Joe Bidens Rede vor der UN: „Wir werden führen, aber nicht alleine“
Wie US-Präsident Joe Biden bei den Vereinten Nationen versucht, Amerikas Ansehen wieder aufzupolieren.
Gleich zwei positive Botschaften hatte US-Präsident Joe Biden im Gepäck, als er am Dienstagmorgen (Ortszeit) vor die Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York trat. Keine 24 Stunden zuvor hatte das Weiße Haus verkündet, worauf viele Menschen in den USA und in Europa sehnsüchtig gewartet hatten: Nach 18 Monaten ist das Ende der coronabedingten Einreisebeschränkungen absehbar, zumindest für Geimpfte.
Wenige Stunden später teilte das Außenministerium mit, dass die Vereinigten Staaten ihre Flüchtlingsaufnahme verdoppeln. Statt wie bisher 62500 Flüchtlinge würden nun künftig bis zu 125.000 pro Jahr aufgenommen.
Bestimmte Gruppen würden dabei besonders berücksichtigt, etwa Menschen aus Mittelamerika, Afghanistan, Hongkong, Rohingya aus Myanmar sowie Uiguren aus China. Das Lob des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR war der Regierung in Washington damit schon einmal sicher.
Es gibt derzeit viel Kritik an dem neuen US-Präsidenten
Das konnte Biden auch gut gebrauchen, sieht er sich derzeit doch ungewöhnlich viel Kritik von befreundeten Staaten ausgesetzt. Der Präsident, den ein Großteil der Welt beim Amtsantritt als jemanden begrüßte, der das Vertrauen in die USA wiederherstellen könne, hat mit dem chaotischen Abzug aus Afghanistan, dem Umgang mit den Corona-Impfstoffen, der rigiden Abschiebepolitik und dem U-Boot-Deal zulasten Frankreichs viel diplomatisches Porzellan zerschlagen. Er, der die von Vorgänger Donald Trump beschädigten Allianzen reparieren wollte, muss die skeptisch gewordenen Alliierten nun davon überzeugen, dass die „America first“-Politik wirklich vorbei ist.
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Zwar musste Biden nicht fürchten, wie Trump 2018 ausgelacht zu werden. Aber die Freude über den neuen Präsidenten hat nach seinen ersten großen außenpolitischen Entscheidungen merklich nachgelassen. Und dass ihn ein französischer Außenminister mit Trump vergleicht, kann das Weiße Haus nicht kalt lassen.
Immer wieder spricht Biden von „Partnerschaft“ und „Zusammenarbeit“
Als Biden dann um 10.02 Uhr das Wort ergreift, zieht sich wie ein roter Faden sein Werben um „Partnerschaft“ und „Zusammenarbeit“ angesichts einer „gemeinsamen Zukunft“ und „gemeinsamer Herausforderungen“ durch seine Rede. 35 Minuten lang plädiert er dafür, dass die Welt stärker sei, wenn sie nicht geteilt ist.
Der Präsident spannt einen weiten Bogen vom Kampf gegen die Pandemie und den Klimawandel, für Menschenrechte hin zu einer Globalisierung, die allen nutzen müsse. „Wir sind zurück am Tisch“, verspricht er. „Wir werden führen, aber nicht alleine.“
Das UN-Treffen finde zu „einem Zeitpunkt großen Schmerzes und außergewöhnlicher Möglichkeiten“ statt, erklärte Biden. Die Welt stehe an einem Scheideweg. Pandemien und Klimawandel würden keine Grenzen kennen, sie erforderten Zusammenarbeit.
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Um das Ziel einer gerechteren internationalen Verteilung von Impfstoffen zu erreichen, hat Biden für Mittwoch zu einem Online-Gipfel geladen. Es ist ein weiterer Versuch, das Ansehen der USA wieder zu reparieren, die in der Kritik stehen, Impfstoffe zu lange vor allem für sich selbst genutzt zu haben.
Mehr Diplomatie statt Militär in Afghanistan
Noch einmal begründet Biden auch den umstrittenen Abzug aus Afghanistan mit den neuen Herausforderungen. Statt „die Kriege der Vergangenheit“ zu kämpfen, würden die USA nun ihre Ressourcen für die Zukunft einsetzen.
Das Ende des Einsatzes am Hindukusch eröffnet demnach Möglichkeiten, mit mehr Entwicklungshilfe Menschen überall auf der Welt zu helfen. Biden nutzt die weltweite Aufmerksamkeit, um anzukündigen, dass die USA ihre finanziellen Klima-Hilfen in Entwicklungsländern verdoppeln würden. Auch sagt er zehn Milliarden Dollar für die Bekämpfung des Hungers weltweit zu.
„Wir wollen keinen neuen Kalten Krieg“
Mit Blick auf die wachsenden Spannungen mit China versichert Biden: „Wir wollen keinen neuen Kalten Krieg oder eine geteilte Welt.“ Die USA seien bereit, mit allen Nationen zusammenzuarbeiten, etwa beim Klimaschutz oder der Pandemie, auch wenn man erhebliche Interessenkonflikte bei anderen Themen habe. Er erklärte aber auch: Die Zukunft gehöre den Demokratien, nicht autoritären Regimen.
Zuvor hatte UN-Generalsekretär António Guterres gewarnt, die Welt stehe „am Rande des Abgrunds“. An die USA und China gerichtet, mahnte er zu Beginn der Generaldebatte: „Wir brauchen Dialog. Wir brauchen Verständigung.“
Die Welt drohe sich in zwei Gruppen aufzuspalten „mit unterschiedlichen wirtschaftlichen, handelspolitischen, finanziellen und technologischen Regeln, unterschiedlichen Herangehensweisen bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz – und letztlich zwei unterschiedlichen militärischen und geopolitischen Strategien“, sagte Guterres. Das sei gefährlich und „viel weniger vorhersehbar als der Kalte Krieg“. Um Vertrauen wiederherzustellen, brauche es Kooperation.