Der Weltklima-Vertrag: Wir schaffen den Kohleausstieg
Der weltweite Kohleausstieg ist mit dem Klimavertrag praktisch beschlossene Sache. Das ist nicht nur eine saubere Sache, daran lässt sich auch prächtig verdienen. Ein Kommentar
Das Wort Kohleausstieg ist in Deutschland vor einem Jahr allenfalls geflüstert worden. Als Perspektive für die Welt galt der Kohleausstieg vor wenigen Wochen noch als komplett verrückt. Doch am Samstagabend hat sich die ganze Welt einen Klimavertrag gegeben, der genau das erreichen will: In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts soll der Abschied von Kohle, Öl und Gas geschafft sein. Das Zeitalter der erneuerbaren Energien hat begonnen – und zwar überall.
Beim Weltklimagipfel in Paris haben gleich zwei Staatengruppen um ihr politisches und im Wortsinne verstandenes Überleben gekämpft: vom Untergang bedrohte Länder und die Öl-Scheichtümer. Die kleinen Inselstaaten im Pazifik, im Indischen Ozean und der Karibik leiden bereits unter dem steigenden Meeresspiegel. Ihr Trinkwasser und der Boden versalzen; immer öfter setzt schon eine einfache Springflut eine ganze Insel unter Wasser. Sie wissen, dass sie nicht bleiben können, wenn die Welt nichts gegen den Klimawandel unternimmt.
Dass es moralisch verwerflich ist, die Existenz ganzer Staaten aufs Spiel zu setzen, um die Atmosphäre weiter als Müllkippe für Kohlendioxid nutzen zu können, ist zwar nichts Neues. Aber inzwischen sind die kleinen Staaten gut organisiert. So kamen ihre Argumente diesmal an – bei den USA, den Europäern und sogar bei China und Indien, die seit dem Abschluss des ersten Klimavertrags in Kyoto 1997 zum weltgrößten und drittgrößten Emittenten von Treibhausgasen herangewachsen sind.
Ein wichtiges Signal für die Investoren
Auf der anderen Seite kämpfte Saudi- Arabien um sein Überleben als Öl-Monarchie, in der die Oberschicht nicht arbeiten muss und gut von den Öleinnahmen lebt. Das ist die politische Lebensversicherung des Königshauses. Dass die Verhandler kein Mandat zur Selbstabschaffung hatten, kann niemanden überraschen. Dass sie sich allerdings mit dem Argument, die Armut im eigenen Land bekämpfen zu müssen, weigern wollten, in den Klimafonds für arme Staaten einzuzahlen, hat sie isoliert. Selbst in ihrer Gruppe 77 der Entwicklungsländer mochte ihnen da niemand mehr folgen.
Das Abkommen kann zwar die Welt nicht retten, aber es ist ein Vertrag mit Substanz. Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist weltweit längst im Gang. Mit dem Pariser Abkommen bekommen die Investoren der Welt – auch die, die das bisher ignoriert haben – das entscheidende Signal: Ihr Geld wird sich nicht mehr vermehren, wenn sie es in Kohle, Öl oder Gas investieren.
Für Deutschland, und sogar für Polen, heißt das: Kohle ade. Damit die Beschäftigten in Kraftwerken und Bergbau nicht die Dummen sind, muss schnell ein Ausstiegsplan her, der auch ihnen Chancen eröffnet.
Der Umbau der Energiewirtschaft in den Industrieländern und der Aufbau einer neuen, sauberen Energieinfrastruktur in Entwicklungsländern bringt überall Jobs und Strom zu bezahlbaren Preisen auch für die, die wenig Geld haben. Das ist der wichtigste Grund, warum in Paris gelungen ist, was in Kopenhagen noch gescheitert war.
China und Indien erkennen langsam, dass sie sich auch sauber entwickeln können. Dass der Verzicht auf Kohle nicht heißt, dass sie arm bleiben müssen, sondern dass sie daran sogar prächtig verdienen können. Außerdem kann China so eines seiner größten Probleme lösen: Wenn die Bürger nicht unter dem Ruß der Kohlekraftwerke leiden, arbeiten sie mehr, sind seltener krank und sichern der Partei ihre Macht.