Union hadert mit der Aufstellung für die Opposition: Abreibung für die Ex-Minister
In der Unionsfraktion sollen viele Ex-Minister das Bild in der Opposition prägen - das fand bei den Wahlen nicht jeder gut.
Aufbruch, spottet eine CDU-Abgeordnete, „Aufbruch hatte ich mir anders vorgestellt.“ Die junge Frau steht mit ihrer Enttäuschung nicht allein in der CDU/CSU-Fraktion.
Die Union hat in den letzten Tagen ihre Führungsposten neu besetzt. Aus der Aufstellung für die Opposition hätte eine Gelegenheit zur aktiven Nachwuchsförderung werden können. Stattdessen wird die halbe Alt-Regierung recycled. Lautstarken Protest gab es am Montagabend nicht, dafür umso deutlicheren stillen. Etliche der Wahlergebnisse kommen einem stummen Misstrauensvotum gleich.
Nun ist die Ämterverteilung in der Opposition immer ein besonders heikles Unterfangen für die „Teppichhändlerrunde“. Der Kreis ist eine Spezialität der Unionsfraktion. Anders als etwa bei der SPD, wo zentrale Personalien zwischen den Flügeln ausgemacht werden – Seeheimer, Netzwerker und Parlamentarische Linke -, ist die Union machtpolitisch nach Landsmannschaften sortiert.
Fachgruppen wie Wirtschafts- oder Sozialflügel sind nur indirekt beteiligt. Den Proporz handeln die Chefs der Landesgruppen gemeinsam mit Fraktionschef Ralph Brinkhaus unter sich aus.
In der Opposition, wie gesagt, ist das besonders kompliziert: Viel Begehr, wenig Ehr. Wer nicht wenigstens den Posten eines Sprechers für ein Fachgebiet besetzt, kann sich kaum Chancen ausrechnen, vom „Morgenmagazin“ zum Interview gebeten zu werden.
Beim Thema Wirtschaft drängeln sich aber jetzt gleich drei Altverdiente. Jens Spahn ist für den Bereich künftig als Fraktionsvize zuständig, Julia Klöckner als Sprecherin der Arbeitsgruppe, und der bisherige Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer soll den Wirtschaftsausschuss des Bundestages leiten.
Normalerweise werden solche Personalien von der Fraktion mit deutlich über 80 Prozent durchgewunken. Diesmal nicht. Der Ex-Gesundheitsminister Spahn musste sich mit 74,4 Prozent begnügen, die Ex-Agrarministerin Klöckner sogar mit 68,5 Prozent. Das ist fast schon ehrenrührig.
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Nicht viel besser erging es Ex-Bildungsministerin Anja Karliczek, die ungeachtet ihrer Qualifikation als gelernte Hotelfachfrau nur 70,6 Prozent der Abgeordneten als Leiterin der Tourismus-Arbeitsgruppe sehen wollten. Und auch Helge Braun bekam einen kräftigen Dämpfer. Dass sich der Ex-Kanzleramtschef als Vorsitzender des mächtigen Haushaltsausschusses bewarb, obwohl er gleichzeitig im Rennen um den CDU-Vorsitz antritt, hatte ohnehin für Stirnrunzeln gesorgt. Mit nur 73,8 Prozent wurde er für den Ausschussvorsitz nominiert.
Über Herkunft und Motive der Ablehnung lässt sich naturgemäß nur spekulieren. Fest steht aber, dass schon die Auswahl der Ausschuss-Vorsitze für offenen Protest gesorgt hatte. Dass eine anerkannte Vereinigung wie die CDU-Arbeitnehmerschaft CDA der Fraktionsspitze per Vorstandsbeschluss „jegliches Gespür“ für die Balance in der Volkspartei absprach, war ein einmaliger Vorgang.
Dahinter steckt die Sorge, dass sich die Union thematisch selbst beschneidet. Die Vorsitze für die Bundestagsausschüsse werden in einem Zugriffverfahren verteilt, bei dem alle Fraktionen nach den Mehrheitsverhältnissen zum Zug kommen. Die CDU hatte Haushalt, Wirtschaft und Finanzen reklamiert, die CSU Landwirtschaft, Tourismus und den Geschäftsordnungsausschuss.
Damit liegt erstmals seit Menschengedenken kein einziger Ausschuss mit Sozialbezug mehr in der Leitung der Union. Das widerspricht nicht nur nach Ansicht der CDA der allgemein geteilten Analyse, dass die Union die Bundestagswahl auch wegen Sprachlosigkeit bei Sozialthemen wie Mindestlohn oder Mieten verloren hat.
Auch von der Kompetenz für Familienpolitik, die die Union mit der Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) kurzzeitig erobert hatte, ist in Umfragen nicht mehr viel übrig. Ob die CSU-Frau Dorothee Bär als künftige Fraktionsvize daran etwas ändern kann, glaubt selbst in der CSU nicht jeder.
Damit droht der Union eine Verengung auf den Status der Wirtschaftspartei. Die Schlagseite könnte sich mit der Vorsitz-Entscheidung bei der CDU sogar noch verstärken. Zwar haben alle drei Kandidaten das Soziale als zentrales Thema ausgerufen. Aber der Favorit Friedrich Merz war sein Leben lang als Mann der Wirtschaft unterwegs. Das Etikett streift sich nicht leicht ab.
Obendrein ist bereits erkennbar, dass es die Ampel-Parteien strategisch darauf anlegen, die Union in diese Ecke zu drängen. Olaf Scholz hat die SPD schon im Wahlkampf als Partei der kleinen Leute reüssieren lassen. Als Kanzler macht er kein Hehl daraus, dass er mit genau diesem Kurs auf die nächste Wahl 2025 zusteuert.
Christian Lindners FDP arbeitet derweil daran, die Union ins konservative Eck zu bugsieren, eine Ausrichtung, die in der Union zu großen Teilen mit dem Wirtschaftsflügel identisch ist. Am Dienstag beantragten die Ampel-Fraktionen folgerichtig die symbolische Rechtsverschiebung im Parlament. Nach der neuen Sitzordnung soll die Union nun neben der AfD platziert werden, während die FDP weiter in die Mitte wandert.
Die Regierungsparteien können den Zwangsumzug mit ihrer Mehrheit durchsetzen. Umso wichtiger, finden Leute im liberal-sozialen Lager der Union, dass CDU und CSU das Manöver inhaltlich dementieren.
Vielleicht kam auch der Widerspruch gegen die alte Garde aus dieser Ecke. Ein auf den ersten Blick widersinniges Wahlergebnis spräche jedenfalls dafür.
Für einen Jungen nämlich hatte die Fraktionsspitze eigens einen Posten neu geschaffen: Philipp Amthor ist jetzt Sprecher für Staatsorganisation und Staatsmodernisierung. Der 29-Jährige aus Mecklenburg-Vorpommern könnte als Gegengewicht zu den Altvorderen gesehen werden. Aber ausgerechnet der Jungkonservative bekam das mit Abstand schlechteste Ergebnis: 63,4 Prozent.
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