Frankreichs Finanzminister Le Maire in Berlin: „Wir stehen einem Energieschock gegenüber“
Frankreichs Finanzminister Le Maire kündigt Schutzmaßnahmen für betroffene Betriebe an. Derweil holt die Rechtspopulistin Le Pen in Frankreich in Umfragen auf.
Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire ist an diesem Donnerstag zu Besuch in Berlin. Wie wenige andere französische Politiker ist der Deutschland-Kenner Le Maire mit dem politischen Betrieb in Berlin vertraut. Es könnte für Le Maire also ein Routine-Besuch sein.
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Doch die Zeiten lassen keine Routine zu: Putin droht mit einem Lieferstopp für russisches Gas, in EU-Ländern wie Deutschland und Frankreich müssen große Industriebetriebe um ihre Energieversorgung bangen. Die Inflation macht den Bürgerinnen und Bürgern zu schaffen. Und dann ist da in zehn Tagen auch noch die Präsidentschaftswahl in Frankreich.
Es ist also kein Zufall, dass Le Maire nach seiner einstündigen Begegnung mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) drastische Worte wählt, um die gegenwärtige Situation zu beschreiben. „Wir stehen einem Energieschock gegenüber“, sagt Le Maire. Die Folgen des Krieges in der Ukraine drückten sich durch starke Preissteigerungen in Frankreich, Deutschland und überall sonst in der EU aus, führt Le Maire weiter aus.
Wie auch nach seiner anschließenden Begegnung mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) kündigte Le Maire Maßnahmen zum Schutz von Unternehmen an, die den höchsten Strom- und Energieverbrauch aufweisen.
Kaufkraft als entscheidendes Wahlkampf-Thema in Frankreich
Die Kaufkraft gehört zu den wichtigsten Themen im französischen Wahlkampf. Weil Heizkosten und Benzinpreise bereits vor dem Krieg in der Ukraine kräftig gestiegen waren, hatte die Regierung in Paris Ende des vergangenen Jahres eine einmalige Ausgleichszahlung in Höhe von 100 Euro für Haushalte mit einem Nettoeinkommen von weniger als 2000 Euro beschlossen. Zusätzlich werden seit Mittwoch in Frankreich Schecks für besonders Bedürftige verschickt, mit denen der Staat seit 2018 eine Hilfe beim Bezahlen der Gas- und Stromrechnungen leistet. 5,8 Millionen Haushalte können gegenwärtig diese Zahlungen in Höhe von 48 bis 277 Euro in Anspruch nehmen. Zudem hat die Regierung eine Deckelung bei den Strompreisen eingeführt.
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Vor der Präsidentschaftswahl deuten die Meinungsumfragen darauf hin, dass es im entscheidenden zweiten Wahlgang am 24. April wie bereits vor fünf Jahren zu einem Duell zwischen Amtsinhaber Emmanuel Macron und Marine Le Pen, der Vorsitzenden des rechtspopulistischen „Rassemblement National“ (RN), kommt. Le Pen hat auch in Zeiten des Krieges in der Ukraine ihre Nähe zum Kreml laut Umfragen offenbar nicht allzu sehr geschadet. Nach einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Elabe könnte die RN-Chefin mit 21 Prozent in zehn Tagen im ersten Wahlgang auf dem zweiten Platz landen – sieben Prozentpunkte hinter dem Amtsinhaber Emmanuel Macron.
Umfrage sieht Le Pen bei 47,5 Prozent im zweiten Wahlgang
Spannend könnte es bei einem Zweikampf zwischen Macron und Le Pen indes im zweiten Wahlgang am 24. April werden. Zwar sehen bislang sämtliche Meinungsumfragen Macron in dieser Konstellation vorne. Laut der Erhebung des Instituts Elabe schmolz der Vorsprung des Staatschefs allerdings zuletzt deutlich. Demnach würde der Amtsinhaber in der zweiten Runde nur einen denkbar knappen Sieg mit 52,5 Prozent davontragen, während Le Pen auf 47,5 Prozent käme.
Angesichts des immer wahrscheinlicher werdenden Duells mit der RN-Vorsitzenden hat Macron inzwischen den Ton gegenüber der Nachfolgepartei des früheren „Front National“ verschärft. Bei einem Wahlkampfauftritt im westfranzösischen Fouras sagte Macron, dass er „ein rechtsextremes Tandem“ bekämpfe. Damit meinte er sowohl die inzwischen gemäßigter auftretende Marine Le Pen und den rechtsextremen Kandidaten Eric Zemmour.
Macron erinnerte daran, dass es vor zwei Jahrzehnten in Frankreich einen öffentlichen Aufschrei und eine heftige Gegenreaktion an den Wahlurnen gab, nachdem der Vater der heutigen Kandidatin, Jean-Marie Le Pen, in die zweite Runde der Präsidentschaftswahl eingezogen war. „Eine solche Reaktion gibt es nicht mehr“, beklagte Macron bei seinem Wahlkampfauftritt lauthals angesichts der Tatsache, dass es breiten Wählerschichten offenbar nichts ausmachen würde, wenn die RN-Kandidatin Le Pen demnächst in den Elysée-Palast einziehen würde.