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Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI)
© dpa/Tobias Schwarz/AFP/Pool
Update

Virusvariante B117 breitet sich rasant aus: „Wir stehen möglicherweise erneut an einem Wendepunkt“

Die Corona-Zahlen stagnieren – und der Anteil der Virusvariante B117 steigt. Der RKI-Chef ist besorgt. Der Gesundheitsminister verspricht Tempo bei Impfungen.

Die Mutanten des Coronavirus, vor allem die britische Variante B117, stellen Deutschland im Kampf gegen die Pandemie vor neue Herausforderungen. Das Robert Koch-Institut erwartet in den kommenden Wochen mehr Corona-Ausbrüche. „Wir stehen möglicherweise erneut an einem Wendepunkt“, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler am Freitag. „Der rückläufige Trend der letzten Wochen setzt sich offenbar nicht mehr fort.“

In vielen Bundesländern stagnierten die Fallzahlen, es sei ein Plateau entstanden, das aber „zu hoch“, sei.

Noch offen ist dabei, ob dies auf die Virusvarianten zurückzuführen ist. „Wir wissen noch nicht genau, ob die besorgniserregenden Varianten dabei eine Rolle spielen“, sagte Wieler. Aber: „Der Anteil der Variante B117 steigt rasant an.“

„Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Bekämpfung der Pandemie dadurch auch schwieriger wird“, sagte der RKI-Chef. Es werde schwieriger, das Ziel eines niedrigen Inzidenz-Niveaus zu erreichen. In den kommenden Wochen rechne er daher mit mehr Corona-Ausbrüchen gerade auch bei Jüngeren. „Es werden auch mehr junge Erwachsene, Jugendliche und auch Kinder erkranken“, sagte Wieler.

Er warnte davor, die Corona-Beschränkungen nun leichtfertig zu lockern. „Jede unbedachte Lockerung beschleunigt das Virus und wirft uns zurück. Dann stehen wir in ein paar Wochen genau wieder an dem Punkt, wo wir Weihnachten waren“, mahnte Wieler. Das Virus habe eine Boost erhalten, sagte Wieler. „Es macht große Sprünge, und da dürfen wir nicht rückwärtsgehen.“

Die Corona-Maßnahmen wirkten auch gegen die neuen Virusvarianten, daher gebe es keinen Anlass, sich entmutigen zu lassen. Wie bei jedem seiner Presseauftritte appellierte der RKI-Präsident erneut an die Bürger, Kontakte auf das Nötigste einzuschränken, sich möglichst draußen zu treffen, möglichst nicht zu verreisen sowie Masken über Mund und Nase zu tragen, „auch im Büro, im Auto und in öffentlichen Verkehrsmitteln“.

Die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen – die Sieben-Tage-Inzidenz – lag dem RKI zufolge Freitag bundesweit bei 56,8 – und damit geringfügig niedriger als am Vortag (57,1). Schon in den Tagen zuvor hatte es keinen deutlichen Rückgang mehr gegeben. Bund und Länder streben ein Niveau von weniger als 50 an, weitergehende Öffnungsschritte sollen bei weniger als 35 möglich sein.

„Seitwärtsbewegung“ bei den Corona-Zahlen

Angesichts auch dieser Zahlen mahnte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Wieler ebenfalls zu Vorsicht. „Das Virus gibt nicht einfach auf, das sehen wir dieser Tage sehr klar", sagte Spahn. Es gebe einen steigenden Anteil von Infektionen mit den „besorgniserregenden Virusmutationen“, der aktuell bei etwa 20 Prozent liege.

Zudem zeige sich bei der Zahl der Neuinfektionen momentan „eine Seitwärtsbewegung“, sagte Spahn. Das Bedürfnis nach einem Ende des Lockdowns sei greifbar. Bei Öffnungen gelte es aber, behutsam und vorsichtig vorzugehen, um das Erreichte nicht zu gefährden.

Spahn verspricht mehr Tempo bei Impfungen

Spahn erwartet in den kommenden Wochen eine deutliche Erhöhung des Tempos bei den Impfungen gegen Covid-19. Inzwischen seien rund fünf Millionen Dosen verimpft. Bis Ende kommender Woche würden zehn Millionen Impfdosen ausgeliefert sein. Derzeit würden rund 150.000 Menschen pro Tag in Deutschland geimpft, sagte Spahn. Dies werde man in den nächsten Wochen verdoppeln müssen, um alle verfügbaren Impfdosen verimpfen zu können.

