Das fordert die Jugend von den G20: Wir wollen eine heile Welt
Beim "Youth20 Dialogue" formulierten junge Menschen aus den G-20-Staaten ihre Zukunftsvisionen. Sie raten zu mehr Digitalisierung und weniger Bürokratie, ihre Sorge gilt dem Klima und der Umwelt.
„Every word counts!“ Da waren sich alle im Plenum einig: „Jedes Wort zählt!“ Die rund 70 jungen Menschen aus den G-20-Ländern, die Anfang Juni in Berlin zum „Youth20 Dialogue“ zusammenkamen, wollten auf jeden Fall vermeiden, dass sie in die gleiche Falle tappen wie die Entscheider von heute ein ums andere Mal: leere Phrasen zu dreschen und Papierberge zu produzieren, statt wirklich etwas zu bewegen.
Studenten und Unternehmerinnen, Aktivisten und Referentinnen aus so unterschiedlichen Ländern wie Südafrika und Saudi-Arabien, Italien und Indonesien, Deutschland und Korea diskutierten mit viel Enthusiasmus und trotzdem bemerkenswert strukturiert die für sie relevantesten Themen des anstehenden Gipfels. Dem 26-jährigen Fahad A. Al-Thenayyan liegt vor allem die Terrorismusbekämpfung am Herzen. „Mein Land musste schon viele Anschläge verkraften“, sagt der Architekt aus Riad. „Gleichzeitig führt der Terror dazu, dass Muslime unter Generalverdacht gestellt werden. Dabei lehrt der Islam Frieden, keine Gewalt.“
Als Teil der Lösung im Kampf gegen Radikalisierung und Terrorismus rufen die Y-20-Delegierten ihre Regierungen auf, die Bürger besser einzubinden. Ihre Idee: eine digitale Plattform, die „einen produktiven Austausch zwischen Regierungen, Kommunen und einzelnen Akteuren ermöglicht“, heißt es im abschließenden Positionspapier. Mit Hilfe einer Internetseite und einer App soll zum Beispiel Aufklärung betrieben und über Bedrohungslagen informiert werden. Kommunen und örtliche Organisationen sollen sich vernetzen und ihr Engagement besser koordinieren können, schlagen die Teilnehmer vor.
Zugang zum Internet für möglichst viele Menschen
Auch darüber hinaus stand die Digitalisierung – und dabei vor allem der Zugang zum Internet für möglichst viele Menschen – auf der Agenda. „Wer, wenn nicht die junge Generation, kann die Digitalisierung vorantreiben“, findet Julia Amerikaner. „Solche Technologien werden immer wichtiger und können das Leben der Menschen sehr verbessern.“ Als Beraterin im argentinischen Kulturministerium erlebt die 24-Jährige gerade selbst die Vorzüge einer modernen Verwaltung. „Noch vor einem Jahr haben wir die Aktenberge hin und her geräumt. Heute läuft beim Kontakt mit den Bürgern vieles digital.“ Ein eigens geschaffenes Ministerium für Modernisierung brachte die Ämter Argentiniens auf Vordermann.
Julia Amerikaner und ihre Mitstreiter fordern daher: mehr Effizienz und Transparenz durch E-Government. Außerdem Zugang zur digitalen Infrastruktur für alle Nationen, besonders für Entwicklungsländer. Zwar sei der Anteil der Weltbevölkerung mit Netzzugang in den vergangenen 20 Jahren von vier auf 40 Prozent gestiegen. Trotzdem verfügten in aufstrebenden Volkswirtschaften nur rund zwölf Prozent der Menschen über einen Breitbandanschluss. „Wir müssen uns stärker bemühen, diese digitale Kluft zu schließen“, schreiben die Delegierten – und empfehlen unter anderem, die Entwicklung erschwinglicher Technologien zu fördern, mehr Geld in die digitale Bildung zu stecken und vor allem junge Frauen, die Landbevölkerung, Menschen mit Behinderung und Analphabeten mit passenden Programmen zu qualifizieren.
