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Die fraktionslose Abgeordnete Frauke Petry in der konstituierenden Sitzung des Deutschen Bundestages.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Frauke Petry im Interview: "Wir wollen eine bundesweite CSU sein"

Ex-AfD-Chefin Frauke Petry über den Abgang aus der Partei, ihre neuen Pläne mit der "Blauen Wende" und Selbstüberschätzung in der Politik. Ein Interview.

Frau Petry, seit Ihrem spektakulären Abgang aus der AfD vor sechs Wochen hat man wenig von Ihnen gehört. Kommt er noch, der große Knall, mit dem Sie Ihr neues politisches Projekt vorstellen?

Wir haben nicht vor, einen großen Knall zu produzieren. Die meisten Entwicklungen im Leben vollziehen sich ganz allmählich. Und das Signal, das ich mit meinem AfD-Austritt produziert habe, war laut und hörbar genug.

Ihre Vertrauten haben die „Blaue Partei“ gegründet, im Vordergrund soll das Bürgerforum „Blaue Wende“ stehen. Warum?
Wir stellen fest, dass in der Bevölkerung das Vertrauen in Parteien seit Jahren sinkt. Europaweit suchen Bürger losere Verbünde, in denen sie sich engagieren können – das sieht man beispielsweise an Emmanuel Macrons Bewegung „En Marche“ in Frankreich. Dem trägt das Bürgerforum Rechnung – es soll eine Heimat für Konservative und Liberale werden, die auch außerhalb einer Partei nach Lösungen für gesellschaftliche Probleme suchen wollen. Ein Eintritt in die „Blaue Partei“ ist zwar möglich – sie soll aber nur als Rahmen dienen und dazu, bei Wahlen antreten zu können. Auf den Listen der „Blaue Partei“ werden explizit nicht nur Parteimitglieder stehen, sondern auch Bürger ohne Parteibuch.

Wie soll man sich so ein Bürgerforum vorstellen?
Wir organisieren sehr viele Veranstaltungen. Die erste in Frankfurt, aber auch in Berlin oder Sachsen. Wir planen Vorträge, aber vor allem viele kleine Regionaltreffen, bei denen diskutiert wird und man Ideen entwickelt.

Was war der Moment, an dem Ihnen klar wurde, dass Sie sich politisch von der AfD trennen müssen?
Es waren mehrere. Einmal die Affäre um den Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon aus Baden-Württemberg im Sommer 2016. Sie zeigte, wie leichtfertig die AfD mit dem Thema Antisemitismus umging. Die Partei hat damals ein bürgerliches Publikum massiv vor den Kopf gestoßen. Und natürlich die Rede von Björn Höcke in Dresden. Wir haben zwar ein Parteiausschlussverfahren angestrengt. Aber das wird ja nun nicht nur meiner Erwartung nach im Sande verlaufen.

Die AfD ist Ihnen also – kurz gesagt – zu rechts geworden?
Nein. Das Rechts-Links-Schema stimmt da nicht, weil die programmatische Ausrichtung eines Björn Höcke eine wirtschaftlich linke Politik ist. Eine sozialistische Politik mit stark patriotischem Anstrich, die teilweise die Grenze zum Nationalismus überschreitet. Die Funktionäre haben nicht verstanden, wie wichtig es ist, sich von extremistischen Tendenzen abzugrenzen. Viele Wähler haben die AfD trotz inhaltlicher Übereinstimmungen nicht gewählt, weil das öffentliche Bild von Personen wie Höcke oder dem Dresdner Richter Jens Maier geprägt wurde. Es ist mir extrem schwergefallen, für Personen Wahlkampf zu machen, hinter denen ich nicht stand. Auch heute noch werden in der AfD Anhänger des von mir geforderten realpolitischen Kurses gemobbt und politisch entmachtet.

Auch Sie selbst haben sich aber dieses Jahr mit Rechten aus ganz Europa getroffen - darunter Marine Le Pen vom „Front National“. Wie glaubwürdig ist es dann, dass Sie einen gemäßigten Kurs fordern?
Uns war es bei diesem Treffen wichtig zu zeigen, dass auch EU-kritische Parteien eine positive Vision für Europa haben können – ein Europa nämlich, das aus eigenverantwortlich handelnden Staaten besteht. Man sollte politische Gespräche aber nicht als vollständige Übereinstimmung von Positionen betrachten.

Und was ist mit Ihrer Aussage, man solle daran arbeiten, dass der Begriff „völkisch“ wieder positiv besetzt ist?
Diese Behauptung ist eine mediale Erfindung. Ich selbst habe das Wort „völkisch“ nie benutzt und mich lediglich dagegen gewehrt, dass Worte wie Nation und Volk geächtet werden. Sprechverbote ziehen schließlich Denkverbote nach sich. Und die darf es in einer Demokratie nicht geben.