Nach Spahns Angaben sind inzwischen 740.000 Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen mit einer ersten Dosis geimpft worden, fast 500.000 auch bereits mit der zweiten. Noch nicht alle, aber die allermeisten Bundesländer berichteten, dass alle Bewohner der Einrichtungen das Angebot zumindest für die erste Impfung erhalten haben. Spahn hatte als Ziel gesetzt, dass dies Mitte Februar überall erfolgt sein sollte.

Verschlimmerung durch Corona-Mutante? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und RKI-Präsident Lothar Wieler warnen.
Verschlimmerung durch Corona-Mutante? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und RKI-Präsident Lothar Wieler warnen.
© Kay Nietfeld/dpa

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Der Gesundheitsminister warb noch einmal eindringlich für eine Impfung. „Das Impfangebot zu bekommen, ist ein Privileg“, sagte Spahn. Die Bedenken vieler Impfberechtigter gegen den Impfstoff von Astrazeneca versuchte Spahn zu zerstreuen. Es gebe in der EU „drei sichere und wirksame Impfstoffe, die zugelassen sind“, sagte er. Ebenfalls zugelassen sind die Vakzine von Biontech und Moderna.

„Wer nicht will mit dem angebotenen Impfstoff, kann zu diesem Zeitpunkt dann nicht geimpft werden“, sagte Spahn zu der Debatte um das Astrazeneca-Vakzin. Dann müsse ein späterer Impftermin vereinbart werden.

Der Impfstoff von Astrazeneca ist in Deutschland nur bis zum Alter von 64 Jahren empfohlen. In den vergangenen Tagen waren aus mehreren Ländern Meldungen gekommen, dass jüngere Menschen mit erster Priorität - etwa Beschäftigte in Krankenhäusern - das Vakzin nicht wollten oder die beiden anderen derzeit zugelassenen Impfstoffe von Biontech und Moderna bevorzugten.

„Es bleibt nichts liegen“, sagte Spahn dazu. Wenn jemand die Impfung nicht wolle, werde sie dem nächsten angeboten. Er sprach sich dafür aus, die geplante Impfreihenfolge beizubehalten.

Länderminister beraten über Vorzug für Lehrer und Erzieher bei Impfung

Die Gesundheitsminister der Bundesländer wollen am kommenden Montag darüber beraten, ob Grundschullehrer und Erzieher in der Impfpriorisierung nach vorne rücken sollten. Das kündigte der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), der aktuell den Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz hat, bei der Pressekonferenz mit Spahn und Wieler an. Holetschek schloss sich der Forderung an.

Spahn ergänzte, sein Ministerium werde zu dem Thema einen Vorschlag vorlegen, der bei Konsens mit den Ländern dann auch zügig umgesetzt werden soll. Der Minister hatte in Aussicht gestellt, zumindest Grundschullehrerinnen und Erzieher vorzuziehen, weil Abstands- und Hygieneregeln im Kontakt mit dieser Altersgruppe schwieriger durchzusetzen seien.

Wenn die Verordnung geändert worden sei, „müssen die Länder nach ihrem Impffortschritt entscheiden, wann sie in den nächsten Wochen damit beginnen“, sagte der Gesundheitsminister weiter. Voraussetzung sei allerdings, dass die Menschen aus der ersten Gruppe - zu der die Menschen ab 80 gehören - ein Impfangebot erhalten haben.

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Spahn bestätigte zudem, dass die Bundesregierung einen Sonderbeauftragten einsetzt, um den Ausbau der Impfstoffproduktion in Deutschland voranzubringen. Diese koordinierende Aufgabe soll demnach der Chef der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Christoph Krupp, übernehmen. Angesiedelt werden solle die Funktion beim Wirtschaftsministerium. Zuerst hatte der „Der Spiegel“ darüber berichtet. Demnach soll der neue Beauftragte vor allem Ansprechpartner für Hersteller sein und ihnen dabei helfen, ihre Produktion zu steigern. (mit Agenturen)

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