Kritisch sehen die Y-20-Teilnehmer die schlechten wirtschaftlichen Chancen für Jugendliche. Obgleich sie ein Viertel der Weltbevölkerung ausmachten, hätten sie kaum Platz in der globalen Ökonomie. Um dies zu ändern, bedürfe es „transparenter, gut organisierter globaler Wirtschaftspolitiken und Partnerschaften“. Die Delegierten empfehlen eine Stärkung der sogenannten Sharing Economy, also von Geschäftsmodellen, die eine gemeinsame Nutzung von Ressourcen ermöglichen. Kleinst-, Klein- und mittelgroße Unternehmen sollten mehr Unterstützung erhalten – etwa durch Mikrokredite, Beratung oder auch eine Datenbank, die Jungunternehmern in aller Welt den Transfer nachhaltiger Technologien ermöglicht.
Politik für junge Menschen verständlich machen
Für den Kampf gegen die weltweite Jugendarbeitslosigkeit – mehr als 70 Millionen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren sind derzeit ohne Job – gibt es ebenfalls Ideen: Hier sollten Jugendorganisationen stärker einbezogen werden, da sie gefährdete und ausgegrenzte junge Menschen am besten erreichten.
Lokale Projekte und Initiativen können viel bewirken, meint auch Saket Mani aus Indien. „Move beyond the bureaucracy – überwindet die Bürokratie“, ist das Motto des internationalen Jugendaktivisten, der sich unter anderem für die Gleichberechtigung von Frauen stark macht. Sein Rat an alle Y-20-Mitstreiter: „Engagiert Euch, stellt was auf die Beine! Viele denken, im Kleinen könne man ohnehin nichts ausrichten. Aber das stimmt nicht.“
Sein zweiter Appell: „Erklärt den jungen Leuten zu Hause, wofür wir hier eintreten. Macht es ihnen in ihren Worten verständlich.“ Dass Jugendliche rund um den Erdball Politik nicht mehr verstehen, ihr sogar zunehmend misstrauen, ist eine weitere Sorge der Delegierten. Junge Menschen müssten stärker einbezogen und politische Prozesse und Entscheidungen transparenter gemacht werden.
Nichtstaatliche Akteure in Klimaverhandlungen einbeziehen
Ob bei den Themen Arbeit, Flucht und Migration, Klimaschutz oder Korruptionsbekämpfung: Viele Forderungen der Y20 decken sich mit denen ihrer Vorgängergeneration. Doch immer wieder setzen sie auch eigene Akzente, bringen ihren besonderen Blickwinkel ein – und betonen, dass sie es sind, denen wir die Erde hinterlassen und die mit den verheerenden Folgen von Klimaveränderungen, Umweltzerstörung oder bewaffneten Konflikten leben müssen.
Gerade beim Klimaschutz überwiegt aber die Zuversicht: „Wir sind bereit, die Herausforderung anzugehen“, heißt es in ihren „jungen Ideen für eine nachhaltige Zukunft“. Auch hier sollten die Weltlenker stärker auf „substaatliche Akteure“ wie Jugendorganisationen, Regionalverwaltungen und religiöse Einrichtungen setzen und sie in Klimaverhandlungen einbeziehen. Praktikabel oder nicht – der Ausstieg von Donald Trump aus dem Abkommen von Paris macht den besorgten Nachwuchs kreativ: Auf diese Weise würde „die fehlende Unterstützung einer Regierung nicht automatisch einen vollständigen Rückzug des betroffenen Landes bedeuten“.
Wird man ihren Ideen in Hamburg Gehör schenken? Fahad aus Saudi-Arabien ist vorsichtig optimistisch: „Ich weiß nicht, ob wir wirklich etwas verändern können. Aber wir müssen alles dafür tun.“ Auf jeden Fall zeige ihre Arbeit jungen Menschen: „Ihr seid nicht machtlos!“