbolisch profitiert. In der Sprache der Diplomaten nennt man das eine gesichtswahrende Lösung.

Lesen Sie hier auch das Stück "Wladimir Putin, der müde Aggressor".

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