Es geht um die Seele der Union: Wird Friedrich Merz der Boris Johnson der CDU?
Mit der Kampfansage an ein sogenanntes Establishment der Union inszeniert Friedrich Merz vor allem einen Machtkampf um das Wesen der Partei. Ein Kommentar
Die CDU ist schon seit einiger Zeit ins Schlingern geraten. Und nun beginnt für Friedrich Merz das Boot zu schaukeln. Der Streit um den Wahlparteitag ist für ihn eine willkommene Gelegenheit, es krachen zu lassen. Er hat die Chance erkannt, die ihm eine vielköpfige Führungscrew serviert hat. Er gegen sie, der Einzelkämpfer gegen das Establishment – da macht einer auf ganz großes Theater.
Merz hat sich nun endgültig für die Rolle entschieden, in der er an die Parteispitze kommen will.
Er steht als der Parteivolkstribun auf der Bühne. Als der Mann, der den wahren Christdemokraten eine Stimme gibt. Der die wirklichen Konservativen, die echten Rechten, als die sie sich fühlen, als Leitfigur wieder Führung verspricht. Der sie aus der babylonischen Gefangenschaft herausführt, der ideologischen Anpassungsknechtschaft, in der die CDU aus dieser Sicht unter Angela Merkel geraten ist.
Mittiger Pragmatismus, windelweiche Kompromisspolitik, ewiges Konsensregieren mit ständig wechselnden Partnern, mal gelb, mal rot, bald auch noch grün – die CDU ist in der Ära Merkel zwar erfolgreich gewesen, aber mit abnehmender Tendenz. Und das Ende der Ära ist ausgerufen.
Merz dagegen steht für die Hoffnung unter den Mitgliedern, auf der Basis einer anderen Agenda zu größerer Stärke zurückzufinden. Klarere Kante nach links, wieder mehr Wirtschaftspartei, konservative Wertepolitik (was immer das ist). Mit Merz, so lautet diese Sehnsucht, könne die Partei wieder locker über die 40-Prozent-Schwelle kommen.
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Aber ist das auch die Mehrheitsstimmung in der Partei? Man wird es sehen. Immerhin: Den populistischen Ton, den Merz mit seiner Anklage des „Establishments“ angeschlagen hat, wird er durchhalten müssen. Aus der Rolle kommt er nicht mehr heraus. Das von ihm ausgerufene Bündnis mit der Basis muss er unter Beweis stellen.
Machtkampf um die Neuausrichtung der Union
Aus dem bisher noch verhaltenen Wettstreit mit Armin Laschet (hinter dem Merz Angela Merkels Intrige wittert) wird jetzt endgültig ein Machtkampf, bei dem es um das Wesen, ja um die Seele der Partei geht. Ein „Machtkampf um die Neuausrichtung der CDU“, wie Merz selbst es formuliert hat.
Und damit beginnt nun auch die Zerreißprobe. All das erinnert schon ein wenig an das Phänomen Boris Johnson bei den britischen Tories und dessen Machtkampf mit Theresa May. Auch Johnson setzte auf sein Standing bei der Mehrheit der Mitglieder. Auf der Insel siegte am Ende der Illusionismus der Basis über den Pragmatismus des Establishments.