Begegnet man Ihnen jetzt anders, seitdem Sie nicht mehr in der AfD sind?
Ja. Das Interesse von CDU, FDP und aus Bürgerrechtskreisen an der „Blauen Wende“ ist sehr groß. Auch die Bereitschaft mit uns öffentlich aufzutreten. Wir sind in Gesprächen mit Wirtschaftsverbänden. In Grimma in Sachsen, wo wir demnächst eine Veranstaltung machen, bekommen wir Unterstützung vom Oberbürgermeister – das wäre mit der AfD nie denkbar gewesen. Wir können jetzt auch Positionen zur Einwanderung oder EU besser artikulieren, weil das negative Image der Partei keine Rolle mehr spielt.

Wo unterscheiden Sie sich inhaltlich von der AfD?
Zum Beispiel beim Thema Wirtschaftspolitik. In der AfD hat der Trend zu mehr Staat mit dem Wachstum der Partei zugenommen. Die ursprünglichen Ideen sind ins Hintertreffen geraten. Wir sind zum Beispiel für ein aktivierendes Grundeinkommen. Es soll nicht auskömmlich sein, weil es sonst keinen Anreiz bietet zu arbeiten. Jeder Euro aber, der über das Grundeinkommen hinausgeht, soll beim Bürger bleiben. Das ist der Unterschied zu Hartz IV, wo Zuverdienste verrechnet werden. Eine Kopplung mit Reformen sonstiger Sozialleistungen würde auch bürokratische Vereinfachungen bedeuten.

Und beim Thema Islam?
Wir erkennen den Islam natürlich als eine Religion an. Aber der politische Anspruch des Islam passt nicht zum Grundgesetz. Muslimen, die das erkannt haben, müssen wir die Hand reichen. Das ist in der Vergangenheit zu kurz gekommen.

Haben Sie geglaubt, dass Ihnen mehr Leute aus der AfD folgen würden?
Das neue Projekt ist explizit nicht auf Ex-AfD-Mitglieder angelegt, sondern auf das konservative Vakuum, das noch immer besteht.

Manche halten es für Betrug am Wähler, dass Sie auf AfD-Ticket in den Bundestag kamen, aber dann ihr Mandat auch nach dem Austritt behalten haben. Was sagen Sie denen?
Ich mache ein Wahlkreisbüro in Pirna auf, dort werde ich sicher viele Fragen beantworten. Ein wichtiger Punkt ist aber: Ich bin für meine Inhalte gewählt worden, als Person mit einem Direktmandat. Und Mandatsträger sollten sich primär dem verpflichtet fühlen, was sie den Wählern versprochen haben. Das tue ich.

In Sachsen wird 2019 gewählt, im Bund 2021. Für die AfD hatten Sie stets den Anspruch, dann an einer Regierung beteiligt zu sein. Gilt das auch für die „Blaue Partei“?
Ja, wir streben eine Regierungsbeteiligung an. Das wäre ja mit der AfD gar nicht möglich gewesen, weil mit der keiner koalieren will.

Neigen Sie zu Selbstüberschätzung?
Politik beinhaltet immer Risiko, es besteht die Gefahr, dass man sich selbst überschätzt. Aber der Wähler wählt ja, um Ideen auch umgesetzt zu sehen. Den Regierungsanspruch muss man deshalb erheben. Mag sein, dass wir uns zu viel vornehmen. Aber die Politik leidet eher an Leuten, die sich zu wenig vornehmen.

Wer soll die „Blaue Partei“ wählen?
Erhebungen zeigen ein Potential von 30 Prozent für konservative Wähler. Die werden weder von der derzeitigen CDU, noch von der AfD bedient und brauchen endlich wieder eine Heimat, da beide Parteien aus unterschiedlichen Gründen der Versuchung des sozialistischen Populismus erliegen. Viele Wähler wünschen sich eine bundesweite CSU – so eine Partei wollen wir sein.

Wie hat sich Ihr Leben verändert, seitdem Sie nicht mehr in der AfD sind?
Es gibt nun nicht mehr nur von links sondern auch von enttäuschten AfD-Anhängern viele Drohungen, ich stehe ständig unter Personenschutz und kann nicht alleine zum Einkaufen gehen. Aber für unsere Kinder ist es einfacher geworden – sie wurden ja nicht nur für unser politisches Tun angefeindet, sondern vor allem für diverse Ausfälle anderer AfD-Repräsentanten. Das hat sich jetzt gebessert.

Das Gespräch führte Maria Fiedler.

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